Madonna ist die ewige Kriegerin und Königin des Pop
Die Ikone ist bis heute stilprägend. Doch wer sie wirklich verstehen will, landet bei einem frühen Moment der Nacktheit. Was davon bis heute bleibt.
„Am 12. Februar 1979 kam eine stille, scheue junge Frau zu mir ins Studio. In der Klasse, die ich damals abends an der New School/Parsons in New York City unterrichtete, sollte sie mir als Aktmodell dienen. Sie sagte mir, sie sei Tänzerin von Beruf. Ihr Name sei Madonna Ciccone.“
Sie war 20 damals, drittes von sechs Kindern italoamerikanischer strengkatholischer Eltern, aus dem ländlichen Rochester, 10000 Einwohner, ganz im Norden. Zuvor Einserschülerin, hatte sie nun ihr Tanz-Studium in Michigan geschmissen und war, „mit 35 Dollar in der Tasche“, nach New York gekommen. Die Village People standen seit Wochen mit „Y.M.C.A.“ an der Chart-Spitze, und Madonna Ciccone schlug sich eben so durch, meist als Serviererin, manchmal mit Sexfilmchen, mitunter als Modell.
Madonnas Vermögen wird auf 600 bis 800 Millionen Dollar geschätzt
Aus ihr wird die „Königin des Pop“ werden, mit den meisten verkauften Platten (über 300 Millionen), mit dem größten Vermögen (zwischen 600 und 800 Millionen Dollar), eine Stil-Ikone und Star-Feministin, in der künstlerischen Inszenierung eine Meister-Provokateurin, im Privatesten öffentliche Person – und so die Schöpferin eines Rollenbildes mit Bestand im 21. Jahrhundert. Während die Pop-Könige, die gleichaltrigen Michael Jackson und Prince, bereits tot sind und mit ihnen das Modell des männlichen Überirdischen – als weibliche Ikone wird Madonna auch zu ihrem 60. Geburtstag noch inmitten all der in Charts und Internet gehypten Epigonen stehen: Taylor Swift und Katy Perry, Miley Cyrus und Lady Gaga, Christina Aguilera und Britney Spears, Gwen Stefani…
1979 jedoch entstanden im Atelier des Fotografen Martin Hugo Maximilian Schreiber noch Aufnahmen von einer Madonna, die in ihrer Nacktheit und mit dunklem gelockten Haar zart, nahbar und natürlich wirkte. Unverfälschtheit in Schwarz-Weiß? Erst später werden die Aufnahmen zur Sensation, 1990 in einem Bildband weltweit und noch 2015 exklusiv im Playboy. Denn vom Film „In Bed With Madonna“ bis zum Album „Sex“: Gerade das Intimste wird später bei dieser Frau zum Starprofil. Hier aber zeigte sich noch die Unmittelbarkeit eines scheuen Wesens und ihres uninszeniert (und sogar unepiliert) perfekten Körpers. Oder? Auf vielen Aufnahmen kommt zur mehr oder weniger nackten Madonna immerhin: ein Kätzchen!
Ihren Durchbruch hatte die Sängerin mit dem Album "Madonna" und Songs wie "Holiday"
Tatsächlich beginnt hier alles. Vor fünf Jahren schrieb Madonna in einem Beitrag für das Magazin Harper’s Bazar: Mit 20 sei sie Popstar geworden.
Dabei wird ihr Durchbruch ja erst 1983 mit dem Album „Madonna“ und Songs wie „Holiday“ erfolgen, nachdem sie zuvor immer nur im Hintergrund gesungen und getanzt, Vorgestanztes vorgetragen hatte und hier endlich selbst im Vordergrund stehen, texten und komponieren durfte. Woraufhin ’84 gleich der Aufstieg in den Olymp folgte mit dem Album „Like A Virgin“, dem Titelsong, aber auch dem zur Marke gewordenen „Material Girl“.
Und ’86 dann „True Blue“ mit „Papa Don’t Preach“ und dem federleichten „La Isla Bonita“. ’89 „Like A Prayer“ samt der Liebesbefreiung einer schwarzen Heiligenfigur im Video, das PapstJohannesPaul II. zum Madonna-Boykott aufrufen ließ. Und all die folgenden Wandlungen in Musik und Show, das eine bislang letztmals überzeugend mit „Ray Of Light“ (’96), das andere unverbrüchlich ein Spektakel, modisch, aber vor allem symbolkräftig. Hier zeigt sich Madonna als Anhängerin jüdischer Mystik, der Kabbala.
Madonna war mit Schauspieler Sean Penn und Regisseur Guy Ritchie verheiratet
Nichts davon ist auf den Fotos von 1979 absehbar, nicht die Boulevard-Hatz samt drei Ehen, von Schauspieler Sean Penn bis Regisseur Guy Ritchie, samt zwei leiblichen und zwei aus Malawi adoptierten Kindern … Was also soll Madonna schon mit 20 zum Popstar gemacht haben?
In ihrem Text von 2013 offenbarte sie, dass sie damals, frisch in New York und ihren Träumen auf der Spur, zunächst alles verloren hatte, die Wohnung dreimal ausgeraubt, sie mit Pistole überfallen, mit vorgehaltenem Messer auf einem Dach vergewaltigt. „Es war hart, ich war einsam.“ Sie habe sich inmitten von Armut und Chaos „als Kriegerin“ gefühlt, sich so fühlen müssen, um nicht unterzugehen. Und sich, um die Miete bezahlen zu können, eben auch ausgezogen. „Ich starrte auf die Leute, die auf meine Nacktheit starrten.“ 1979. Vielleicht ist das ja Pop für den weiblichen Star. Bis heute jedenfalls kann Madonna immer öffentlich wüten, wenn es um Sexismus in Musikbranche, Politik und Medien geht.
Zart also mag sie auf den Fotos damals noch gewirkt haben – gewesen ist sie es offenbar nicht mehr. Heute sieht Madonna mit ihrem trotzig drahtigen Körper immer mehr auch aus wie die Kriegerin, die sie damals lernte, sein zu müssen. Wie ein Kontrast wirkt, dass ihr nächstes Album noch Ende des Jahres erscheinen und von portugiesischem Fado beeinflusst sein soll. Madonna, melancholisch? Es wäre tatsächlich die stimmige Kehrseite der Kriegerin. Wenn sie merkt, dass ihr Kampf ewig weitergeht und darüber zur Pose zu werden droht. Pop eben.
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