
Elton John in München: So sieht ein perfekter Abschied aus


Eine ausverkaufte Olympiahalle München feiert Elton John auf seiner Ehrenrunde - und bekommt statt einem Best-Of: sein Bestes.
Gleich zu Beginn, da ist noch kein Ton gespielt, erheben sich die 11.500 Zuschauer in der komplett bestuhlten Arena bereits, wie sie es später nach jedem einzelnen Song wieder tun werden – schließlich gilt es auf dieser „Farewell“-Tour nicht nur, eine Pop-Ikone zu ehren, sondern wohl tatsächlich auch, von ihr Abschied zu nehmen.
Später, gut zwei der insgesamt zwei dreiviertel Stunden sind da gespielt, wird Elton John dann auch an seinem Flügel sitzend die passenden Worte sagen: Wie dankbar er all den Menschen auch hier in München sei, dass sie es ihm durch ihre Treue und Liebe ermöglicht haben, diese 50 Jahre anhaltende Karriere zu machen, dieses glückliche und erfüllte Leben zu führen. Und dass er es immer am meisten geliebt habe, live vor Publikum zu spielen wie nun an diesem Sonntagabend eben in der Olympiahalle, in die auch Musikerkollegen wie Peter Maffay und Campino von den Toten Hosen gekommen sind, um diesem Großen ihrer Zunft noch einmal zu huldigen.
Elton John sagt den Fans in München: "Ich werde euch vermissen"
Aber Sir Elton, heute 72, sagt eben auch deutlich: „Ich werde euch vermissen.“ Und damit: Das war es dann wirklich. Keine noch mal verlängerten und wiederholten Abschieds-Fortsetzungen wie bei so vielen anderen zu erwarten also. Am Ende der Show geht ein Elton-Abbild auf der riesigen, die Bühne dann auch in einem edlen bronzenen Rahmen hinterfangenden Leinwand in eine paradiesische Leinwand davon. Abgang. Ende. Und das ist gut so. Denn einen besseren Abschied als diesen kann man nicht haben.
Wenn man in der ersten halben Stunden noch zwei Sorgen über das Gelingen des Abends haben konnte – auch diese hatten sich bald aufs Beste verflüchtigt. Erstens also: Als Elton John mit seiner formidablen Alt-Herren-Band passend zum gewählten Tour-Motto „Farewell Yellow Brick Road“ mit „Bennie and the Jets“ zum Auftakt einen Song aus seinem Durchbruchsalbum von 1974 anstimmt, fällt das gerade stimmlich wie auch beim anschließenden „All the Girls Love Alice“ noch mit etwas Unwucht aus. Und zweitens dann: Zum Klassiker „I Guess That's Why They Call It the Blues“ sind auf der Großleinwand die großartigen Aufnahmen des Fotografen Martin Parr aus der Serie „Couples“ zu sehen, wie danach zum „Border Song“ ein beeindruckend geschnittener Kurzfilm mit amerikanischen Alltagsszenen, wie danach zu „Tiny Dancer“ eine modisch in Szene gesetzte, multiethnische Gruppe versierter Tänzer – und man vergisst über all dem fast die Livemusik von der Bühne samt dem ehrwürdigen Elton.

Aber der hat sich bald eben schon so frei gesungen, dass er später sowohl die Großballaden „Candle in the Wind“, „Don't Let the Sun Go Down on Me“ und „Your Song“ eindrucksvoll meistert, wie er auch die den Abend überwiegend prägenden knackigeren Nummern rockt. Und zudem werden die Songs zwar auch immer wieder von solchen Videos in einer Qualität begleitet, die man auch in dieser Liga selten sieht (zu „Daniel“ etwa ein schlafender Junge vor seinen Träumen, der zu einem gefallenen Jungen vor Szenen des Vietnam-Kriegs wird) – aber das Spektakel des Abends bleibt dann doch die Musik. Die Musik dieses Mannes mit dieser Band. Jetzt und hier.
Das ist vielleicht das Beste überhaupt an einem solchen Abend: Dass man all das einfach vergessen kann - dass es sich um einen Abschiedsabend handelt und dass diese Woche ja auch noch der Kino-Film über das bewegte Leben von Elton John die Kinos kommt, „Rocket Man“. Denn wenn Elton nun bereits als achtes von insgesamt 23 Liedern „Rocket Man“ singt, wenn kurz darauf „Indian Sunset“ zu einem Duett mit dem seit 1974 mit ihm spielenden Percussionisten Ray Cooper wird, wenn sich „Funeral for a Friend/Love Lies Bleeding“ zu einem epischen Band-Crescendo auswächst – dann sind das einfach Versatzstücke eines schlicht großartigen Konzerts. Mit einem sehr schönen „Sorry Seems to Be the Hardest Word“, mit einem tollen Comic-Video zu „Someone Saved Me Life Tonight“ mit humorvoll ausgewählten Bildern einer ja auch optisch irren Karriere zu „I'm Still Standing“.
Elton John wirkt beim Konzert in München kuriert, aber nicht mehr gut zu Fuß
Apropos: Am Anfang rosa Brille zu Glitzeranzug, dann frühlingsgrüne Brille zu Blumenanzug, schließlich zu den zwei Zugabensongs („Your Song“ und „Goodbye Yellow Brick Road“) Herzbrille zu Trainingsanzug – das war Elton John an diesem Abend. Es war, samt Konfetti zu „Saturday Night's Alright for Fighting“, ein großer.

Und warum es trotzdem gut ist, dass es der Abschied ist: Der Star wirkt zwar offenbar kuriert vom humpelnden Fuß in Cannes bei der Film-Premiere, aber nicht mehr gut zu Fuß. Und mag es auch der Show geschuldet sein, dass er zwischendurch wie im Papamobil mit seinem Flügel über die Bühne gefahren wird und zum Abschluss mit einer Art Seniorenlift rückwärts aufsteigend die Bühne verlässt – es kostet ihn auf jeden Fall sichtbar Kraft, hier noch mal nicht nur irgendwas, sondern sein Bestes abzuliefern. Und wenn das, nach einem lange auch so von Giften geprägten Leben, so mit 72 zum Abschied gelingt: Mehr muss doch nun wirklich nicht mehr gehen, als diese Welttournee so durchzustehen.
Und München erlebt ja noch einen Zusatztermin. Am 5. Juli in der Olympiahalle. Karten gibt es dafür freilich auch längst keine mehr.
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