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Gesellschaft
11.03.2023

Warum Männerfreundschaften heute so wichtig sind - und so selten

Da sind sie noch gute Freude: Brendan Gleeson als Colm und Colin Farrell als Padraic in dem Oscar-nominierten Fim "The Banshees of Inisherin".
Foto: Searchlight Picture

Geschlechterbilder lösen sich auf, Bindungen aber auch. Mehr Freundschaft zwischen Männern aber wäre für alle gut. Sagt „der Männerkenner“ beim Beratungsgespräch.

Männer: ziemlich schwieriges Thema. Wie sollen die heutzutage eigentlich sein? Und wie sind sie wirklich? Nervt doch längst die meisten. Alpha? Softie? Alphasoftie? Welches Mänderl hätten’S denn gern? Freundschaft dagegen doch: einfach schönes Thema. Einen Menschen zu haben, mit dem man einfach über alles reden kann, aber auch nicht immer reden muss, unverstellt, ohne Rollen spielen oder Bildern entsprechen zu müssen. Oder gleich mehrere solcher Menschen. Männerfreundschaft also: Das Schöne kommt zum Schwierigen? So könnte es tatsächlich sein. Und dabei sogar eine Lösung bedeuten für all die Fragen der Identität und Geschlechterrollen, die sich heute verschärft den Männern stellen.

Das sagt einer, der es wissen muss, nicht von ungefähr das Label „Der Männerkenner“ trägt: Dr. Richard Schneebauer, Soziologe, der seit über 20 Jahren in der Männerberatung arbeitet. Der aber zunächst mal eine ziemlich Hammerzahl raushaut, die zeigt, dass es aktuell eben ganz anders aussieht mit dem Verhältnis zwischen dem Schönen und dem Schwierigen: Studien zufolge nämlich haben die meisten Männer keinen richtigen Freund, keinen Mann, mit dem sie offen und unverstellt darüber reden können, was in ihnen vorgeht. Genauer gesagt: Es sind 80 Prozent! Und das ist ein Problem. Eines, wir kommen vielleicht wirklich nicht drumrum, dem es sich in einem Beratungsgespräch zu stellen gilt.

Die lange Liste berühmter Männerfreundschaften

Aber doch zunächst mal ist es doch auch ein Rätsel. Denn ist nicht die ganze (Kultur-)Geschichte voll von großen Männerfreundschaften? Goethe und Schiller, Poldi und Schweini, kleiner Tiger und kleiner Bär. Stan und Ollie, Ernie und Bert, Richards und Jagger. Tristan und Tschick, Kohl und Gorbatschow, Holmes und Watson. Queequeg und Ismael, Winnetou und Old Shatterhand, Obelix und Asterix. Goofy und Mickey, Terence Hill und Bud Spencer, Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Die Blues Brothers, Max und Moritz, Marx und Engels, Pat und Patachon, Dean Martin und Jerry Lewis, Franck Ribéry und Arjen Robben, Honnecker und Breschnew, Butch Cassidy and the Sundance Kid, Dieter Bohlen und Bruce Darnell, Han Solo und Chewbacca, Schröder und Putin, The Fast and The Furious, Ziemlich beste Freude, Adenauer und DeGaulle, „Die Zwei“, Lennon und McCartney, Jaspers und Heidegger, Jack Lemmon und Walter Matthau …

Männer, Freunde, Blutsbrüder: Pierre Brice (l) als Apachen-Häuptling Winnetou und Lex Barker als sein Blutsbruder Old Shatterhand.
Foto: dpa

Aktuell zum Beispiel drehen sich auch gleich zwei der Oscar-Kandidaten um die Männerfreundschaft: Der belgische Film „Close“ erzählt ziemlich zart von deren Anfang – mit dem Problem, dass die Jungs ihrer im Titel stehenden Nähe zueinander wegen für schwul gehalten werden; und der irische Film „The Banshees of Inisherin“ erzählt wirklich wuchtig von deren Ende – mit dem Problem, aus dem der eine Mann mit dem anderen bricht, dass der nur über Belangloses rede, über „Eselscheiße“, nicht über das Wesentliche.

