Suzi Quatro: „Die Performance macht mich high“
Rocksängerin Suzi Quatro spricht über einen Anruf von Elvis, die Zusammenarbeit mit ihrem Sohn und über das, was ihr Vater ihr immer gesagt hat.
Ihr Song „No Soul/No Control“ hat die Botschaft: „Gib dich niemals für jemand anderen auf“. Ist dies Ihr Mantra?
Suzi Quatro: Ja, ich war schon immer sehr selbstbewusst. Ganz gleich, was in meinem Leben passiert: Ich werde mich niemals von jemandem kontrollieren lassen. Denn das wäre gefährlich. Es gab in meinem Leben auch kein Idol, dem ich blind nacheiferte. Ich bin immer ich selbst geblieben. Das ist eine wichtige Botschaft.
Wurden Sie so geboren?
Quatro: Ich musste meinen Platz unter fünf Geschwistern finden. Ich war die zweitjüngste. Das hat mir dabei geholfen, mich selbst zu finden. Ich habe Suzi gefunden, obwohl ich in dieser Gruppe auch leicht hätte übersehen werden können. Dass es mich als Künstlerin heute noch gibt, hat etwas mit meiner Kindheit zu tun.
An wen geht der Song „Macho Man“?
Quatro: Mir sind in meinem Leben eine Menge Machos über den Weg gelaufen. Ich habe mit ihnen vielleicht drei Minuten meiner Zeit verbracht. Der Song ist aber nicht böse gemeint, weil ich glaube, dass Machos Opfer des Männlichkeitswahns sind. Sie haben sich selbst in etwas eingeklemmt. Das finde ich unheimlich schade.
Elvis Presley war Ihr größtes Idol. War er nicht auch ein großer Macho?
Quatro: Der Philosoph Khalil Gibran hat „The Prophet“ geschrieben, eines der besten psychologischen Bücher überhaupt. Es hat mit Männlichkeitswahn nichts zu tun. Elvis las darin immer vor dem Einschlafen. Er hatte zwar ein Macho-Image, aber in Wirklichkeit war er sehr gläubig und hatte ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter. Elvis hat „Love Me Tender“ gesungen! Ist das etwa ein Macho-Song? Ein Mann kann sich wie ein Macho benehmen und gleichzeitig die Fähigkeit haben, zu weinen. Mein Ehemann zum Beispiel kann das.
Was haben Sie sich von Elvis abgeschaut?
Quatro: Seine Qualitäten als Entertainer. Ich wollte immer Menschen unterhalten. Mit sechs Jahren sah ich Elvis im Fernsehen in der Ed Sullivan Show. Meine neunjährige Schwester fing an zu kreischen, was ich im ersten Moment gar nicht verstand. Aber dann hat mich der Bildschirm magisch angezogen und ich hatte eine Eingebung: „Ich will das machen, was dieser Elvis macht!“ Das war 1956.
1977 haben Sie „All Shook Up“ aufgenommen. Elvis war so begeistert, dass er Sie nach Graceland eingeladen hat. Was haben Sie ihm gesagt?
Quatro: Mir fiel die Kinnlade herunter. Ich habe ihm geantwortet, dass ich momentan sehr beschäftigt sei. (lacht) Ich war einfach noch nicht bereit für solch ein Treffen. Ich war zu schüchtern. Aber ich habe darüber einen Song geschrieben, er heißt „Singing With Angels“. Aufgenommen habe ich ihn mit James Burton und den Jordanaires in Nashville in Elvis’ Studio. Ein sehr wichtiger Song, der oft bei Beerdigungen gespielt wird.
Beim Großteil der Stücke auf dem neuen Album kooperierten Sie mit Richard Tuckey, Ihrem Sohn aus der Ehe mit Len Tuckey. Wie war das?
Quatro: Mein Sohn war schon immer begeistert von der Energie und der Stimmung der frühen Suzi-Quatro-Songs, aber nicht vom Sound der 1970er Jahre. Er wollte mich daran erinnern, wer ich eigentlich bin und schlug vor, dass wir gemeinsam Songs schreiben. Los ging es mit „Don’t Do Me Wrong“. Wir hauten ohne groß nachzudenken einen Titel nach dem anderen raus. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß es macht, völlig frei zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl, wieder nach Hause gekommen zu sein.
