Endlich wieder beste Freundefeste: Kindergeburtstag!
"Der Sommer - ein Fest" (Teil 3): Manche feiern lieber draußen, andere gehen vorher zum Test, aber: Es gibt wieder Kindergeburtstage! Eine Grenzerkundung.
Endlich! In diesem Sommer hängen sie wieder. Luftballone in allen Farben an Gartenzäunen, Tonnenhäuschen oder Torbögen befestigt. Oder in Parks an alten Bäumen. Bunte Wegweiser zum Kinderglück! Keine Heimlichkeiten mehr wie oftmals noch im vergangenen Jahr. Und auch keine Kontaktbeschränkungen. Alle Welt kann wissen: Hier steigt eine Party.
Heute weisen die Luftballone den Weg zu Isabell. Zehn Jahre wird sie und das wird gefeiert. Kaffeekränzchen, Geschenke auspacken, Spielen, Basteln, Toben bis alle zum Umfallen erschöpft sind – die Eltern inbegriffen.
15 Uhr. Es kann losgehen! Es läutet, vielfüßiges Getrappel im Flur, die Tür wird aufgerissen, eine ausgesprochen erwartungsfrohe und gut gelaunte Kinderschar schaut nach dem Rechten. Es ist ja so, selten öffnet das Geburtstagskind allein die Tür. Auch all die anderen wollen schließlich nichts verpassen. Acht Freundinnen hat Isabell sich eingeladen. Der ältere Bruder hat einen Freund als Beistand dazu geholt. Ganz schön was los also. Quer durch das Wohnzimmer sind Girlanden gespannt. Der Esstisch wurde in eine Kaffeetafel verwandelt mit Johannisbeerkuchen, Muffins auf der Etagere, auf den Trinkbechern unterschiedliche Micky-Maus-Motive. „Wer will was?“
Endlich wird wieder fröhlich getanzt, geherzt, umarmt
Und schon wird fröhlich losgeplappert. Die Themenwechsel sind atemraubend. „Ich weiß ja, du hast eine Schwäche für Schokolade.“ – „Was, du trinkst Kaffee, das darfst du doch nicht wegen des Koffeins.“ – „Schau wir sehen fast gleich aus. Blaues Kleid, blonde Zöpfe.“ – „Der Kontrabass ist die größte Geige, das weiß ich genau.“ – Und schon geht es um Tomaten. „Iiiiih, die hasse ich.“ Dann ist es höchste Zeit für ein Ständchen, befindet die Mädelstruppe. Erst „Happy Birthday mit Quatsch“, also die Version mit der Aprikose in der Hose, dann „In der Schule wird geschrieben, in der Schule wird gelacht“ schnell und immer schneller, bis nur noch ein Kauderwelsch zu hören ist. Und weil alle gerade so in Fahrt sind, wird die Kaffeetafel kurz aufgehoben und gemeinsam getanzt und geklatscht. Im Hintergrund läuft Rolf Zuckowskis Klassiker: „Wie schön, dass du geboren bist.“ Mädchengeburtstag. Bei Jungs geht es oft ein wenig ruppiger zu. Der Fußball kommt schneller ins Spiel.
Endlich wird wieder fröhlich getanzt, geherzt, umarmt. Geburtstagsmeuten brechen zu Schnitzeljagden auf. Gehen Bowlen oder zum Minigolfen. Manche feiern lieber draußen, manche machen vorher einen Corona-Test, weil die Schnupfennase läuft. Aber besser Kompromisse als ein Totalausfall, wie oftmals im vergangenen Jahr, als auch das Feiern von Kindergeburtstagen vom Inzidenzwert abhing.
