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Interview
20.05.2023

Donna Leon: "In Venedig habe ich mich kein einziges Mal bedroht gefühlt"

"Venedig bleibt für mich die schönste Stadt auf der Welt": Schriftstellerin Donna Leon.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa

Mit „Wie die Saat, so die Ernte“ veröffentlicht Donna Leon ihren 32. Krimi über Kommissar Brunetti. Im Interview spricht die 80-Jährige über Gewalterfahrungen.

Ihr Kommissar Brunetti beschäftigt sich seit rund 30 Jahren mit Mord und Totschlag ...

Donna Leon: ... und Leid und Folter. Das ist eben die Natur meiner Geschichten. Da muss immer jemand sterben.

Aber haben Sie selbst Angst vor Gewalt?

Leon: Ich bin kein furchtloser Mensch, aber ich weiß eben die äußeren Umstände einzuschätzen. In Venedig gibt es praktisch keine Überfälle. In den 30 Jahren, wo ich dort gewohnt habe, habe ich mich auch kein einziges Mal bedroht gefühlt. Wenn ich nachts um zwei eine enge, finstere Gasse entlang gelaufen bin, dann kam ich nicht im in Entferntesten auf die Idee, dass mir etwas passieren könnte. In den ganzen Jahren habe ich von zwei Fällen gehört, wo jemand ausgeraubt wurde. Seit 2007 lebe ich in der Schweiz. Und die Anzahl von Überfällen in Zürich ist höchst überschaubar. 

Sie gerieten in Ihrem Leben allerdings auch in hochdramatische Situationen – insbesondere 1979, als sie aus den Wirren der Revolution aus dem Iran flohen. Wie gefährlich war das?

Leon: Es gab eine Situation, in der ein paar junge Iraner unseren Bus enterten und uns ihre Kalaschnikows ins Gesicht hielten. Aber davon ließ ich mich nicht aus der Fassung bringen. Denn sie machten nur ihren Job, und sie verabschiedeten sich ganz respektvoll. Wenn du jemand in Stücke schießen willst, dann gebrauchst du keine Höflichkeitsformeln und sagst freundlich „Gute Nacht“.

Sie klingen auch sehr freundlich und entspannt, wenn Sie davon erzählen. Wie kommt das?

Leon: Das ist meine grundsätzliche Einstellung, die ich auch damals schon hatte. Ich erinnere mich noch, als ich verschwitzt und verdreckt in einem Hotel in Teheran ankam, wo ein Freund von mir übernachtete. Da man die Fenster mit Maschinengewehren beschoss, schlief er immer in der Badewanne. Angeblich war man darin geschützter. Ich kommentierte das mit dem berühmten Janis Joplin-Zitat „Live fast, die young and leave a beautiful corpse“. Und mein Freund meinte: „Zwei von diesen drei Dingen schaffen wir hoffentlich.“ Wir waren in einem Geisteszustand, wo Humor am besten geholfen hat. Hinzu kam eben, dass sich die Iraner auch immer respektvoll verhielten. Die einzigen Leute, die sich daneben nahmen, waren die Vertreter des amerikanischen Konsulats in Isfahan, wo ich arbeitete. Was nicht sonderlich überraschend war.

Wie genau verhielten sich Ihre Landsleute? 

Leon: Niemand im Konsulat ging ans Telefon. Und wenn man dorthin gefahren ist und an der Tür geklingelt hat, machte keine Menschenseele auf. Ich unterrichtete damals an einer amerikanischen Schule, aber unsere Regierung hat so getan, als würde es uns nicht geben. Wir wären da niemals weggekommen, wenn nicht unser Auftraggeber für die Flugzeuge bezahlt hätte, die uns aus dem Iran brachten. Offenbar hat die US-Regierung gar nicht mal verstanden, dass da eine ernsthafte Revolution im Gang war. Wie auch? Nach meinen Informationen haben die Konsulatsangestellten nicht mal die Landessprache Farsi gesprochen. Alles musste auf Englisch abgewickelt werden.

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Und was haben Sie in all den Jahren über Italien verstanden?

