Vor allem kleinen Bühnen setzt die Grenze von 25 Prozent Auslastung zu. Und wieder gibt es ein Ungleichgewicht zu anderen Branchen.
Tagesaktueller Test, strenge Nachweiskontrolle, Maske am Sitzplatz, wenn man ins Kino, ins Konzert, ins Theater will: Die Gespenster, die der Kultur nach dem Lockdown vom letzten Winter das Leben schwermachten, sind zurück. Schmerzlich kurz war der Sommer unseres Live-Vergnügens, konnten Künstlerinnen und Künstler, Veranstalter und Publikum sich freuen über einen herbstlichen Saisonstart fast wie zu Vor-Corona-Zeiten. Nun aber steht ein Winter neuerlichen Missbehagens bevor in Reaktion auf das sich zuspitzende Infektionsgeschehen.
Von diesem Mittwoch an gilt in Bayern 2G plus für Kulturveranstaltungen, nur noch getesteten Geimpften und Genesenen ist der Zutritt erlaubt. Dazu kommt, dass Veranstaltungsräume lediglich noch mit 25 Prozent ihrer eigentlichen Besucherkapazität belegt werden dürfen – ein Zustand, an den man sich mit Schaudern erinnert aus der Zeit der ersten Gehversuche der Kultur nach der Wiederzulassung im Frühjahr.
Kein ernst zu nehmender Teilhaber am Kulturleben wird in Abrede stellen, dass in der augenblicklichen Situation auch die Kultur, die Kreativen ebenso wie das Publikum, ihren Beitrag zu leisten hat zur Eindämmung der Pandemie. Doch solche Einsicht kann die Branche nicht davon abhalten, einmal mehr den Kopf darüber zu schütteln, mit welch grobem Schergerät die Politik auch jetzt wieder dem kulturellen Leben zusetzt.
Je kleiner, desto weniger lohnenswert
Vor allem stößt auf, dass die Festlegung auf 25 Prozent der Publikumskapazität pauschal gelten soll, ohne Ansehen der tatsächlichen Situation vor Ort. Mögen staatliche oder städtische Einrichtungen die Regelung noch einigermaßen verkraften, so ist die Deckelung für die freie Szene mit ihren überwiegend klein dimensionierten Häusern fatal. Wer nur für 80 oder 100 Gäste bestuhlen kann, für den ist der Betrieb vor vielleicht nicht einmal mehr zwei Dutzend zahlenden Gästen kaum mehr rentabel. Was nicht selten den Gedanken nahelegt, doch eigentlich gar nicht erst aufzumachen. Und so hagelt es denn auch schon seit Tagen Veranstaltungsabsagen.
Grob gestrickte Regelungen wie diese Publikums-Viertelung zeigen, dass die sich so gern kulturbewusst inszenierende Politik nach wie vor wenig Ahnung hat von den tatsächlichen Gegebenheiten der Branche. Was haben sich die Betreiber seit der ersten Welle der Pandemie nicht bemüht, die Gefahr von Infektionen in geschlossenen Räumen zu minimieren, und das Publikum ist ihren Hygienekonzepten ohne Gemurre gefolgt. Mit dem Ergebnis, dass weitreichende Ansteckungsszenarien aus dem Kulturbereich nicht zu vermelden waren.
Die Disziplin dankt die Politik einmal mehr mit Ungleichbehandlung. Oder welch anderen Reim sollte man sich darauf machen, dass für den Eintritt ins Kino oder Konzert zwar die Geimpften/Genesen sich nun zusätzlich testen lassen müssen, der Ungeimpfte aber ungetestet weiterhin im Handel shoppen gehen kann?
Es droht noch ein schlimmeres Szenario
Der wieder erschwerte Zugang zur Kultur trifft die Branche in einem Moment, an dem sie begonnen hatte, sich langsam wieder von den Schockwellen der letzten anderthalb Jahre zu erholen und ihr Publikum zurückzugewinnen. Nun heißt es, den neuerlichen Kantenschlag zu überstehen – noch dazu, wo vielerorts am Horizont bereits das Damoklesschwert des Hotspots näherrückt, des Lockdowns bei einem Sieben-Tage-Wert von 1000 Infizierten. Bleibt nur zu hoffen, dass die Politik in anderer Hinsicht mehr Herz für die Kultur zeigt und mit Wiederaufnahme und Verlängerung von Finanzhilfen nicht lange fackelt. Bayerns Kunstminister hat zumindest schon mal ein „Stabilisierungspaket“ angekündigt.
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