Es muss am Anfang stehen

Auf beide Probleme werden wir zurückkommen müssen. Das Schwierige nämlich, es muss auch hier am Anfang stehen. Aber gut, das Beratungsgespräch mit Richard Schneebauer ist ja geplant, noch ein bisschen Zeit davor, nur nichts übereilen. Das erste Problem jedenfalls taucht auch bei Tobias Rüther auf. Wenn man nämlich leicht denkt, dass diese ganzen Männerfreundschaften doch locker ein ganzen Buch füllen würden – der FAZ-Feuilletonist hat’s geschrieben: „Männerfreundschaft – eine Abenteuer“. Und erzählt darin, wie er einst mit zwei Freunden bei Ferien am Großen Klobichsee im Drei-Mann-Zelt von anderen Jungs verprügelt wurde, ganzen 15 davon, in eigenen Augen richtigen Kerlen, die den kleinen Rüther und seine Freunde als schwul beschimpften.

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Das lässt den Kultivierten natürlich fassungslos zurück. Als wäre Goethe schwul gewesen, als er schrieb: „Selig, wer sich vor der Welt / Ohne Hass verschließt, / Einen Freund am Busen hält / Und mit dem genießt, // Was, von Menschen nicht gewusst / Oder nicht bedacht, / Durch das Labyrinth der Brust / Wandelt in der Nacht.“ Oder weil er zum Tod Schillers sagte: „Ich verliere nun einen Freund und in demselben die Hälfte meines Daseins.“ Oder weil er einem anderen Freund Zeller versicherte: „Ich verstehe mich selbst erst in dir.“ Hui, klar, nicht schwul, aber doch ziemlich oll der Goethe?

Die Auflösung der Freundschaften in der modernen Gesellschaft

Von wegen. Denn gerade in Letzterem steckt etwas Zeitloses. Michael Kimmel, der wohl berühmteste amerikanische Männerforscher, sagt, dass Maskulinität homosozial sei, das heißt: Männer spiegeln das, was sie sein wollen und darstellen im Leben, in anderen Männern. So verfestigen sich Rollenmodelle im Gesellschaftlichen. Lösen sie sich womöglich auch so im Individuellen, durch Freundschaften? Doch es ist noch zu früh für das Schöne. Eine Therapie beginnt doch meist mit der Problemanalyse. Und da hat Kimmel auch noch was zu sagen. Nämlich: Moderne Gesellschaften gründen sich auf Individualismus. Einst sei man nach den ersten Prägungen durch die Familie „in Umstände geworfen gewesen“, und zwar „in der Schule, beim Militär, im Beruf“, in denen Freundschaften entstehen. „Aber all diese Instrumente sind in der Moderne brüchig geworden: Wir ziehen weg von zu Hause, wir gehen auf verschiedene Schulen, wir wechseln die Jobs. Das hat ungebundene Individuen hervorgebracht …“

Das Ergebnis, so Kimmel: „Freunde sind immer wichtiger geworden, als Instrumente, mit denen man sich durch die Isolation des modernen Lebens steuert. Freundschaft, das ist die Familie, die wir uns selber schaffen …“ Und, jetzt kommt’s, das Schwierige mit den Männern: „Parallel hat sich ein maskulines Selbstbild herausgebildet, das überhaupt nicht darauf ausgerichtet ist, die Isolation zu überwinden: nämlich der stoische, undurchdringliche, undurchschaubare Mann. Der passt aber eher zu den alten Zeiten, als die Familie dein Freund war und man nichts dafür tun musste, dass es auch so blieb. Dieser Zwiespalt zwischen den Bedingungen der Moderne und den modernen Vorstellungen von Maskulinität hat Freundschaften problematisch gemacht.