Von Richards Vater, dem Gitarristen Len Tuckey, trennten Sie sich auf ungewöhnliche Weise...
Quatro: Ich wusste nicht, wie ich es ihm sagen sollte, weshalb ich für ihn den Song „Free The Butterfly“ schrieb – in der Hoffnung, er würde die Botschaft verstehen. Er sagte: „Schöner Song!“ Ich glaube, er hatte die Botschaft verstanden, wollte es in dem Moment aber nicht zugeben. Heute sind wir gute Freunde. Wir waren 20 Jahre zusammen und haben zwei gemeinsame Kinder. Bereits ein Jahr später habe ich erneut geheiratet, und zwar einen Hamburger. Ich pendele seit 25 Jahren zwischen den USA und Deutschland.
Wie denken Sie über den #MeToo-Hashtag, der Frauen ermutigt, über sexuelle Übergriffe zu reden?
Quatro: Ich denke, es ist sehr wichtig für betroffene Frauen, sich zu äußern. #MeToo hat zugleich etwas Gutes und Schlechtes. Manche meinen, sie könnten die ganze Zeit den Mund aufmachen. Mal abwarten, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Diese Sache erinnert mich an die frühen 1970er Jahre. Damals wurde ich oft gefragt, ob ich die Frauenbewegung unterstützen würde. Ich habe immer mit Nein geantwortet: Ich bin meine eigene Bewegung. Ich brauche keine Gruppe, um stark zu sein. Ich schaffe das allein.
Sie sind seit über einem halben Jahrhundert im Geschäft. Wie haben Sie diese Zeit ohne Blessuren überstehen?
Quatro: Ich bin genau seit 55 Jahren im Geschäft. Muss ich mich jetzt alt fühlen? (lacht) Es sind übrigens nicht nur Männer, die sich selbst zerstören. Janis Joplin starb an einer Überdosis Heroin. Das Musikgeschäft ist bis heute sehr männlich, weil der Job so hart ist. Das wollen viele Frauen nicht. Mein Vater hat mir eingebläut, dass ich meinen Job ja professionell machen solle. Ich bin ein Vollprofi-Entertainer! Das bedeutet: keine Drogen, keine Drinks! Ich hatte nie das Bedürfnis, mein Bewusstsein zu erweitern. Die Performance selbst macht mich high.
Und wie kommen Sie wieder runter?
Quatro: Mit einem Glas Champagner nach der Show. Das Gefühl beim Verlassen der Bühne ist schrecklich, weil es von einem Moment auf den anderen ruhig wird. Ich kann echt nicht verstehen, weshalb jemand betrunken auf eine Bühne geht. Wer dafür einen Drink braucht, sollte sich lieber einen anderen Job suchen.
Sie sind in Detroit aufgewachsen. Dort gab es in den späten 60ern eine große Hardrockszene mit Iggy Pop, Alice Cooper, Bob Seeger…
Quatro: In den 1960ern hat mich Motown am stärksten beeinflusst. Mein Bruder war damals Konzertagent und brachte mich mit allen möglichen Bands auf eine Bühne. Ich habe Gigs mit Ted Nugent, The MC5, Iggy Pop und Bob Seeger gespielt. Alice Cooper ist ein guter Freund von mir.
Wie war Iggy Pop in den 1960ern?
Quatro: Ich erinnere mich an die Zeit, als er noch Schlagzeuger war. Sehr ungewöhnlich, wie er sich auf der Bühne austobte. 1974 kam er sogar zu einer meiner Shows in Los Angeles. Er sprang einfach auf die Bühne! Er durfte das, weil wir uns kannten. Aber ich musste ihn wieder runterschmeißen, weil er so stoned war, dass er nicht mal singen konnte. Aber Iggy ist extrem gut in dem, was er tut.
Zur Person Suzi Quatro (*3. Juni 1950 in Detroit) stand mit acht Jahren mit ihrem Vater, selbst Musiker, erstmals auf der Bühne. Nach einigen Jahren Klavierunterricht spielte sie mit ihren Schwestern in einer Band. Quatro verkaufte über 50 Millionen Platten. Ihr jüngstes Album „No Control“ ist eben erschienen, Quatro schon wieder auf großer Tour: Am 29. Mai spielt sie in München und am 15. Dezember in Nürnberg.
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