Mikroplastik: Von der Straße in die Atmosphäre
Von der Antarktis bis in die Tiefsee: Mikroplastik gelangt in die entlegensten Winkel der Erde. Nun haben US-Forscher die Partikel in der Atmosphäre untersucht.
Von der Antarktis bis in die Tiefsee des Marianengrabens: Mikroplastik gelangt in die entlegensten Winkel der Erde. Nun haben US-Forscher die Partikel in der Atmosphäre untersucht – und leiten daraus Ursprung, Verweildauer und bevorzugte Ablagerungsregionen ab. In den westlichen USA stammen demnach 84 Prozent des atmosphärischen Mikroplastiks aus dem Straßenverkehr, 11 Prozent aus dem Meer und 5 Prozent aus der Landwirtschaft. Das berichtet das Team um Janice Brahney von der Utah State University in Logan nach Untersuchungen an Messstationen und nach Modellsimulationen in den Proceedings der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Methodik der Mikroplastik-Studie zu fragwürdig, um weitreichende Interpretationen abzuleiten
Ralf Ebinghaus vom Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht spricht von einer interessanten Studie, die wichtige Anregungen gebe. Allerdings sei die Methodik zu fragwürdig, um daraus weitreichende Interpretationen abzuleiten, betont der Leiter des Instituts Umweltchemie des Küstenraumes.
Seit Beginn der Plastikproduktion im frühen 20. Jahrhundert seien weltweit fast 10 Milliarden Tonnen Kunststoff hergestellt worden, schreiben die Forscher. Zuletzt stieg die Produktion um etwa 4 Prozent jährlich. Rund 15 Prozent des Kunststoffs landen demnach durch unsachgemäße Entsorgung in der Umwelt, wo der Kunststoff im Lauf von Jahrzehnten in immer kleinere Fragmente zerbricht.
Dass Mikroplastik – also Partikel unter fünf Millimeter Durchmesser – auch durch die Luft weltweit verteilt wird, war bekannt. Die Forscher werteten nun 14 Monate lang Ablagerungen an elf Sammelstationen im Westen der USA aus. Bei der mikroskopischen Analyse konzentrierten sie sich auf Teilchen mit einem Durchmesser von 4 bis 250 Mikrometer (0,004 bis 0,25 Millimeter).
Gründe für den enormen Beitrag des Straßenverkehrs bei der Verbreitung von Mikroplastik
Den enormen Beitrag des Straßenverkehrs erklärt das Team teils damit, dass sowohl der Straßenbelag als auch Reifen und Bremsen Kunststoff enthalten und solche Partikel beim Abrieb durch die hohe mechanische Energie aufgewirbelt werden. Die Landwirtschaft verwendet demnach Dünger, der aus Kläranlagen stammt und reichlich Mikroplastik enthält. Hinzu komme etwa die Nutzung von Mulchfolien aus Kunststoff, mit denen Felder abgedeckt werden, um die Verdunstung von Feuchtigkeit zu verhindern.
Im Meer dagegen treibe Mikroplastik wegen seiner geringen Dichte oft an der Wasseroberfläche und werde durch Wind oder Gischt in die Luft gewirbelt. Aus Städten und Ballungsräumen gelangt der Studie zufolge zwar viel Plastik in die Umwelt, der direkt von dort stammende Mikroplastik-Eintrag liege jedoch im Promille-Bereich
Insgesamt schätzen die Wissenschaftler, dass die Luft über der westlichen Hälfte der USA (westlich des 100. Längengrads) etwa 1000 Tonnen Mikroplastik enthält. Sie betonen jedoch, dass dies wohl nicht repräsentativ für andere Regionen sei. So sei etwa in Europa die Bevölkerungsdichte deutlich höher, und der Straßenbelag enthalte mehr Kunststoff. Andererseits haben die westlichen USA ein eher trockenes Klima, was das Aufwirbeln von Mikropartikeln begünstigt.
Die global größten Quell- wie auch Ablagerungsregionen von atmosphärischem Mikroplastik sind demnach die Ozeane – insbesondere der Pazifik und das Mittelmeer. Dort enthalte das Wasser zwei bis drei Mal mehr Plastikteilchen als in anderen Meeresbecken. Insgesamt gelangen den Forschern zufolge pro Jahr 13 000 Tonnen Mikroplastik, die von Landflächen stammen, ins Meer. Dagegen würden 22 000 Tonnen, die aus dem Meer stammen, an Land deponiert. Wichtigste Ablagerungsregionen sind demnach Nordamerika, Europa, Südwestasien, Indien und Ostasien.
Die mittlere Verweildauer von Mikroplastik in der Atmosphäre schätzen die Forscher auf bis zu 6,5 Tage
Die mittlere Verweildauer der Teilchen in der Atmosphäre schätzen die Forscher – etwa nach Größe, Region und Witterung – auf bis zu 6,5 Tage. „Da feine Aerosole innerhalb weniger Tage von einem Kontinent zum nächsten ziehen können, legen diese Daten nahe, dass Plastik bei günstigen Bedingungen über die großen Ozeane und zwischen Kontinenten transportiert werden kann“, schreiben sie.
Angesichts der enormen Menge an Mikroplastik, die sich in den Meeren anreichert, betont das Team: „Das Entfernen von Plastik aus den Ozeanen könnte möglicherweise nicht nur die Wasserqualität erhöhen, sondern auch die Weiterverteilung von Mikroplastik durch die Atmosphäre verringern.“
Der deutsche Experte Ebinghaus lobt zwar den Ansatz des Teams, Mikroplastik-Ablagerungen zu untersuchen und daraus Rückschlüsse zu ziehen. Letztlich seien elf Messstationen für die westlichen USA aber sehr wenig. Zudem sei es kaum möglich, natürliche und synthetische Partikel rein optisch zuverlässig voneinander zu unterscheiden. „Damit ist schon die Basis der Studie fragwürdig“, betont der Umweltchemiker. Der Experte lobt allerdings den Ansatz, den biogeochemischen Kreislauf von Mikroplastik und insbesondere die Rolle der Ozeane zu analysieren. „Das ist eine wichtige Anregung“, sagt Ebinghaus. „Da sollte man genauer hinschauen.“ (dpa)
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