Problem der Moderne aus dem Internet

Und da wir schon bei Problemen der Moderne sind, hier noch eines, das seit langem im Internet kursiert: „Wenn du nach 1978 geboren wurdest, hat das hier nichts mit dir zu tun … Verschwinde! Wir bauten Wagen aus Seifenkisten und entdeckten während der ersten Fahrt den Hang hinunter, dass wir die Bremsen vergessen hatten. Damit kamen wir nach einigen Unfällen klar. Wir verließen morgens das Haus zum Spielen. Wir blieben den ganzen Tag weg und mussten erst zu Hause sein, wenn die Straßenlaternen angingen.

Niemand wusste, wo wir waren, und keiner von uns hatte ein Handy dabei! Wir aßen Kekse, Brot mit Butter dick, tranken sehr viel und wurden trotzdem nicht zu dick. Wir tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche und niemand wurde krank deswegen … – wir hatten nicht: Play Station, Nintendo 64, X-Box, Videospiele, 64 Fernsehkanäle, Filme auf Video, Surround-Sound, eigene Fernseher Computer, Internet-Chat-Rooms … Wir hatten Freunde!“ 

Warum reden Männer nicht über ihre Gefühle?

Hat es das alles also nur noch schwieriger gemacht? Wie soll man sich all dem allein in einem Beratungsgespräch dann stellen, wenn es doch auch ein Problem der Zeit ist, in der wir alle leben? Vielleicht vorher noch ein bisschen tiefer schürfen? Denn wie war das nun früher? Und überhaupt: Was sagen eigentlich Frauen dazu? Die Germanistin Hannelore Schlaffer bei Tobias Rüther etwa sagt mit Blick auf die große Vergangenheit der Beziehung: „Das Pathos der Männerfreundschaft kommt aus dem gemeinsamen Kampf, egal, ob es sich dabei um den Kampf für das Vaterland, für eine Firma oder eine Idee handelt. Männer tun immer etwas für etwas.“ 

Männer seien zu einem Zweck miteinander befreundet, so Schlaffer. Und weil Männer immer anfällig für Begriffe gewesen seien, habe das Ganze dann auch noch so etwas Religiöses an sich. Treue sei ein Gebot dieser Freundschaften, deswegen spiele Verrat auch so eine große Rolle, deswegen die schweren Brüche. „Eigentlich sind Männer immer Helden und ihre Freundschaft wäre dann immer heldenhaft.“ Bloß will doch heute keiner mehr Helden. Und diese Form der Kumpanei, erlebt sie im 21. Jahrhundert nicht höchstens eine Renaissance, wenn sich Kerle gerade gegen die neuen Anforderungen der Geschlechteridentitäten verbünden? 

Der Männerkenner Dr. Richard Schneebauer
Foto: Studio Weichselbaumer

Schwierig, schwierig. Oder vielleicht nur die Kehrseite davon, dass es sich die Männer lange viel zu leicht gemacht haben? Elke Heidenreich, berühmt als Autorin und Kritikerin, schrieb einst in ihrem „Kursbuch“: „Männer verklären untereinander ihre Niederlagen, so was verbindet, so was schafft Freundschaften, vor allem auch gegen diese dusseligen Weiber.“ Selbstgewisse Machos und Fettsäcke, die sich unwiderstehlich finden, unter sich und an der Macht. Immerhin gebe es inzwischen eine Entwicklung: „Ich glaube aber, Männer sind heute dank der Frauenbewegung zugänglicher für Gefühle geworden, und ich könnte mir vorstellen, dass sich das auch auf ihre Art, Freundschaften zu pflegen, ausgewirkt hat. Durch das Beispiel der Frauen sind sie sensibler geworden …“ Die bekannte Geschichte der Kultivierung des Mannes durch die Frau – die also schon damals bei Goethe gewirkt hat? Und heute, in der individualisierten Moderne aber offenbar nur noch 20 Prozent der Männer erreicht? 

