
Der Mann, der Mozart Spaß haben ließ


Dank Milos Forman flog man im Kino übers Kuckucksnest und begegnete Amadeus
Für Filmhelden, die rebellisch waren und mit ihren Ansichten und Taten quer zur angesagten Richtung standen, besaß er eine ausgeprägte Schwäche. Nicht verwunderlich bei Milos Formans Biografie, die ihn in der ersten Hälfte seines Lebens mit zwei totalitären Machtapparaten konfrontierte, mit der Nazi-Herrschaft in der besetzten Tschechoslowakei und später mit den Kommunisten in seiner Heimat. Wobei das erste dieser Regime traumatischer in seine Existenz einschnitt. Forman, 1932 in einer mittelböhmischen Kleinstadt geboren, erlebte als Neunjähriger mit, wie seine Eltern von der Gestapo verhaftet wurden. Beide kamen in Konzentrationslagern ums Leben.
Schon als Internatsschüler begann er, sich für Filme zu begeistern, und konnte später an der Prager Filmhochschule studieren. Als das tschechische Kino um 1960 von der Nouvelle Vague erfasst wurde, war der junge Forman an vorderer Stelle mitbeteiligt an dieser Richtung, deren Filme Gesellschaftskritik nicht scheuten. In dem Streifen „Der Feuerwehrball“ etwa kommt das titelgebende Fest nicht zustande, weil Funktionäre sich in alles einmischen, aber nichts auf die Reihe bekommen. Das Tauwetter in der tschechischen Filmproduktion endete abrupt, als im Sommer 1968 die russischen Panzer in Prag einfuhren.
Forman emigrierte in die Vereinigten Staaten, wohin er zuvor schon Kontakte geknüpft hatte. Es fiel ihm nicht schwer, sich in das dortige Business zu integrieren, allerdings brauchte er einige Jahre, um das zu leisten, was im US-Filmbetrieb wirklich zählt: der Erfolg an den Kassen. Der gelang ihm 1975 mit „Einer flog übers Kuckucksnest“, der Geschichte eines Unangepassten (Jack Nicholson), der in der Psychiatrie versucht, sich nicht kleinkriegen zu lassen. Forman führte hier nicht nur sein Talent vor, das Tragische mit dem Komödiantischen zu verbinden. Er traf auch einen Nerv der Zeit in der Darstellung einer unmenschlichen psychiatrischen Medizin, die in der 70er Jahren gerade erst begonnen hatte, sich zum Wohle ihrer Patienten zu reformieren. „Einer flog übers Kuckucksnest“ erhielt fünf Oscars, darunter der den für die beste Regie.
Ein knappes Jahrzehnt später konnte Forman diesen Erfolg noch übertrumpfen mit einem Film, der acht Oscars einheimste, darunter wiederum den für die beste Regieleistung. „Amadeus“ (1984) war die Verfilmung eines Theaterstücks von Peter Shaffer, ein Streifen, der nicht nur selbst klassikfernes Publikum für Mozart gewann, sondern ganz allgemein machtvoll die Wahrnehmung des Komponisten beeinflusste. Mozart, das war hier nicht eine elysisch umflorte Figur auf dem Denkmalsockel, sondern ein zappelnder Spaßvogel (Tom Hulce) mit der Gabe, göttlich zu komponieren. Ein Porträt, das einerseits viel zur Popularisierung Mozarts beitrug, andererseits aber auch weit Hergeholtes über den historischen Mozart verzapfte.
Mit „Amadeus“ war Forman zu einem Giganten des Weltkinos geworden. Gleichwohl konnten seine weiteren Filme nicht mehr an die bisherigen Erfolge anknüpfen. „Valmont“ (1989) etwa, die Verfilmung eines erotischen Ränkespiels im Frankreich des 18. Jahrhunderts, hatte das Pech, dass Stephen Frears mit demselben Stoff einige Monate früher ins Kino kam und für seine „Gefährlichen Liebschaften“ auch gleich noch Oscar-Segen erhielt. Und mit dem in den 90ern aufkommenden Effektekino schien die Zeit dann endgültig abgelaufen für Forman, dessen stilistische Mittel auch in „Larry Flynt“ oder „Goyas Geister“ immer primär den Figuren verpflichtet blieben.
Das letzte Mal, dass Forman im Kino erschien, war 2011. In der französischen Produktion „Die Liebenden“ stand er allerdings nicht hinter, sondern vor der Kamera, in einer Rolle als gealterter Liebhaber. Am Freitag ist Milos Forman, der dreimal verheiratet war und zweimal Vater von Zwillingen wurde, in seiner US-Wahlheimat nach kurzer Krankheit im Alter von 86 Jahren gestorben. Die Reihe der großen europäischen Regisseurs-Emigranten im Hollywood-Kino hat er würdig ins 21. Jahrhundert geführt.
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