Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul ist mit 85 Jahren gestorben
Der Schriftsteller V.S. Naipaul war nirgendwo zu Hause: Auf Trinidad geboren, mit indischen Wurzeln und britischem Pass. Nun ist er im Alter von 85 gestorben.
Der Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul ist tot. Der Autor sei im Alter von 85 Jahren am Samstag friedlich gestorben, teilte seine Familie nach Angaben der Agentur PA mit. "Er war ein Riese in allem, was er erreicht hat, und er starb im Kreis seiner geliebten Menschen, nachdem er ein Leben voll wunderbarer Kreativität und Streben gelebt hatte", heißt es in einer Erklärung von Lady Naipaul.
Nobelpreisträger V.S. Naipaul stirbt im Alter von 85 Jahren
Geboren wurde Sir Vidiadhar Surajprasad Naipaul am 17. August 1932 auf der Karibikinsel Trinidad in eine Familie indischer Herkunft. Ein Stipendium ermöglichte dem 18-Jährigen ein Studium in Oxford. Dort lernte er seine erste Frau Patricia Hale kennen, mit der er bis zu ihrem Tode 1996 verheiratet war.
Indiens Premierminister Narendra Modi schrieb auf Twitter, Naipauls umfangreichen Arbeiten blieben immer in Erinnerung. Sein Tod sei ein großer Verlust für die Welt der Literatur.
Sein Kollege Salman Rushdie ("Die satanischen Verse") äußerte sich bestürzt. "Wir waren uns Zeit unseres Leben uneinig, über Politik, über Literatur, und ich fühle mich so traurig, als hätte ich einen geliebten älteren Bruder verloren. Ruhe in Frieden, Vidia", twitterte Rushdie nach PA-Angaben am frühen Sonntagmorgen.
Die Schriftstellerin Merle Hodge aus Trinidad sagte: "Ich glaube, Naipaul war eines der großartigsten Geschenke an die Welt. Er ist ein Gigant - nicht nur in der karibischen Literatur - sondern in der Weltliteratur."
Schnörkellos, fleißig und genau - was Nobelpreisträger Naipaul auszeichnete
Nach einigen Jahren als Journalist für britische Medien begann Naipaul Romane zu schreiben. Die ersten spielten noch auf Trinidad. Später erkundete er Afrika, Asien und Lateinamerika und verarbeitete seine Eindrücke in Romanen, Reportagen und Essays.
In "Land der Finsternis" (1964, dt. 1997) analysierte er kritisch die Verhältnisse in Indien, dem Land seiner Vorfahren. In "Eine Islamische Reise" (1981, dt. 1982) wurde er zum Islamkritiker. Der Roman "An der Biegung des großen Flusses" (1979, dt. 1980) beschrieb Chaos und Gewaltherrschaft in den unabhängig gewordenen Staaten Afrikas.
Naipauls Stärken waren seine klare, schnörkellose Sprache, sein Recherchefleiß und seine Fähigkeit, genau zu beobachten. Er wurde von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen, 2001 erhielt er den Literaturnobelpreis.
Kritiker warfen V.S. Naipaul neben Arroganz und Ruppigkeit vor, die Welt vor allem aus dem Blickwinkel der Kolonialherren zu betrachten. In der 2008 erschienenen autorisierten Biografie "The world is what it is" (Die Welt ist, was sie ist) beschrieb der britische Literaturwissenschaftlers Patrick French außerdem wenig schmeichelhaft, wie der Nobelpreisträger seine erste Ehefrau und seine langjährige Geliebte über Jahrzehnte demütigte.
"Naipaul hat seinen Stift und seine Zunge genutzt, um Menschen und Institutionen anzugreifen, die seiner Meinung nach nicht fortschrittlich genug waren. Über die Jahre hinweg hat er eine Hassliebe zu Trinidad und Tobago entwickelt", sagte der Historiker Jerome Teelucksingh von der Universität der Westindischen Inseln der Zeitung "Guardian" in Trinidad und Tobago. "Aber Genies haben manchmal ein Makel. Wir müssen das Genie anerkennen, aber auch das Makel im Genie."
In seinem Spätwerk behandelte Naipaul in Romanen wie "Ein halbes Leben" (2001, dt. 2003) oder "Magische Saat" (2004, dt. 2005) wieder die Frage von Identität und Heimatlosigkeit. Der weltberühmte Schriftsteller hinterlässt seine zweite Frau Nadira und eine Tochter. (AZ, dpa)
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