Ob das alles der Männerkenner klären kann? Egal jetzt, das Grübeln bringt ja nicht weiter, lässt das Problem nur immer noch unübersichtlicher erscheinen. Kein Drumrumreden mehr. Höchste Zeit, in all das etwas Ordnung zu bringen und sich so vielleicht endlich doch auch dem Schönen der Freundschaft zu nähern. Zeit für Richard Schneebauer also, der auch mit Büchern wie „Männerherz“ und „Männerschmerz“ und „Männerabend“ bereits auf sich aufmerksam gemacht hat. Höchste Zeit für ein Beratungsgespräch. 

Männerfreundschaften sorgen auch für besseren Sex mit der Frau

Also: Woher kommt das mit den 80 Prozent der Männer, die keinen echten Freund haben? Stichwort „Eselscheiße“: Ist es wirklich die Unfähigkeit zum offenen Reden über Wesentliches, uns selbst? Schneebauer: „Wir haben’s nicht erlebt und wir haben’s nicht gelernt. Zum Glück gibt es positive Entwicklungen bei den Jungen – aber insgesamt bestimmt das alte Rollenbild noch alles sehr stark. Wir werden vom Jungenalter an immer weiter desensibilisiert. Selbst wenn die Eltern dagegen angehen, macht es die Gesellschaft oder die jeweilige Peer-Group. Man bekommt vermittelt: Mit den eigenen Gefühlen zu sehr nach außen zu gehen ist nicht so einfach für die anderen und dadurch auch nicht für einen selbst. Die Männer sagen zwar: Das stimmt doch gar nicht, wir reden doch! Aber sie reden halt viel zu sehr über das, was passiert ist, und viel zu wenig jedoch darüber, wie es ihnen dabei ergangen ist. Das fehlt uns Männern so sehr.“

Und hat Elke Heidenreich eigentlich recht, wenn sie meint, Frauen hätten Männern da auf die Sprünge geholfen? „Ehrlicherweise muss man sagen, ein Großteil der Männer kommt in das erste Beratungsgespräch, nicht weil sie sich ihre Unsicherheiten und Schwächen, ihre Unfähigkeit, darüber zu reden, schon eingestanden hätten. Sondern sie kommen in das Gespräch, weil denen ihre Frau einen mehr oder weniger freundlichen Tritt in den Arsch gegeben hat: Geh da jetzt mal hin und red! Weil sonst geh ich! Und der Mann, der dann beim zweiten Mal wieder kommt, hat kapiert, dass er das für sich selbst tut, und gesteht sich damit etwas ein. Ich sage sonst zwar zu Frauen gerne: Kümmert euch um euch selbst und lasst die Männer sie selber sein – aber in diesem Punkt ist der Arschtritt wirklich oft ein Segen, weil es den Männern hilft.“

Immer mehr Männer wollen beraten werden

Hat sich da im Lauf der Jahre etwas verändert? „Ein Aufbruch ist da. Ich bin jetzt 23 Jahre in der Männerberatung und die Männer kommen immer mehr und immer früher. Es kommen immer mehr Männer, die sagen, mein Freund war hier, der hat mir das empfohlen – das hätte es vor 20 Jahren kaum gegeben. Wenn einer kam, hätte er niemandem davon erzählt. Da tut sich also was.“ Und gibt es als Gegenbewegung eine Rückbesinnung auf alte Rollenbilder? „Ja, bei solchen Entwicklungen gibt es automatisch immer auch einen Backlash. Aber meines Erachtens ist das immer wie zwei Schritte nach vorne und einer zurück, so funktioniert menschliche und gesellschaftliche Entwicklung, im Kleinen wie im Großen. Der Widerstand ist zwar ernst zu nehmen, aber kann den generellen Fortschritt nicht aufhalten.“

Fortschritt weg wovon genau? „Wir Männer sind gut im Aushalten – und das ist eine gute Qualität auf der Baustelle. Und dafür wurden wir Männer ja auch Jahrhunderte gebraucht bzw. ausgenutzt so wie die Frauen halt für andere Dinge ausgenutzt bzw. gebraucht wurden. Aber Aushalten ist eine schlechte Qualität im Leben und vor allem im Beziehungsleben. Das erzeugt einen schwierigen Zwiespalt: Im Arbeitsleben soll man aushalten und keinen Gesprächskreis für irgendein Problem brauchen – und im Privaten soll man plötzlich reden können.“

