Frage der Woche: Sich trotz Stauwarnung auf den Weg machen?
Die Ferien beginnen, das Wochenende ist lang und der ADAC warnt vor Stau. Was nun? Losfahren, warten im Zweifelsfall die Pläne ändern?
Pro: Einfach mal losfahren
Der Stau hat den miesesten Ruf. Alle wollen ihn meiden – mit den unterschiedlichsten Strategien. Fahren also zu Ferienbeginn früher los, weil sie hoffen, dass mit ihnen nicht allzu viel andere auf die Idee kommen oder halt einfach noch zu müde sind, stehen dann am Irschenberg ungläubig in der Kolonne. Fahren sehr viel später los, gefühlt auch schlau, stehen dann am Irschenberg ungläubig in der Kolonne. Oder aber sie lassen sich leiten, vom Navigationssystem nämlich, fahren schon vor dem Irschenberg ab von der Autobahn und stehen dann auf der Landstraße ungläubig in der Kolonne.
Was man als Autofahrer natürlich auch machen kann: Gar nicht erst losfahren, stattdessen Radio hören und sich bei den Verkehrsmeldungen freuen. Ha, zwanzig Kilometer am Irschenberg, nicht mit uns, lieber Stau. Wobei man dabei natürlich dann zu Hause auf dem Sofa sitzt, wo man ja definitiv eigentlich gerade nicht sitzen will. Ist das also wirklich eine Alternative? Will man sich vom Stau diktieren lassen, wann man losfährt, wo man hinfährt? Fühlt man sich da nicht wie ein armes Würstchen?
Zumal es ja auch so ist: Der Stau ist mächtig, er kann sich jederzeit, überall und unerwartet bilden! Unerwartet kann er sich dann auch wieder auflösen. Weshalb man nach zwanzigminütiger Umfahrungstour über Klein- und Kleinststraßen zurück auf der Autobahn ja auch gerne mal einen Déja-Vu-Effekt hat: Diesen orangefarbenen Bulli mit der Lichterkette im Rückfenster, hat man den nicht vor einer Stunde schon einmal überholt? Insofern: Einfach losfahren, frohgemut der Sonne entgegen, oder den Bergen oder was auch immer – im Zweifelsfall halt auch dem Stau. Irschenberg, acht Kilometer, wir kommen.
(Stefanie Wirsching)
Contra: Wer abwartet, zeigt Gelassenheit
Ans Steuer und rauf auf die Autobahn – obwohl für die Strecke Stau gemeldet ist? Das ist eine Partie „Mensch ärgere dich nicht“ auf Rädern. Vielleicht genießen manche Hitzköpfe, wenn sich die Wut im Blut wie der Verkehr auf dem Highway anstaut. Gemüter, die sonst auch jeden Samstag für drei Duftkerzen zu Ikea fahren, um sich zum Zeitvertreib über den Volksauflauf zwischen „Billy“ und „Applarö“ aufzuregen. Oder Bürger, die es sich in der Pandemie zum Hobby machten, im Supermarkt zur Stoßzeit um Klopapier zu raufen – um die Hakle-Reserven zu Hause Wandhoch aufzustocken. Also ein fragwürdiger Massensport. Und oft genug ein vermeidbarer.
Wir können heute doch in Echtzeit verfolgen, wo und wie lange sich ein Stau schlängelt. Sitzt man noch zu Hause auf dem Sofa, warnt schon vorab die Stau-Warn-App im Smartphone. Und wagt man sich trotzdem auf die Straße, schlägt Frau Navi im Notfall die alternative Route vor. Klar, eben das macht Mut, sich dennoch auf den Weg zu machen. Und natürlich, wer auf dem Land lebt, muss sich manchmal in die Blechkolonne auf der nahen Autobahn werfen, um – irgendwann – die nächstgrößere Zivilisation zu erreichen. Alle Wege führen nach Rom? Dreiste Lüge.
Doch wer lieber abwartet, zeigt Gelassenheit, der Puls sinkt unter 180, die innere Tachonadel beruhigt sich. Und wer umfährt (Betonung auf der zweiten Silbe!), sieht mehr von der Welt – während im Stau die Wirtschaft lahm liegt und dabei trotzdem Abgase auspafft. Satte 733.000 Kilometer Stau auf Deutschlands Autobahnen zählte der ADAC im Jahr 2022. Eine Strecke von der Erde zum Mond und zurück – und kein Autofahrer kam da dem Mann im Mond einen Zentimeter näher. (Veronika Lintner)
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