Macht, Geld und Waffen
Der „Fall der Götter“ am Theater Ingolstadt
Die Essenbecks sind eine fiktive deutsche Großindustriellen-Dynastie mit erkennbar realem Vorbild. Ihre Pracht und Herrlichkeit, Macht und Widerwärtigkeit hat der Regisseur Luchino Visconti 1969 in einem opulenten Filmklassiker mit dem Titel „Die Verdammten“ vorgeführt. 1986 entstand mit „Der Fall der Götter“ eine Bühnenfassung des Stoffs, auf der die Inszenierung Donald Berkenhoffs basiert, die jetzt am Stadttheater Ingolstadt zu sehen ist: Theater am rasenden Puls der Zeit, Schwindelgefühle inklusive.
Denn die erste Premiere der neuen Spielzeit im Großen Haus bietet ein Endzeit-Szenario, das erschreckend aktuelle Bezüge herstellt. Es geht um Macht, Geld und Waffen, um Amerika, Russland und die Türkei. Moral existiert nicht mehr, es herrscht die „höhere Humanität“ einer Elite-Gesellschaft, die sich alles erlaubt. Da wird intrigiert und geschachert, bedroht, vergewaltigt und gemordet. Ein 100-minütiges brutal-dekadentes Polit-Promi-Porno-Potpourri, unübersichtlich, verworren, genau so, wie die Zeiten nun mal gerade sind.
Das Chaos hat Methode, auch inszenatorisch. Es ist dieser ausfransende, übergriffige Inszenierungsstil, in dem bevorzugt große zeitkritische Tableaus entworfen werden: Alles muss raus, rücksichtslos über die Rampe. Wir sehen ein Stück im Stück, alles ist Bühne, Umbauten und Kostümwechsel auf offener Szene, Regieanweisungen als Rollentext, Parolen, Parodien, manchmal Kabarett, Musik von Bach bis Laibach, Konserve und live.
Viele Angebote, keine Lösungen
Und vor allem Video, eine permanent flimmernde Leinwand, Liveaufnahmen von der mitspielenden Handycam und allerlei Archivmaterial. In Form wie Inhalt: viele Angebote, keine Lösungen. Mannhaft arbeitet das Ensemble gegen den stellenweise nervenden Medien- und Methodenmix an, keiner unter den Darstellern, der sich schonte.
Theater ist alles. Aber was ist Theater, wenn es kaum etwas anderes bietet, als man auch daheim im Fernsehen oder im Netz sehen kann? Momente fesselnden, bewegenden Schauspiels gibt es im Ingolstädter Götterfall zu selten. In der nordisch-germanischen Mythologie folgt auf den Untergang der Götter ein neues, besseres Zeitalter.
Am Theater Ingolstadt fällt man – ziemlich schwache Schlusspointe – zurück in die Steinzeit: Der Neandertaler als Übermensch. War das alles?
14., 15., 24., 28. und 29. Oktober
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