Kannibale, Gentleman
Anthony Hopkins schrieb Filmgeschichte
Mit grauem Rauschebart und einem Zöpfchen im Haar verwandelte sich Anthony Hopkins zuletzt in den einäugigen Göttervater Odin. Wie ein lässiger Alt-Hippie kam der britische Star in der nordischen Götter-Saga „Thor: Tag der Entscheidung“ daher. Nur wenige Monate zuvor ließ es die Schauspielerlegende in Michael Bays Roboterspektakel „Transformers: The Last Knight“ krachen. An der Seite von Mark Wahlberg und Angst einflößenden Kampfmaschinen behielt Sir Anthony Hopkins als distinguierter englischer Land-Adliger die Ruhe.
Hopkins, der an Silvester 80 Jahre alt wird, ist ein genialer Verwandlungskünstler. In dem Bibel-Epos „Noah“ ergraute er zu Methusalem, in „Hitchcock“ nahm er die Gestalt seines legendären Landsmannes Alfred Hitchcock an. Die Ähnlichkeit mit Halbglatze, Doppelkinn und Extra-Pfunden, so wie Hitchcock um 1960 aussah, als sein Horror-Schocker „Psycho“ den Kinogängern Gänsehaut einjagte, war verblüffend. Mit Gruselstoffen kennt sich Hopkins bestens aus. Als psychopathischer Hannibal Lecter in „Das Schweigen der Lämmer“ holte er 1992 den Oscar als bester Hauptdarsteller. Gerade einmal 16 Minuten ist er in dem Psychothriller auf der Leinwand zu sehen, doch das reichte. Das Duell zwischen dem mörderischen Kannibalen und der standfesten FBI-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) schrieb Filmgeschichte.
Er wird als Schauspiellegende verehrt, doch seinen großen Erfolg spielt Hopkins bescheiden als „Glück im Leben“ herunter. Er habe keinen derartigen Ehrgeiz gehabt, sagte Hopkins im vorigen Juni dem US-Magazin Men’s Health. „Manchmal kommt man an eine Tür, hat Glück, und sie öffnet sich.“ Man könne nur wenige Dinge steuern, betont der Star. „Ich denke, man soll im Leben sein Bestes geben, freundlich, großzügig und hilfsbereit sein und dabei ein bisschen Spaß haben.“
Für den Sohn einer Bäckerfamilie in Wales war es ein schwieriger Weg in die Topriege der Schauspieler. Hopkins, der sich mit minimaler Mimik eine so starke Leinwandpräsenz verschafft, war lange von Furcht und Unsicherheit geplagt. In der Schule galt er mit seiner Vorliebe fürs Malen und Klavierspielen eher als Eigenbrötler. Nach dem Militärdienst schaffte er 1961 die Aufnahme an die renommierte Royal Academie of Dramatic Arts in London. Am Theater konnte er sich den Ruf eines vielseitigen Charakterdarstellers erwerben – allein als „King Lear“ stand er zahllose Male auf der Bühne.
Doch Anthony Hopkins galt auch als schwierig und unberechenbar, häufig legte er sich mit seinen Regisseuren an. Zerbrochene Ehen, Flucht in den Alkohol – in Interviews spricht er offen über zurückliegende Dramen in seinem Leben. Seit 2003 ist er in dritter Ehe mit der gebürtigen kolumbianischen Schauspielerin Stella Arroyave verheiratet. Barbara Munker, dpa
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