Führt das zu einer Männlichkeit, die als toxisch bezeichnet wird? „Ich bin mit dem Begriff sehr vorsichtig, weil er gut und richtig ist für den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs, aber bei den Männern, bei denen gerade wichtig wäre, dass sie das reflektieren, halt ganz falsch verstanden wird. Die beziehen das nämlich gleich auf die ganze Person, das sorgt darum eher für eine Abwehrreaktion. Mir geht es ja aber darum, die Männern zu erreichen und ihnen zeigen, was sie durch ein Öffnen alles zu gewinnen haben.“

Vom Burnout der alten und der Konjunktur neuer Männertypen wie Harry Styles

Und zwar? „Eine große Entspannung. Viel mehr Selbstsicherheit. Und viel mehr Selbstannahme: Ich bin okay so, wie ich bin. Weil jeder Mann erst mal glaubt, gewisse Sorgen und Unsicherheiten habe nur er – und wenn er das Gegenteil erfährt, und zwar nicht nur aus der Zeitung, sondern auch erlebt: Das entlastet ungemein in Bezug auf die eigene Identität. Und das wirkt sich dann auf alle anderen Bereiche aus. Als Liebhaber, als Vater, als Sohn. Das ist auch das Besondere an meiner Arbeit: Ich habe jetzt an die 10.000 Gespräche mit Männern geführt – und wenn ich mal diese Gefühle wie Traurigkeit, Angst und Unsicherheit erlebe, dann ist das natürlich weiter unangenehm. Aber es kratzt nicht mehr an meiner Männlichkeit. Weil ich von so vielen Männern, und darunter sind auch sehr erfolgreiche, mitgekriegt habe, dass die das ja auch alle haben.“ 

Haben sich denn auch die medialen Rollenbilder schon verändert? „Ein bisschen was hat sich auch da getan, auch Frauen sind jetzt öfter Helden und Männer müssen es nicht immer sein. Aber im Großen kann sich das innerhalb von ein paar Jahrzehnten gar nicht ändern. Was ich eher beobachte in den letzten Jahren, ist, dass sich öfter über Männer lustig gemacht wird. Der Typ Bruce Willis wurde gekippt in den Tollpatsch. Nun schadet es den Männern nicht, über sich und das Scheitern alter Rollenerwartungen zu lachen.

Nicht alles funktioniert wie früher

Aber wichtiger ist, gerade in Zeiten einer umfassenden Verunsicherung, die das Wiedererstarken alter Rollenbilder hervorbringen kann: die Erkenntnis, dass nicht mehr funktioniert wie früher, dass der große Macher eben nicht alles wieder unter Kontrolle bringen kann. Das wird heute ohnehin viel schneller aufgedeckt. Auf lange Sicht kommt eh keiner mehr durch damit, nur der coole Hund zu sein. Aber aktuell trägt auch der Krieg nun nicht dazu bei, dass etwa das alte Kämpferbild in größerem Umfang wieder auflebt – zumindest in Europa. Das ist auch ein Teil der Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg.“ 

Gute Freunde: Die Figuren Ernie und Bert aus der Sesamstraße.
Foto: dpa

Brauchen wir also neue Rollenbilder für den Mann der Zukunft? Stars wie Harry Styles oder Timothée Chalamet werden heute ja allzu gerne als Modelle dafür gehandelt … Schneebauer: „Ich möchte nicht, dass da irgendein neuer Typ kreiert wird. Wenn es darum geht, wer sind die neuen Rollenvorbilder, wäre mir die Antwort am liebsten: Wir können das alle sein! Jeder für den anderen, wenn er sich denn nur offener zeigen würde. Ansonsten laufen wir halt irgendeiner anderen Rollenfigur nach – aber die wird ohnehin nie wieder so durchschlagend sein, weil das Bild des Mannes ausdifferenziert bleiben wird. Es ist nicht mehr so und es wird auch nicht mehr, dass es ein, zwei Typen gibt, an denen es sich zu orientieren gilt, um als richtiger Mann zu gelten – zum Glück!“ 

