Mindelheimer Orchester spielt immer nur, um anderen zu helfen
Seit 25 Jahren begeistert "Frisch gestrichen" die Zuhörer. Das Orchester aus Mindelheim hat sich aber auch aus einem anderen Grund höchsten Respekt verdient.
Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings die Welt verändern? Wetterkundler sprechen vom Schmetterlingseffekt, wenn eine kleine Ursache eine große Wirkung entfacht. Dieses Phänomen gibt es offenbar nicht nur beim Wetter. Das Mindelheimer Orchester „Frisch gestrichen“ ist quasi infolge eines solchen Flügelschlags gegründet worden. Den klitzekleinen Anstoß zur Gründung gab der damalige Unterallgäuer Landrat.
Hermann Haisch hatte 1994 den Profi-Geiger Nils Schad gefragt, ob er nicht ein Jugendorchester zusammenstellen könne. Am Mindelheimer Krankenhaus war ein neuer Trakt gebaut worden. Und da fehlten dem Kreischef für die Eröffnungsfeier noch ein paar Musiker, die gute Stimmung verbreiten könnten. Schad, der damals noch in Mindelheim wohnte, ließ sich nicht lange bitten. Der Musiker, der seit Jahren zum festen Stamm der Münchner Philharmoniker zählt, spielte in seiner Freizeit schon mit Angela Börner, Sabine Loos oder Uschi Abt und ein paar anderen in Mindelheim zusammen.
25 Streicher trommelte Schad aus diesem Kreis für die Klinikeröffnung zusammen. Ein dankbarer Hermann Haisch spendierte dem Ensemble darauf ein Proben-Wochenende in einer Jugendherberge bei Sonthofen. Da sprang der Funke endgültig über. Das hat allen so viel Spaß gemacht, dass sie beschlossen, ein eigenes Laienorchester aus Streichern zu gründen und einmal pro Jahr öffentlich aufzutreten.
100.000 Euro für den guten Zweck
In 25 Jahren hat „Frisch gestrichen“ ausschließlich für andere gespielt und rund 100.000 Euro für den guten Zweck gespendet. Bedacht wurden zum Beispiel das Leserhilfswerk unserer Zeitung, die Kartei der Not, sowie der Lionsclub, die Rotarier, die Bürgerstiftung Mindelheim und viele andere. Und in einem Fall hat das Orchester den Umbau von Haus und Auto für einen Oboisten bezahlt, der seit einem Verkehrsunfall querschnittsgelähmt ist.
Dieses große Herz für andere würdigt unsere Zeitung nun mit der Silberdistel, mit der besonderes ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet wird. Gutes tun und gemeinsam Spaß haben, das ist Nils Schad bis heute wichtig. Bloß nicht zu ernst werden. Wichtig sind Schad eingängige Melodien. Und so gehört zum Repertoire weniger die große Klassik von Beethoven bis Bruckner als Filmmusik wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Fluch der Karibik“. Für den Big-Band-Sound von Bert Kaempfert, Glenn Miller oder James Last hat sich Schad auch schon immer begeistert. Die Noten schreibt er so um, dass alle Teile des Orchesters glänzen können.
Für den 56-jährigen Familienvater von fünf Kindern, der bei Starnberg lebt, ist das der perfekte Ausgleich zu seinem Beruf bei den Münchner Philharmonikern, wo es manchmal stressig zugeht. Auftritte in China, New York, Paris, Amsterdam oder Berlin kosten viel Kraft. Freie Tage nutzt er am liebsten dazu, mit „Frisch gestrichen“ in Mindelheim oder in Starnberg zu proben.
Das Orchester hat drei CDs eingespielt
Wie es zu dem Namen des Orchesters kam, weiß heute keiner mehr so genau. Es war wohl eine Gemeinschaftsleistung der Musiker. Nils Schad fand den Namen jedenfalls so gut, dass er versucht hat, die Rechte beim Patentamt schützen zu lassen. Das klappte zwar nicht, weil sonst kein Maler mehr ein Schild mit dieser Aufschrift hätte aufstellen dürfen. Letztlich spielt das auch keine Rolle, weil von Anfang an klar war: Dieses Orchester spielt ausschließlich für den guten Zweck. Gagen für die Musiker gibt es nicht. Und auch die drei CDs, die das Orchester inzwischen eingespielt hat, decken gerade so die Kosten ab.
Gab es anfangs nur ein Jahreskonzert im Kurhaus Bad Wörishofen oder im Zedernsaal von Schloss Kirchheim, ist vor zwölf Jahren ein großes Open-Air-Konzert dazugekommen. Immer zu Beginn der Sommerferien tritt „Frisch gestrichen“ auf der Mindelheimer Schwabenwiese auf vor einer unglaublichen Kulisse von bis zu 8000 Besuchern. Auch für diesen Auftritt verlangen die Musiker nichts. Damit sorgt das Orchester für das größte Spektakel, das die 15.000-Einwohner-Stadt Mindelheim im Jahresverlauf zu bieten hat.
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