Und wie schwer war es , den Kindern das Sausen-Aus beizubringen. Noch immer finden sich im Internet zahlreiche Tipps von Psychologen. Feiern sie Zoom-Partys. Laden Sie zur Mikroparty ein. Nehmen sie sich viel Zeit für Ihr Kind. Und haben Sie Verständnis dafür, wenn es traurig und wütend ist. Na klar, wer verzichtet schon gerne auf einen einmaligen Tag im Jahr mit Krönchen, Kerzen auspusten und vielen Geschenken, wenn man doch noch nicht einmal richtig verstehen kann, was Viren überhaupt sind. Manche Kinder, etwa solche, die im Frühjahr geboren sind, konnten zwei Jahre in Folge zu keiner Geburtstagsfeier einladen. Der Videochat am Jubeltag mit den Großeltern war anfangs ja mal ’ne nette Abwechslung, aber dann... Und die heimliche Einladung der besten Freundin oder des besten Freundes kaum ein Unterschied zum Spielenachmittag an einem ganz normalen Mittwoch …
Sie spricht die Lisa Simpson - und sie ist kindergeburtstagsverrückt
Für Kinder ist der Geburtstag aber laut einer Umfrage nach Weihnachten das zweitwichtigste Fest im Jahr. Einmal im Jahr im Mittelpunkt stehen, vom Wachwerden bis zum Einschlafen verwöhnt und gefeiert werden – und beschenkt werden, nicht weil der Osterhase oder das Christkind kommt, sondern einfach, weil es einen gibt. Wie schön!
Die Schauspielerin Sabine Bohlmann erinnert sich noch gut an dieses Gefühl. „Ich dachte damals immer, alle Welt müsste mir doch ansehen, dass ich Geburtstag habe, so froh war ich.“ Die Münchnerin ist die älteste Neunjährige der Welt. Seit dreißig Jahren schenkt die Synchronsprecherin der Tochter Lisa in der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ ihre Stimme. In der Serie Marienhof spielte sie die Jenny Busch. Und dann ist sie auch noch Autorin zahlreicher Kinderbücher, der Geschichten von „Frau Honig“ etwa. Und Bohlmann ist, man kann es nicht anders sagen: geburtstagsverrückt. Zwei Bücher samt Basteltipps hat sie darüber geschrieben. Und auch am Telefon sprudelt sie nur so vor Ideen, dass man das Gefühl hat, sie legt gleich wieder los mit dem Basteln, Dekorieren und Einladen.
„Ich mochte es immer, wenn die Freunde der Kinder zu uns nach Hause oder in den Garten kamen.“ Denn das Besondere an diesem Tag sei doch, dass die Eltern sich Zeit nehmen, mit den zu Kindern spielen. Sie selbst liebe Mottopartys, sei da „perfektionistisch verrückt“ gewesen, vergrub etwa im Februar gelbe Rüben in der Erde und hängte Äpfel in die Bäume, damit all die fleißigen Helfer bei der Gartenzwergparty ihres Sohnes auch im Winter etwas in ihre Körbchen ernten können. Sie zählt zu denen, die keine Mühen scheuen, wenn die Idee gut ist. Nicht immer zur Freude anderer Eltern. Schließlich haben nicht alle die Zeit, die Kreativität oder sind so hemmungslos geburtstagsidealistisch wie Bohlmann. Manchen war das ein Zuviel, diese Erfahrung habe sie auch gemacht. Aber es sei so ein Spaß gewesen, all diese verrückten Geburtstage zu feiern. Bis ihre Tochter irgendwann festgestellt habe, dass sie nie einen klassischen Geburtstag hatte. Deshalb lud das Mädchen an seinem 13. Geburtstag zu einem Kindheitsabschiedsgeburtstag ein – mit Topfschlagen, Würstchen-Schnappen und Sackhüpfen. Für Sabine Bohlmann kein Problem. Denn vor allem gehe es doch um dieses große Gefühl „Schön, dass es dich gibt, du wirst geliebt“. Und das gehört gefeiert, findet Sabine Bohlmann. Ganz so, wie das Kind es möchte.
Zeit für ein Elterngetränk? Das Fest erreicht seinen Kipppunkt...