Leon: Dass die Menschen dort kein Vertrauen in die Autoritäten haben. Sie nehmen grundsätzlich an, dass ihnen die offiziellen Stellen immer nur die Unwahrheit erzählen. Das habe ich zum Beispiel gelernt, als ich mich mit dem Flugzeugunglück von Ustica beschäftigte, bei dem 1980 alle Insassen ums Leben kamen. Keiner kannte den Grund. Es gab die Theorie, dass es von einer Rakete abgeschossen wurde. Die italienische Regierung behauptete, man könne das Flugzeug nicht heben, dann war das doch möglich. Aber letztlich fand sich keine definitive Erklärung. Keiner hat irgendetwas geglaubt. Und das ist die grundsätzliche Haltung der Leute.

Aber Sie sind dem Land schon noch verbunden? 

Leon: Natürlich. Ich bin immer wieder vor Ort. Venedig ist und bleibt für mich die schönste Stadt auf der Welt. Nur dass diese Schönheit immer mehr verloren geht, weil ein hässliches Geschäft nach dem anderen eröffnet und sich die Touristen nicht zu benehmen wissen. Zum Glück gibt es noch Stadtteile wie Guidecca oder Castello, die noch nicht so überlaufen sind. Außerdem besuche ich regelmäßig Neapel. Ich brauche die Unberechenbarkeit und das Chaos dieser Stadt – auch als Gegenpol zu dem Schweizer Landidyll, in dem ich lebe.

Was ist Ihr persönliches Verhältnis zum Thema ‚Wahrheit‘, das Sie gerade angesprochen haben?

Leon: Es gibt eine wundervolle Szene in Charles Dickens‘ „Bleak House“. Einer der Protagonisten ist ein achtjähriger Straßenfeger. Der soll bei einer Gerichtsverhandlung als Zeuge aussagen. Der Richter fordert ihn auf: „Sag mir, was du weißt.” Und der kleine Junge schaut schüchtern auf und meint: „Besen sind zum Fegen da und du sollst nie lügen.“ Das habe ich gelernt. Oder um es etwas weniger kompliziert auszudrücken: „Mache das, was du tun sollst, und sag die Wahrheit.“ Damit kommst du gut durchs Leben.

Gibt es für Sie Autoritäten oder Personen, denen Sie vertrauen, dass sie die Wahrheit erzählen?

Leon: Nein. Denn die Menschen passen die Wahrheit ihren persönlichen Bedürfnissen an. Sie legen Make-up darauf. Manchmal sterben Menschen für etwas, was sie für die Wahrheit halten. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie recht haben. Ansonsten wäre das ein wunderbarer Lackmustest, was wahr und falsch ist. Sie kennen doch selbst die Situation, dass sie mit ein paar Menschen einen Abend verbringen, und am Schluss erinnert sich jeder anders dran. Immerhin habe ich in den Brunetti-Romanen eine Autorität. Wenn er meint „Meine Mutter hätte das gesagt“, dann kann der Leser davon ausgehen, dass das stimmt. 

Brunetti greift zudem auf seine Erinnerungen als Instanz zurück, die im neuen Roman auch eine wichtige Rolle spielen. Hätten Sie selbst gerne ein perfektes Gedächtnis?

Leon: Nein, denn dann wäre in meinem Kopf so viel los, als würde ich die ganze Zeit im Kino verbringen. Ich hätte gewissermaßen die gesamten Warner Brothers in mir. Warum soll ich mich erinnern, dass ich mit sechs von einem tollwütigen Hund gebissen wurde? Das wäre viel zu anstrengend. Wir sollen nicht unser Leben in der Vergangenheit verbringen, sondern im Hier und Jetzt. Wir können höchstens gelegentlich mal über die früheren Zeiten nachdenken. 

Und was empfinden Sie, wenn Sie über die Situation der jungen Generation von heute nachdenken?

Leon: Ich bedauere, dass sie nicht mehr die gleichen Freiheiten haben, wie ich sie genossen habe. In meinen 20ern hatte ich die Chance, einfach um die Welt zu ziehen und mich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Ich wusste, dass ich irgendwie immer arbeiten konnte. Junge Leute heutzutage leben viel prekärer und sind einem wesentlich stärkeren finanziellen Druck ausgesetzt. Sie haben keine Basis und Sicherheit mehr, was ich wirklich furchtbar finde. 

