Körperarbeit auf Leinwand
Das Lenbachhaus in München zeigt Maria Lassnig und Martin Kippenberger als ungewöhnliches Paar der Malerei
Die Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Malerei, der Kampf mit dem Dasein und der Vergänglichkeit, das Suchen nach Ausdruck und Wahrhaftigkeit – alles das hat in der Kunst von Maria Lassnig und Martin Kippenberger einen herausragenden Schauplatz: den eigenen Körper nämlich. Ihn erforschten und befragten beide immer wieder in ihren Bildern; er steht im Zentrum ihrer Selbsterkundungen. Das Lenbachhaus in München führt das Werk der beiden, die sich zu Lebzeiten vermutlich nie begegneten, in einer außergewöhnlichen Ausstellung zusammen. Es ist eine Begegnung, in deren Zentrum die Malerei steht – und die Frage, was sie zur Erkenntnis des Menschseins beitragen kann.
Maria Lassnig, die große Einzelgängerin der österreichischen Malerei, beschäftigte sich obsessiv und schonungslos wahrhaftig mit dem Sujet des eigenen Körpers. Sie erforschte Verfall und Schmerz, Weiblichkeit und Körperbewusstsein. Eine immer neu vitalisierte Selbstbeschau, wie sie in dieser Konsequenz einmalig sein dürfte.
Das Drama der an den hinfälligen Körper gebundenen Existenz (der einzigen allerdings auch, die wir haben) ist Lassnigs Thema, lebenslang. Der Tod ist gegenwärtig, nicht nur im Selbstbildnis als alte Frau, die nichts Tröstliches, Schmückendes bei sich hat, nur eine Sanduhr hält. Und immer scheint da auch ein Staunen über die eigene Lebendigkeit, über dieses Wesenhafte.
Und da ist Martin Kippenberger, der Saboteur des Erhabenen und radikale Humorist, der immer wieder Maß nahm an der eigenen Figur, die er melancholisch und bitter, aber auch in groteskem Unernst betrachtete. Ein unberechenbarer Star des Kunstbetriebs, ein Dandy, der mit Ironie und Sarkasmus rebellierte und reüssierte. Jede Schönfärberei und Weichzeichnerei war ihm fremd. Das ist eine jener Gemeinsamkeiten mit Lassnig, die in der Ausstellung augenfällig werden. Nacktheit als rohe Wahrheit an der Grenze zur Groteske. Kunst sollte offenlegen, nicht zukleistern. Kippenberger ist ein Provokateur, ein Spieler, ein begnadeter Hallodri. Doch die Werkauswahl im Lenbachhaus zeigt auch die starken Molltöne seines Werkes.
Die Schau „Body Check“ wagt die Begegnung zweier denkbar unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten, die verschiedenen Generationen angehörten. Maria Lassnig (1919–2014) ging einen konsequent eigenen Weg – die stille Malerin wurde vergleichsweise spät entdeckt. Kippenberger (1953–1997) hingegen erschien wie ein Springteufel auf der Kunstbühne – laut, ideenreich, solo und in Gruppen aktiv, sich verausgabend mit einer selbstzerstörerischen Lebensenergie.
Rund hundert Arbeiten sind im Kunstbau des Lenbachhauses zu sehen. Maria Lassnig seziert in ihren Gemälden den eigenen Körper. Aufgerissene Münder, herausgerissene Augen, gekrümmte Haltungen, Deformationen. Es sind expressive Ansichten, die nichts aussparen vom irdischen Leid. Aber es gibt auch einen milden selbstironischen Zug in dieser Malerei. Etwa wenn sich Maria Lassnig mit einem Glas Rotwein im Haifischbecken der Kunst treibend malt.
Diese Künstlerin sucht; sie arbeitet sich ab, befragt immer neu, arrangiert und sieht sich selbst immer anders und ist dabei Subjekt und Objekt gleichermaßen. „Wenn man aufs Körpergefühl achtet, dann muss man sich von Erinnerungen, von der Außenwelt abtrennen, total“, so Lassnig. Mit ihrer figurativen, von Gelb- und Grüntönen dominierten Malerei bewegt sich die Österreicherin autonom in einem Reich der Selbsterforschung. Wir Betrachter wissen: Sie malt sich, ihr Körperbewusstsein – aber wir sehen auch uns und unsere Welterfahrung.
Anders der extrovertierte Martin Kippenberger, der sich als nackter Hundertmeterläufer unbeholfen am Start malt – oder in einem Selbstporträt-Zyklus nach dem berühmten Gemälde „Das Floß der Medusa“ von Theodore Gericault in Posen des Überlebenskampfes. Diese beeindruckenden Bilder sind nach Fotos entstanden, auf denen Kippenberger die Gesten der Schiffbrüchigen nachgestellt hatte.
Kippenberger und Lassnig führen uns vor Augen, was wir wissen, aber selten so klar gezeigt bekommen: Wir werden nicht davonkommen, sollten den Weg aber so intensiv und aufmerksam wie möglich zu Ende gehen.
bis 15. September. Geöffnet Dienstag 10–20 Uhr, Mittwoch bis Sonntag 10–18 Uhr. Der Katalog zur Ausstellung kostet 30 ¤.
Die Diskussion ist geschlossen.