Erkenntnisse aus der Männerberatung

Und das vermeintlich so typische Konkurrenzdenken löst sich da einfach auf? „Das bleibt dabei ein Riesenthema unter Männern, dieses Gockeln um Aufmerksamkeit, das ist vielleicht sogar biologisch und nur sehr schwer umzulernen. Aber bis zu einem gewissen Grad kann ja auch das okay sein. Das ganz zum Tabu zu machen, funktioniert jedenfalls auch nicht. Wobei das Spannende in Männergruppen ist, dass am Anfang die gegenseitigen Bewertungen sehr stark sind, jeder schaut: Bin ich erfolgreicher? Bin ich psychisch mehr oder weniger angeknackst? Und nach einigen Abenden ist das plötzlich egal, weil man merkt, man profitiert von jedem in diesem Raum. Wenn es um Bewerten und Vergleich gar nicht mehr geht, ist das ein wertvolles Erlebnis, weil man merkt: Ob erfolgreich oder nicht – jeder hat seine Probleme, seine Stärken und Schwächen … Und wenn ich den anderen so sein lassen kann, fällt es auch mit sich selbst viel leichter, sich grundsätzlich selbst anzunehmen und dank dieser Souveränität auch besser mit seinen Gefühlen umgehen zu können, sich leichter damit öffnen zu können.“ 

Wie kann das im Beruf helfen, wo oft ja nicht nur der Druck steigt, sondern auch Rollenbilder infrage stehen? „Wenn ich sage, es wird mir zu viel im Beruf, liegt das meist nicht nur dort. Burnout ist selten nur Beruf. Das hat immer auch etwas mit einem nicht funktionierenden oder fehlenden Beziehungsleben zu tun. Denn wir sind nun mal menschliche Wesen, wir können nicht nur funktionieren.

Anforderungen steigen in der heutigen Zeit

Natürlich ist es schwierig, sich das einzugestehen – und in bestimmten Positionen noch viel schwieriger: Wenn man meint, als Führungskraft Unsicherheiten und Ängste vor den anderen verbergen zu müssen und in der Folge selbst oft nicht mehr weiß, dass man die anderen Seiten aber auch hat, bis sie sich eben doch und dann nicht selten massiv melden. Früher hat damit vielleicht noch ein Männerleben überstanden, sich das alles wegzuarbeiten, wegzutrinken, wegzusexen – heute, wo die Anforderungen zu immer mehr, immer schneller steigen, nicht mehr. Insofern sind die Zeiten auch aufdeckender geworden: Was nicht funktioniert, kann ich nicht mehr über Jahrzehnte hinweg durchtragen und ertragen.“ 

Und hat er vorhin nicht gesagt, durch Männerfreundschaften würden Männer auch zu besseren Liebhabern? „Ja, das führt auch zu besserem Sex, weil der Mann sich leichter entspannen kann. Weil er sich weniger beweisen muss, ein richtiger Mann zu sein. In dem Bereich reden sich die Männer ja meist ganz schwer, viel schwerer noch als die Frauen. Aber gegen die Unsicherheit, dass nur bei ihm etwas mal nicht funktioniert, hilft einfach am besten zu wissen, dass das eben auch den anderen passiert. Man versteht doch sehr schnell, was das für die Beziehung bringt, wenn der Mann lernt: Ich muss mir meine Männlichkeit nicht beim Abarbeiten an der Frau beweisen. Und wenn er dann auch noch merkt, dass er durch die Abkehr von der Erwartung und die Offenheit auch den besseren Sex hat …“ 