Sie sind also pessimistisch?

Leon: Das auch wieder nicht. Irgendwie schaffen die das schon. Sie finden Mittel und Wege, um sich da durchzukämpfen. Ich bin optimistisch, weil ich an den menschlichen Einfallsreichtum glaube.

Denken Sie andererseits an die Zeit, die Ihnen noch geblieben ist?

Leon: Nein. Wir können uns den Tod nicht aussuchen und ihn nicht vermeiden. Darüber nachzugrübeln ist Zeitverschwendung. Es wird so oder so passieren.

Aber gibt Ihnen das nicht den Wunsch, Ihre Zeit noch sorgfältiger zu planen, um sie möglichst optimal zu nutzen?

Leon: Nein, denn eines der größten Geschenke unseres menschlichen Lebens ist die Fähigkeit, Zeit zu vergeuden. Und eines der größten Probleme ist, dass wir überhaupt auf den Gedanken kommen, dass sie verschwendet sein könnte. Wir müssen nicht zwangsläufig immer geschäftig und produktiv sein. Es ist nicht geistig gesund, jede Minute ausnutzen zu wollen.

Aber Sie wirkten ziemlich geschäftig. Immerhin absolvieren Sie gerade einen Interview-Marathon.

Leon: Das bin ich auch. Aber ich liebe es auch zu schlafen. Und ich schlafe sehr gut. Wobei ich langsam in die Gänge komme. Ich bin wie ein Bär. Erst im Frühjahr fange ich so richtig an, mich zu bewegen.

Ist es vorstellbar, dass Sie noch mehr Zeit haben, indem Sie sich von Commissario Brunetti verabschieden?

Leon: Natürlich. Wenn es mir keine Freude mehr macht, diese Bücher zu schreiben.

Sie brauchen das Schreiben auch nicht für Ihre emotionale Balance?

Leon: Nein, denn dann hätte ich endlich mehr Zeit fürs Lesen. 

Was für ein Buch würden Sie denn jetzt gerne lesen?

Leon: „Orley Farm” von Anthony Trollope. Ich kenne die meisten seiner Bücher, aber dieser Roman geht mir noch ab. Und ich möchte jetzt zum zweiten Mal die Memoiren des Marquis de Custine über seine Erlebnisse im Russland des 19. Jahrhunderts lesen.

Sie sind doch auch großer Händel-Fan?

Leon: Das ist richtig. Deshalb war ich auch unlängst in Hamburg, um mir eine Aufführung seines wenig gespielten „Tolomeo“ anzusehen. Demnächst folgt ein Tenorkonzert in der Londoner Wigmore Hall. 

Haben Sie eine Erklärung für Ihre große Liebe zu Händel.

Leon: Nein, keine Ahnung. Das ist ungefähr so, wenn Sie jemand fragen, warum er eine bestimmte Pastasauce am liebsten mag. Für mich ist das Musik von überwältigender Schönheit. Und wenn ich die anderen Leuten vorspiele, die sie nicht kennen, verfehlt sie ihre Wirkung nicht.

Zur Person: Zur Person: Donna Leon stammt aus New Jersey, USA. Die Schriftstellerin arbeitete als Reiseleiterin, Werbetexterin und Lehrerin. Ihre Doktorarbeit über Jane Austen konnte sie nicht abschließen, da 1979 während der Flucht vor der islamischen Revolution im Iran ihr Entwurf und sämtliche ihrer Notizen verloren gingen. Ein Glücksfall, wie sie im Nachhinein sagt: „Sonst wäre ich Akademikerin geworden“. Erst mit etwa 50 Jahren begann sie mit dem Schreiben. Ihre in Venedig angesiedelten Kriminalromane um Commissario Brunetti sind seitdem internationale Bestseller, eine Übersetzung ins Italienische lehnt sie kategorisch ab. Bei Diogenes erscheint nun mit „Wie die Saat, so die Ernte“ der 32. Fall (24. Mai). Donna Leon, mittlerweile 80, die lange Jahre ihren Wohnsitz in Venedig hatte, lebt seit 2007 in der Schweiz.

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