Schlussformel "Bleiben Sie gesund!" anbringen? Nein!
Zu "Mit freundlichen Grüßen" gesellt sich neuerdings "Bleiben Sie gesund" - eine unterschwellige Ermahnung, findet unser Autor.
Es ist erstaunlich zu beobachten, wie schnell und nachhaltig sich bestimmte Ausdrucksweisen durchsetzen. Das formelhafte "Viel Spaß!" beispielsweise ist als Allzweckzuruf nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Ob man in eine Tragödie strebte oder zur Kur nach Norderney, ob zur Mitternachtsmesse, zur Demo oder zum Hosenkauf (ja, das alles war einmal möglich) – mindestens ein Sozialkontakt wünschte dabei sprechautomatenartig "Viel Spaß". Spaßgesellschaft ist gerade eher weniger. Aber es gibt ein neues Versatzstück der zwischenmenschlichen Kommunikation, das vorzugsweise verschriftlicht (also aus sicherer, coronagefahrkonformer Distanz) eingesetzt wird: "Bleiben Sie gesund!" Dieses Anhängsel hat sich rasend schnell verbreitet – es ist zur wohlfeilen Signatur dieser Tage geworden.
Der Textbaustein als übergriffige Abgrenzungsformel
Und? Was ist dagegen einzuwenden? Wollen wir nicht alle gesund bleiben, ist das nicht ein freundlicher Wunsch, ein zwischenmenschlich aufmunterndes Anteilnehmen? So wie das alternativ gebrauchte "Passen Sie auf sich auf!" auch? Nein, so einfach liegt die Sache nicht.
Man kann den Textbaustein "Bleiben Sie gesund!" auch als unterschwellige Ermahnung, als eine übergriffige Abgrenzungsformel interpretieren. Was ist mit jenen, die krank sind? Sind das Versager? Leute, die es nicht geschafft haben, die sich nicht auf der richtigen Seite halten konnten? Die Heroisierung und Glorifizierung von Gesundheit führt auf gefährliches Terrain. Niemandem, der seine Grüße mit dem "Bleiben Sie gesund!" glaubt anreichern zu müssen (wie man das jetzt eben so macht), soll hier unterstellt werden, dass er dies nicht in netter Absicht tut. Doch das normierte Nachplappern im Corona-Sprech hat einen schalen Beigeschmack. Gut gemeint, aber ein bisschen billig.
Lesen Sie auch den Pro-Kommentar von Lea Thies.
Die Diskussion ist geschlossen.
Vielen Dank Herr Schreiner für diesen Kurzartikel. Ich finde das „Bleib Gesund“ Thema sehr wichtig, da es eine Grußformel ist, die von heute auf morgen täglich Millionenfach geschrieben und ausgesprochen wird. Mir fliegt das "Bleib Gesund" täglich um die Ohren und das auch von Personen/Organisationen, mit denen ich keine Beziehung habe (Werbung, Newsletter, E-Mails usw.). Ich persönlich empfinde diese Form von Grußformel in Befehlsform als sehr unangenehm und dieser Artikel zeigt mir, dass ich scheinbar nicht der einzige bin, der so denkt. Ich bezweifle auch stark, dass die meisten Menschen damit Empathie ausdrücken wollen. Viel mehr glaube ich, dass die durch Corona "in Mode" gekommene Grußformel überwiegend nach dem Motto „Machen doch grade alle so“ genutzt wird. Mir scheint, dass Menschen denken, wenn sie die Formel nicht nutzen, dann fallen Sie aus dem aktuellen gesellschaftlichen Raster. „Bleib Gesund“ interpretiere ich als Befehl, den kein Mensch auf dieser Erde ausführen kann. Es ist einfach unmöglich. Menschen sind in der Geschichte immer erkrankt und werden es auch in Zukunft tun. Es gibt, bis auf die aktuellen durch das RKI, die WHO ect. vorgegebenen Verhaltensempfehlungen, keinerlei Möglichkeiten sich einer Krankheit zu entziehen. Wenn eine Person einer anderen versehentlich ins Gesicht hustet oder nießt, dann bezweifle ich, dass es eine Maske bringt. Und wenn man nicht an Corona erkrankt, dann bekommt man eben die Grippe, eine Erkältung oder weitere vielleicht sogar nicht übertragbare Krankheiten. Der Befehl ist also scheinbar nutzlos und gibt den Menschen sogar einen Auftrag, den sie nie erfüllen können, was zusätzlichen psychischen Druck erzeugen kann. Genauso psychosozial anstrengend finde ich, dass täglich das Thema Nr. 1 im Internet, im TV, in Zeitungen etc. Corona ist. Im Prinzip ist Corona überall wo man hinguckt: Corona, Corona, Corona. Wäre es da nicht angenehm, wenn wenigstens die E-Mails oder andere Kommunikationsmedien davon verschont blieben. Das wäre doch schonmal was. Lange Rede kurzer Sinn, ich für meinen Teil benutze die Grußformeln, die ich immer genutzt habe und werde meinen Mitmenschen höchsten Gesundheit wünschen und nicht befehlen.
Finde ich ein wenig übertrieben. "Macht es gut!" wäre dann ja auch ein Befehl. Trotzdem geht es einem inzwischen auf die Nerven, ja. Am Anfang als man noch so eine unmittelbare Bedrohung fühlte, sagte man das ganz automatisch zu seinen Freunden, Verwandten: Passt auf Euch auf (auch ein Befehl!) oder bleibt,(bitte) gesund. Damit war einfach eine Sorge um jemanden ausgedrückt und richtig, dadurch, dass das nun quasi jeder im Munde führt, wird's inflationär und unglaubwürdig, denn dass das Küchenstudio in Sorge um mich ist, das halte ich nun auch für eher unwahrscheinlich.
Herr Schreiner, ist Ihnen langweilig? Wenn man unbedingt will, kann man an allem rummäkeln. Nur habe ich dafür jetzt keinen Sinn. Machen Sie es wie ich, verwenden Sie diese Grußformel nur bei Menschen, die ihnen nahe stehen und nicht bei Himpel und Pimpel. Menschen, von denen sie bisher wissen, dass sie nicht infiziert sind. Glauben Sie mir, ich schaffe das auch ohne Vorlage und verwende doch tatsächlich auch abweichende Formulierungen.
>> ... auch abweichende Formulierungen.<<
z. B. "Bleib xond!"
Alternativ: Mit Süddeutschem Gruß