Pro und Contra: Kinder über ihre Kleidung entscheiden lassen?
Das Kind mit dem Spongebob-Shirt zur Familienfeier lassen – oder doch lieber eingreifen und was Passendes rauslegen? Zwei Autorinnen, zwei Meinungen.
Pro: Sich selbst kleiden heißt, sich zeigen
"Ja, natürlich darf unser Kind tragen, was auch immer es will!“ Aber: Liberté, Égalité, im Schlabberlook zum Geburtstag der Erbtante? Oh jemine! Am Kleiderschrank endet manchmal sogar bei allerlässigsten Eltern die antiautoritäre Erziehung. Geduldsfaden platzen am alten, angenagten Lieblings-Hoodie des Kindes, am eigentlich aussortierten Spongebob-Shirt, das es partout zur Familienfeier tragen will. Unangenehm, keine Frage, denn in den Augen der kritischen Verwandtschaft gilt auch in der Mode: Eltern haften für ihre Kinder. Und trotzdem – geht es um Kleidung, sollten auch die Jüngsten größtmögliche Pippi-Langstrumpf-Freiheit genießen.
Kleidung geht uns nahe, kann pures Vergnügen sein, aber auch Schutzschild oder ein lautes Hallo-hier-bin-ich. Sich selbst kleiden heißt sich zeigen, so wie man ist, wie die Welt uns sehen soll. Warum darf diese Freiheit also nicht schon im Kita-Alter beginnen? Immer noch teilt Mode die Welt in rosa und blau, Marke oder Noname, und setzt unerfüllbare Normen. Je früher sich ein kleiner Mensch darauf seinen ganz eigenen Reim machen darf, Geschmack wirklich frei und mit Spaß bilden kann, desto besser.
Nun gut. Ich gestehe, hier schreibt auch eine Tante, keine Mutter. Morgendliche Kampfdebatten um den Dresscode für die Schule kenne ich vor allem aus dramatischen Nacherzählungen. Mutig, wer da tiefenentspannt ein „Na dann geh doch im Pyjama!“ als Bluff in die Diskussion wirft! Und natürlich sollten Kinder in jedem Fall wetterfest verpackt das Haus verlassen. Sonst aber: Freie Wahl am Kleiderschrank. Selbst wenn dann die beste Sonntagshose Kratzer abkriegt, ist das Teil des Lernprozesses. Und was spricht auch gegen die Lieblingsgummistiefel mit Feuerwehr-Motiv? Ein Hingucker, für jeden Anlass.
Veronika Lintner
Contra: Kinder brauchen Leitplanken – auch beim Thema Mode
Das orangefarbene T-Shirt beißt sich schlimm mit der giftgrünen Hose, besser wäre das blaue – aber hey, man muss immer wissen, wann sich eine Diskussion lohnt. In diesem Fall nicht. Es geht ja da wirklich nur um Geschmack. Wenn das Kind als bunter Hingucker in die Kita oder Schule gehen möchte, bitte schön. Das Kind schaut so und so ja immer toll aus. Und wer seinen Stil irgendwann finden möchte, muss schließlich auch Irrwege durch modische Höllentäler machen dürfen. Nur so trägt man später dann vielleicht mutig das Außergewöhnliche.
Und damit zum Aber. Denn natürlich gibt es Grenzen, die es zu respektieren gibt. Und somit für Kinder etwas zu lernen, wofür Eltern nun einmal auch verantwortlich sind. Und damit ist jetzt nicht gemeint, dass man sein Kind in Klamotten zwängt, in denen es sich von den Eltern verkleidet und unwohl fühlt. Die sollten einfach schon gar nicht im Kleiderschrank hängen. Aber das schöne feine Samtkleid hat zum Beispiel auf dem Spielplatz nichts verloren – weil es danach ziemlich sicher ruiniert ist. Wenn es draußen kalt ist, muss eine warme Jacke angezogen werden – oder mindestens ein dicker Pulli und eine etwas dünnere Jacke. Und ja, zu Omis Geburtstag geht leider nicht der ausgeleierte Schlabberpulli und ausnahmsweise auch nicht das Trikot vom Lieblingsverein … Weil schau mal, die Eltern versuchen doch auch, schick auszusehen, schon der Omi zuliebe.
Kinder brauchen Leitplanken – warum sollte das nicht für die Kleidung gelten? Experimentieren muss erlaubt sein, das geht aber auch, wenn man – was nun fürchterlich oberlehrerhaft klingt – eine vernünftige Auswahl zur Verfügung stellt. Und klarmacht: Das Einhornkostüm ist fantastisch, beim Fahrradfahren aber kann sich der Schweif böse in der Kette verheddern …
Stefanie Wirsching
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