Faktencheck: Ochs, Esel und die Frage nach dem Stall
Jesus ist in einem Stall geboren, Ochs und Esel waren dabei, ist doch klar. Oder? In der Bibel steht das nirgends. Teil zwei des Faktenchecks zur Weihnachtsgeschichte.
Ochs und Esel sind bei jedem Weihnachtsspiel und als Figuren in jeder Krippe vertreten. Doch weder im Lukas- noch im Matthäusevangelium, die sich mit der Geburt Christi befassen, werden die beiden Tiere in diesem Zusammenhang erwähnt. Wie aber kann es dann sein, dass Ochs und Esel heute als unverzichtbare Begleiter des neugeborenen Jesuskinds in der Krippe gelten?
Schuld daran ist Franz von Assisi. Der Gründer des Franziskanerordens war derjenige, der 1223 in dem kleinen italienischen Dorf Greccio erstmalig eine lebende Weihnachtskrippe errichten ließ. Und diese Krippe stand nach den Vorstellungen Franz von Assisis – na klar – in einem Stall mit Tieren, die das Jesuskind wärmen. Doch neben Ochs und Esel ist auch der Stall als Geburtsort Jesu problematisch.
Faktencheck Stall: In der Bibel steht nicht genau, wo Jesus geboren ist
Das Matthäusevangelium ist keine Hilfe, da der Ort darin nicht genannt wird. Das Lukasevangelium ist vielversprechender. Darin heißt es, dass Maria ihren neugeborenen Sohn in eine Futterkrippe legt. Doch wo genau diese Krippe steht, bleibt unklar. Allerdings: Judäische Hirten verwendeten um die Zeit zu Jesu Geburt wegen der Topografie der Gegend Höhlen als Stall, in die sie die Futterkrippen stellten. Teilweise wurden die Höhlen sogar in Häuser zu Wohnzwecken integriert. Viele Autoren der frühen Kirche sind daher der Meinung, dass Jesus in einer Höhle geboren ist. Wahrscheinlicher aber erscheint eine dritte Möglichkeit: Jesus kam in einem Haus zur Welt. Wie kann das sein?
Schuld daran ist diesmal Martin Luther. Er übersetzte das griechische Wort „katalyma“ im Lukasevangelium als Erster mit „Herberge“, obwohl es eigentlich für „Gästezimmer“ oder einen Raum in einem Privathaus, der vermietet werden kann, verwendet wird. „Pandokeion“ wäre das richtige Wort für „Herberge“. Forscher gehen somit davon aus, dass Maria und Josef nicht abgewiesen wurden, weil die Herberge voll gewesen ist – was so oder so als äußerst unwahrscheinlich gilt, da es der orientalischen Gastfreundschaft widerspricht, eine hochschwangere Frau abzuweisen. Im Gästezimmer war schlichtweg kein Platz für eine Geburt. Das Gästezimmer befand sich laut Forschern vermutlich im Haus von Verwandten auf dem Land. Denn erstens gab es Herbergen in der heutigen Form in einem kleinen Dorf, das Bethlehem damals war, nicht. Und zweitens dürfte Bethlehem wegen der Volkszählung überfüllt gewesen sein.
Waren Ochs und Esel bei der Geburt Jesu dabei?
Da die Häuser auf dem Land damals meist nur zwei Räume besaßen und eines davon das zu kleine Gästezimmer war, fand die Geburt vermutlich im Wohnraum statt, wo in einem abgegrenzten Teil nachts ebenfalls das Vieh unterkam.
Dort stand auch eine Futterkrippe – ein sicherer, warmer Ort, wohin das Jesuskind nach der Geburt, bei der die weiblichen Verwandten sicherlich halfen, gelegt wurde. Da die Evangelien nichts zum Geburtsvorgang an sich erzählen, gehen Forscher davon aus, dass sich Jesu Geburt in etwa so abspielte – wie zu jener Zeit üblich. Besondere Vorkommnisse hätten wohl sonst ihren Weg in die Bibel gefunden. Erst die spätere theologische Auswertung kam zur Deutung: Jesus ist arm und muss von Anfang an leiden, da er in der Welt nicht willkommen ist. Dazu passen abgewiesene Eltern sowie eine einsame Geburt in einem kalten Stall mit Tieren viel besser.
Das führt wieder zurück zu Ochs und Esel. Die hat Franz von Assisi als Jesu Geburtsbegleiter aber auch nicht frei erfunden. Schon in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christus kommen sie in einer Wandmalerei und im 4. Jahrhundert in einem Grabrelief vor. Die einzige antike Quelle, die die beiden Tiere als Jesu Besucher am dritten Tag nach der Geburt nennt, stammt erst aus dem 8. Jahrhundert. Doch erst durch Franz von Assisis Lebendkrippe begannen Ochs, Esel und der Stall ihre Karriere in der Weihnachtsgeschichte.
Das Buch zum Fakten-Check: Simone und Claudia Paganini: Von wegen Heilige Nacht! Gütersloher Verlagshaus, 157 S., 14 €
Lesen Sie dazu auch den ersten Teil des Faktenchecks zur Weihnachtsgeschichte über die Geburt Christi sowie den dritten Teil über die Heiligen Drei Könige.
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