Weniger abhängige Männer lieben ihre Frauen leichter“

Was verändert das überhaupt im Verhältnis zu den Frauen? „Viele Männer sind in Gefühlsbelangen eher abhängig von der Frau, die Zuspruch gibt. Aber Frauen können das ja auch nicht immer, die mögen sich ja manchmal auch selber nicht und haben auch ihre Themen. Haben Männer einen Freund, mit dem sie offen reden können, dann brauchen sie die Frauen weniger – und dadurch können sie die leichter lieben. Denn es gibt oft eine große Abhängigkeit von Männern zu ihren Partnerinnen.“ 

Und das kann eine Frau als Freundin des Mannes nicht bewirken? „Es ist natürlich kein Problem, wenn zu den besten Freunden eines Mannes auch Frauen zählen – aber ein Problem sehe ich durchaus darin, wenn es diese Frauen gibt, aber keinen Mann dazu. Dann fehlt etwas. Weil man zwar offen über seine Gefühle spricht, aber es etwas anderes für das eigene Selbstverständnis als Mann und für den Umgang mit den eigenen Unsicherheiten ist, sich auch offen vor einem anderen Mann zu zeigen. Das bringt eine besondere und eine meines Erachtens notwendige Entspanntheit im Verhältnis zur eigenen Männlichkeit. Wer als Mann keinen Mann zum Freund hat, dem fehlt eine Selbstsicherheit in Bezug auf die eigene Identität. Und das ist ein Riesenthema, sonst hätten wir diese ganzen Debatten nicht über das Mannsein und das Frausein und das dazwischen – gerade in diesen Zeiten, wo niemand mehr sicher ist: So muss du sein, dann hast du’s. Die Selbstfindung bleibt wohl immer ein Prozess – aber wenn man viele Jahre die Erfahrung des offenen Umgangs damit hat, gewinnt man darin eine große Entspanntheit, dann merkt man, dass sich die Beschäftigung bei allen neuen Herausforderungen, die ja immer kommen, für die Lebensqualität nachhaltig auszahlt.“

Alle Menschen wollen geliebt werden

Gibt es denn einen signifikanten Unterschied zwischen Männer- und Frauenfreundschaften? „Insgesamt sind wir alle Menschen und wollen geliebt werden, wie wir sind – insofern glaube ich nicht, dass es Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfreundschaften gibt. Aus der Tradition der Rollenbilder und der Gefühlsoffenheit heraus sind die unter Frauen häufiger – viel häufiger haben Frauen aber mehrere echte Freundinnen. Ich würde auch Männern wünschen, dass sie sich ein bisschen breiter aufstellen, dass es nicht nur der eine beste Freund ist. Denn wenn ich mich breiter aufstelle, lässt mich das stabiler dastehen und ist nicht abhängig von einer Person.“ Und im Vollzug der Freundschaft? „Ich finde auch wunderschön, wenn Männer nebeneinander einfach schweigen. Im richtigen Moment betroffen einfach zu schweigen, das kann dieselbe Intensität haben wie das offene Gespräch, wenn es ein offenes Schweigen ist. Nach dem Motto: Echt, du hast das auch? Und dann wird geschwiegen – das ist voll okay.“

Gut, danke Herr Schneebauer. Und besser auch jetzt Beratungsgespräch Ende. War vielleicht auch ganz schön viel für solches erstes Mal. Jetzt erst mal Fußball und ein Bier. Oder zwei. Damit steht man vielleicht auch erst mal stabiler. Und dann mal schauen, ob wir wiederkommen. 

Zur Person: Dr. Richard Schneebauer (*1972) ist als „Der Männerkenner“ (www. dermaennerkenner.com) bekannt, er arbeitet in Oberösterreich in der Männerberatung, hat die Bücher „Männerherz“, „Männerabend“ und „Männerschmerz“ im Goldegg-Verlag veröffentlicht und hält öffentlich Vorträge, z.B. am 25.3. im Bildungshaus St. Claret in Weißenhorn. Anmeldung unter Tel. 0821/3166-2131 oder per Mail: maennerseelsorge@bistum-augsburg.de

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