Matt Damon: "Ich bin der schlechteste Geschäftsmann der Welt"
Exklusiv Gerade ist Matt Damon mit „Le Mans 66“ im Kino. Im Interview spricht der Hollywoodstar über harte Jahre und verlorene 250 Millionen Dollar.
Über zwei Jahre lang waren Sie nicht mehr als Hauptdarsteller zu sehen. Was ist passiert?
Matt Damon: Das hatte private Gründe. Ich wollte wegen meiner Familie ein Jahr lang pausieren, weil ich zuvor fünf Filme hintereinander gedreht hatte. Aber 2017 lag mein Vater im Sterben, und deshalb gingen wir in meine Heimatstadt Boston zurück, damit ich bei meinem Vater im Krankenhaus sein konnte. Es war ein schreckliches, sehr hartes Jahr. Weil das für meine Familie keine wirkliche Pause brachte, habe ich nochmals ein Jahr Auszeit dran gehängt. Das war wirklich nötig.
Wenn man sich so lange aus dem Zirkus zurückzieht, sieht man Hollywood aus einer anderen Perspektive?
Damon: Absolut. Und ich habe inzwischen auch gemerkt, dass sich die Branche entscheidend verändert hat. Es werden ganz andere Filme produziert – die Art von Dramen, die mein Brot und Butter-Geschäft waren, wandern ins Fernsehen oder werden gar nicht mehr gemacht. Es war fast unglaublich, dass wir noch das Geld für einen Film wie „Le Mans 66“ bekommen haben.
Wenn die Filme, für die Sie bekannt sind, kaum noch ins Kino kommen, müssen Sie sich da Sorgen machen?
Damon: Ich bin ja in der glücklichen Lage, dass ich auf eine lange Karriere zurückschauen kann. Es wird schon noch Arbeit für mich geben. Aber wenn ich jetzt ins Geschäft einsteigen würde, hätte ich schon Angst. Denn es gibt keine Sicherheit mehr. Ich sehe das zum Beispiel bei meiner ältesten Tochter, die jetzt 21 ist. Die hat ein wunderbares Auge als Fotografin, aber kann ich ihr guten Gewissens empfehlen, dass sie so eine Karriere anstreben soll? Wer weiß, wie sich die Technologie weiter entwickeln wird?
Vielleicht hätten Sie für solche unsicheren Zeiten doch die Rolle in „Avatar“ annehmen sollen, die Ihnen per Gewinnbeteiligung rund 250 Millionen Dollar eingebracht hätte …
Damon: Ich weiß, ich weiß. Die Katze ist aus dem Sack. Ich liebe es, diese Geschichte zu erzählen, weil sie beweist, dass ich der schlechteste Geschäftsmann der Welt bin.
Sind Sie das wirklich?
Damon: Ich wäre es, wenn ich dieses Angebot abgelehnt hätte, um eine ruhige Kugel zu schieben. Aber ich konnte das aus ethischen Gründen nicht tun, denn ich hatte eine Vereinbarung für den Dreh zu „Das Bourne Ultimatum“. Da hätte ich alle Beteiligten bescheißen müssen. Zumindest muss ich mir also nichts vorwerfen. Es ist nur deshalb tragisch, weil ich unbedingt einmal mit James Cameron arbeiten wollte, und er macht ja nur alle zehn Jahre einen Film.
Definieren Sie eigentlich Ihren Erfolg übers Geld? Gerade Ihr Rennfahrer-Film „Le Mans“ zeigt ja, dass man nicht immer auf die blanken Zahlen oder Platzierungen schielen sollte.
Damon: Der Erfolg liegt im Prozess. Auch wenn die Formulierung Klischee ist, aber: Der Weg ist das Ziel. In den 25,30 Jahren, in denen ich im Geschäft bin habe ich Filme gedreht, bei denen ich großen Zuspruch erwartet hatte, und die kläglich gescheitert sind. Aber auch Filme, deren Erfolg ich überhaupt nicht erwartet hatte. Deshalb bleibt mir am Schluss nur eines: die Liebe, Geschichten zu erzählen.
Aber ein Flop beeinträchtigt doch auch Ihre Karriere. Sie meinten seinerzeit, dass sie vor dem Erfolg des ersten „Bourne“-Films am Ende waren.
Damon: Das ist richtig. Diesen Faktor kann ich nicht ganz vernachlässigen. Ich muss schon schauen, welche Filme ich drehe. Trotzdem letztlich nur um Eines: Ich muss das Gefühl haben, dass ich unter den jeweiligen Umständen mein Bestes getan habe.
Ihre Figur in „Le Mans“ muss ihre Karriere noch einmal umkrempeln und sich neu erfinden. Wäre das für Sie denkbar?
Damon: Ja und nein. Wie ich schon sagte, ich liebe meinen Job. Denn er entspricht einem uralten Impuls der Menschheit, den schon die Höhlenmenschen hatten: Geschichten zu erzählen. Aber ich sehe definitiv einige Veränderungen auf mich zukommen: Ich werde wieder mehr schreiben, ich möchte Regie führen. Doch ich bin eben auch unruhig, weil sich alles so rapide verändert und ich keine Ahnung habe, was die nächsten 20 Jahre bringen.
Soziale Veränderungen werden ja jetzt auch von der jungen Generation angeschoben – siehe „Fridays for Future“. Wie steht es um ihre älteren Töchter? Engagieren die sich auch?
Damon: Das tun sie. Zum ersten Mal waren sie beim Women’s March 2017 dabei, und dabei haben sie begriffen, dass sie mit ihrer eigenen Stimme etwas bewirken können. Das entspricht auch der Tradition, in der ich groß geworden bin. Meine Mutter nahm mich in den 70ern zu den ‚No Nukes’-Demonstrationen damit, und so weiß ich, dass du das Recht hast, auf die Straße zu gehen und deine Stimme zu erheben. Barack Obama meinte mal zu mir: ‚Wenn du Veränderung willst, dann bring mich dazu, diese Veränderungen durchzuboxen.’ Meine Kinder haben das, wie ich denke, schon verstanden. Und ich hoffe, dass diese nächste Generation sich noch stärker engagiert als die zuvor. Sie muss es. Denn unsere Generation hat sie komplett enttäuscht.
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