Und meistens wollen die immer das Gleiche. Jede Familie hat da ihre eigenen Rituale, die – oh Himmel! – auf keinen Fall verändert werden dürfen. Viele Geburtstagskinder überlassen da nichts dem Zufall – schließlich besteht jedes Jahr aufs Neue die Gefahr, dass die Eltern patzen könnten. Das klingt dann häufig so: Also ihr würdet dann ans Bett kommen und singen und ich würde dann so tun, als ob ich noch schlafen würde und dann würde ich aufwachen und ihre würdet die Kerzen auf dem Tablett anzünden. Dann gibt es das erste Stück Geburtstagskuchen, vielleicht schon zum Frühstück, die Blümchen stehen auf dem Gabentisch und vielleicht liegt da schon ein Geschenk. Am Nachmittag die Großeltern, Tanten und Onkel und am Wochenende dann das Freundefest.
Das Freundefest von Isabell und ihren Mädels ist nun beim Flaschendrehen angekommen. Auch so ein Ritual. Diejenige, auf die der Flaschenhals zeigt, darf ihr Geschenk übergeben. So entscheidet das Schicksal über die Reihenfolge beim Auspacken. Ein Konfliktpunkt weniger. Nach und nach werden Freundschaftsbänder, Schleich-Pferde, ein Farbset zum Steinebemalen ausgepackt. Alle wollen jetzt Steine bemalen. Das ist Isabell aber gar nicht so recht. Schnell packt sie zusammen und spricht ein Machtwort. Sie ist schließlich das Geburtstagskind. „Jetzt batiken wir.“ Isabells Mutter hat weiße Rüschen-T-Shirts besorgt und rührt mit bewundernswerter Gelassenheit in der weißen Küche Farben an, die Anleitung hängt am Fenster. Es läuft gut bisher. Ihr Mann findet, dass es jetzt „Zeit für ein Erwachsenengetränk ist“ und öffnet eine Flasche Prosecco für sich und seine Frau.
Wonneproppen verwandeln sich in Kotzbrocken
Jedes Fest hat seinen Kipppunkt. Bei Isabell ist er erreicht, als die ersten Mädels mit dem Batiken fertig sind und nicht wissen, was sie nun tun sollen. Die Tanz- und Singspiele dehnen sich auf das beige Ledersofa aus, das auch ein wunderbares Trampolin ist. Das sehen die Eltern aber leider anders. Jetzt sind deren Qualitäten als Dompteure gefragt: Schnell ein Spiel aus dem Hut zaubern, das allen gefällt und – bitte! – keine Diskussionen auslöst. Stopptanz zum Beispiel. Da machen immer alle mit. Mädels und Jungs. Auch wenn sie schon ein wenig cool sind. Irgendwann sollte halt nicht mehr Rolf Zuckowski sondern Billie Eilish laufen. Sonst wird’s peinlich. Isabells Eltern entscheiden sich fürs Eierlaufen. Und weil alle Tennis-, Tischtennis- und Softbälle, ja, alle verdammten kleinen Bälle dieser Welt, die auf einen Löffel passen, unauffindbar sind, nimmt man halt die guten Bioeier aus dem Kühlschrank. Wird schon gut gehen. Was soll auch passieren?
Kindergeburtstage sind Wundertüten. Selbst aufs Feinste geplant sind jede Menge Überraschungen drin. Extra bestellte Magier vergessen den Termin, können sich leider nicht herbei zaubern und müssen mehr als eine Stunde lang zum Festort radeln. Kinder gehen bei der Schatzsuche verloren und tauchen erst wieder auf, wenn schon aufgelöst die Polizei verständigt wurde. Jungs klettern zu hoch auf Bäume und trauen sich nicht mehr runter, andere wollen helfen und plötzlich hängen viele oben fest. Wonneproppen verwandeln sich, weil sie beim Sackhüpfen angerempelt wurden, von der einen Sekunde zur anderen in Kotzbrocken. Und – apropos – der letzte Muffin war doch vielleicht einer zu viel … Na, lecker!
Aber irgendwann dann ist der Kindergeburtstag vorbei und die Eltern denken sich dann leise: endlich! Machen sich eine Flasche Rotwein auf oder schlafen direkt auf dem Sofa ein.
Aber an dieser Stelle noch einmal Sabine Bohlmann, denn der nächste Geburtstag kommt bestimmt: „Wenn wir feiern, feiern wir auch immer das Leben.“
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