Konzept-Künstlerin Hanne Darboven gestorben
Hamburg (dpa) - Die Zeit ist ihr Thema - genauer gesagt der Lauf der Zeit. Die Künstlerin Hanne Darboven, die am Montag im Alter von 67 Jahren starb, versuchte, ihn räumlich fassbar zu machen.
Sie schrieb unablässig und übersetzte dabei gelebte Zeit in geschriebene. Was dabei herauskam, sind endlose Kolonnen aus Zahlen und Buchstaben, die auf den ersten Blick keinen Sinn ergeben. Ein ganzes Jahrhundert wanderte in Form von an- und abschwellenden Zahlenreihen über hunderte, tausende, abertausende Papierbögen - später kamen Auszüge aus Texten und Bilder dazu. Die haben das Werk von Deutschlands führender Vertreterin der Konzeptkunst aber nicht zugänglicher gemacht, sondern eher neue Rätsel aufgegeben.
Das Werk der Künstlerin Hanne Darboven ist schwer zugänglich und doch international berühmt. Sie lebte zurückgezogen im Süden Hamburgs und war zugleich ein arrivierter Star der Kunstszene. Auf der documenta in Kassel war sie gleich mehrmals vertreten: 1972, noch am Beginn ihrer Karriere und 30 Jahre später, 2002, taucht sie auf der documenta 11 wieder auf: Die Ausstellungsmacher präsentierten die ganze Bandbreite ihres Schaffens. Zu sehen waren ihre Bücher ("Wunschkonzert", 1983), ihre Filme von 1969, eine Rauminstallation ("Opus 45", Kontrabasssolo, 1998-2000); vertreten war mit einer konzertanten Aufführung auch ihre Musik ("Opus 44", Sextett für Streicher, 1998/99).
Als sie 25 Jahre alt ist, erkennt Hanne Darboven für sich, "dass alles bereits gemalt ist". Mit Pinsel und Farbe kommt sie nicht mehr voran. Ihre Lehrer an der Hamburger Hochschule für bildende Künste wissen nicht, wohin mit den Ambitionen der jungen Frau, die aus einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie stammt. 1966 bricht sie nach New York auf. Dort lernt die zierliche Frau mit dem burschikosen Kurzhaarschnitt die experimentellen Arbeiten von Künstlern wie Sol LeWitt und John Cage kennen. Buchstaben und Zahlen, deren Quersummen, Kalender und immer wieder Zahlenreihen bestimmten seitdem ihr Schaffen.
Die internationale Anerkennung kam früh. Der New Yorker Galerist Leo Castelli förderte sie, schon 1970 waren ihre Arbeiten im Museum of Modern Art in New York zu sehen. 1982 vertrat Hanne Darboven Deutschland auf der Kunstbiennale in Venedig. 1994 erhielt sie in Hamburg den angesehenen Lichtwark-Preis. Neben Kompositionen, die ihren streng seriellen Charakter mit dem künstlerischen Werk gemeinsam haben, näherte sich Darboven später auch politischen und historischen Themen. "Kinder dieser Welt" in der Stuttgarter Staatsgalerie kombinierte 1997 ein typisches Darboven-Werk aus 222 Büchern und 2202 Partituren mit Spielzeug, Puppen und Kasperlefiguren - späte Reaktion der Künstlerin auf den Fall der Mauer.
Seit Hanne Darboven 1969 wieder nach Hamburg zurückkam, lebte sie zurückgezogen in einem Gutshaus der Familie im Süden der Stadt. Ihr Leben folgte einem immer gleichen Rhythmus: Jeden Morgen gegen fünf Uhr stand sie auf, bis elf Uhr arbeitete sie. Zwischen zwölf und eins gab es Essen, bis 16 Uhr wurde Organisatorisches erledigt. Danach: Privatleben. Nur eine Stunde, zwischen elf und zwölf stand sie für die Öffentlichkeit zur Verfügung. Kurioses aus aller Welt wie historische Globen, ausgestopfte Tiere, Porzellanköpfe von Clark Gable und Elvis Presley füllten das Haus, berichten Besucher. Und doch wusste Hanne Darboven genau, wo was steht. Sie hat den Dingen ihre eigene Ordnung gegeben.
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