Streitfrage: Darf man Fremde maßregeln? Natürlich nicht!
Was tun, wenn jemand bei Rot über die Ampel geht, obwohl da auch ein Kind wartet? Oder wenn sich jemand vordrängelt? Nix sagen, meint Stefanie Wirsching.
Es gibt viele Dinge, die der Mensch auch deswegen tut, weil er annimmt, er fühle sich dann ein bisschen besser. Oft liegt er damit falsch! Beim Maßregeln von Fremden – Kinder, Partner und Haustiere also ausgenommen – ist das fast immer der Fall. Nehmen wir zum Beispiel einen typischen Fall: Person A geht bei Rot über die Ampel, obwohl Person B mit Kind brav am Gehsteig wartet. Klar, unmöglich. Was aber passiert, wenn Person A von Person B nun ein „Was sind Sie denn für ein Vorbild für Kinder“ hinterhergeschleudert bekommt, während sie hurtig über die Straße spurtet. Eine Möglichkeit: Person A ist das völlig wurscht, dreht sich nicht einmal um. Person B ärgert sich noch mehr, das Kind lernt die Machtlosigkeit der Eltern kennen. Andere Möglichkeit: Person A dreht sich um, macht eine unqualifizierte Bemerkung, Person B ärgert sich noch viel viel mehr, redet sich in Rage und das Kind lernt: Eltern haben sich nicht immer im Griff. Fazit also: Alles blöd!
Und die Frage ist ja auch die: Warum will ich den anderen maßregeln? Um ihn zu erziehen? Oder doch um ihn öffentlich bloßzustellen, ihn sozusagen bestrafen, weil er eine soziale Norm missachtet hat? Achte ich aber in dem Moment eigentlich den anderen, der sich zwar offensichtlich falsch verhält, vielleicht aber ja auch aus einem Grund, den ich nur nicht kenne? Vielleicht hat es Person A wirklich fürchterlich eilig, bleibt sonst immer brav an der Ampel stehen? Vielleicht hat sie – anderes Beispiel – einfach nicht bemerkt, dass da nebendran Leute brav in der Schlange warten und ist deswegen direkt zur Verkäuferin gegangen, um ihre Brezen zu bestellen. Und werde ich mit meinen Erziehungsmaßnahmen irgendetwas bewirken, obwohl es doch bei den Kindern schon so irre schwierig ist? Eben!
Lesen Sie auch den Pro-Kommentar von Wolfgang Schütz.
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