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Exklusiv-Interview
30.04.2018

Nationalsozialismus? - "Ohne den Faktor Bayern kaum erklärbar"

Adolf Hitler im Jahr 1925 beim Besuch einer bayerischen Gruppe von Nationalsozialisten.
Foto: dpa

Der Historiker Andreas Wirsching erklärt im Interview die Verbindung zwischen Bayern und dem Nationalsozialismus. Er warnt vor dem aktuellen Rechtspopulismus.

Bayern und der Nationalsozialismus – dazu fallen einem viele Orte ein: Dachau, Flossenbürg und Kaufering, der Berghof, Landsberg und München natürlich, die „Hauptstadt der Bewegung“. Eine bedrückend dichte Konzentration. Ist Bayern nationalsozialistisch kontaminiert?

Andreas Wirsching: Die Entstehung und der frühe Erfolg des Nationalsozialismus sind ohne den Faktor Bayern kaum erklärbar. München ist ein Sonderfall extremer Aufschaukelung und ständiger Radikalisierung, schon ab November 1918. Die Räterepublik und die diffuse Angst vor dem Umsturz gaben dem brutalen Antibolschewismus und Antisemitismus in beträchtlichen Teilen des Bürgertums einen großen Schub.

War es Zufall, dass Hitler gerade in München Erfolg hatte?

Wirsching: Voraussetzungslos ist in der Geschichte fast nie etwas. Als Hitler 1919 aus dem Krieg zurückkam, war er politisch noch ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Am wichtigsten war ihm, nicht in die Armut zurückzufallen und möglichst lange im Sold des Heeres zu bleiben. Daher schloss er sich ganz opportunistisch dem Gewinner der Auseinandersetzungen von 1918/19 an, der Konterrevolution. Als Agitator der Reichswehr schickte man ihn zur Fortbildung aufs Lechfeld, und dort las er die ganze völkisch-nationalistische Literatur. Hier begann er, radikale Reden zu halten, was ihm erstmals in seinem Leben ein Erfolgserlebnis verschaffte. Danach gab ihm München die passende Bühne für seine Agitation. Die Stadt war klein genug für eine kompakte Öffentlichkeit; Teile des Bürgertums, die Bechsteins und andere, hofierten ihn.

Hans Günter Hockerts sagt, dass die Münchner Stadtgesellschaft prädestiniert war für den Aufstieg des NS. Wie muss man sich das vorstellen?

Wirsching: Prädestiniert würde ich nicht sagen, aber aus dem Schock, den das Bürgertum 1918/19 erlebt hatte, folgte der Wunsch, der Anarchie der Revolution eine andere Radikalität und Gewalt entgegenzusetzen. Später wählten auch bürgerliche Schichten und sogar Angehörige des Großbürgertums die NSDAP und unterstützten sie teilweise finanziell. Häufig ist gefragt worden, ob es sich dabei um eine Art „Extremismus der Mitte“ handelte. Heute scheint es vergleichbare Tendenzen zu geben, denn die AfD wird ja von vielen Mittelschicht-Angehörigen und auch manchem Akademiker gewählt. Heute drückt sich darin die Angst vor Globalisierung und Migration aus, damals war es die Angst vor einer mächtigen Arbeiterschaft und dem internationalen Finanzkapital.

War der Rest Bayerns ebenso prädestiniert? In Augsburg hat die NSDAP ja noch 1933 nur 30 Prozent der Stimmen erhalten.

Wirsching: Überall da, wo katholische Kräfte stark waren, gab es unterdurchschnittliche Wahlergebnisse. Das katholische Südbayern erschien zwar reserviert gegenüber der NSDAP, aber inhaltlich waren auch viele Wähler der Bayerischen Volkspartei nicht weit weg von der nationalsozialistischen Ideologie. Wenn man das sogenannte bayerische Zigeunergesetz von 1926 ansieht, da ist Jahre vor dem NS-Regime vieles an Ausgrenzung schon da. Im katholischen Milieu gab es in der Regel keinen brutalen biologistischen Rassismus, aber Antisemitismus, Antibolschewismus und Antiliberalismus waren dort ebenfalls stark vertreten. Kardinal Faulhaber etwa klagte immer wieder über den Sittenverfall in der Weimarer Republik. Später sagte er dann, 1933 habe doch auch Gutes gebracht, und immerhin habe Hitler den Sittenverfall gestoppt.

Die Etablierung des Nationalsozialismus funktionierte erschreckend gut – in Bayern wahrscheinlich genauso wie in anderen Teilen des Reichs.

Wirsching: Ja, das war überall so. In der Regel wurden die Oberbürgermeister abgesetzt und durch bewährte Parteigenossen ersetzt, aber es wurden nicht die Verwaltungen ausgetauscht. Es ist schon überraschend, wie ganze Verwaltungen „dem Führer entgegengearbeitet“ haben, wie einmal formuliert wurde. Für die Augsburger Stadtverwaltung wurde das modellhaft untersucht. Zwar gab es Auseinandersetzungen, es hat sich mal ein Bürgermeister mit dem Gauleiter gestritten, aber das ist nicht als politische Opposition oder Resistenz zu werten. Die Verwaltungen ermöglichten die Etablierung des NS-Staats.

Das intellektuelle Leben fiel nach 1933 in einen Winterschlaf, sagt der britische Historiker Ian Kershaw. Wie muss man sich das geistige Leben etwa in München vorstellen, der Stadt, aus der Thomas Mann oder Lion Feuchtwanger emigriert waren?

Wirsching: Das Wort Winterschlaf ist eine Beschönigung – nach 1933 wurden die Intellektuellen mundtot gemacht. Ein Großteil der geistigen Elite wurde vertrieben, ein ungeheurer Kulturverlust, der bis heute nachwirkt. Das intellektuelle Klima Münchens hatte sich allerdings schon in der Weimarer Republik eingetrübt – München war nicht mehr die glitzernde Geistes- und Kunstwelt, sondern die „Ordnungszelle Bayern“, und es war auch ein Fluchtpunkt für rechtsradikale Straftäter aus dem ganzen Reich.

Wie kam München nach 1945 mit seiner „zerlumpten Vergangenheit“ zurecht, die Thomas Mann beklagte? Man hat sich mit den vielen Täterorten in der Stadt lange nicht auseinandergesetzt.

Wirsching: München war physisch zerstört, da stand der Wiederaufbau im Vordergrund, genauso wie in anderen Städten. Aber dass München Hitlers Hauptstadt der Bewegung gewesen war, das wurde wenig reflektiert. Der Umgang mit der Geschichte war unkritisch – in München länger als anderswo. Eine kommunale politische Reflexion setzte in München sehr spät ein, und sie war hier kein von der Bürgerschaft initiierter Prozess, anders als etwa in Nürnberg, wo die Konzepte für das Reichsparteitagsgelände als Denkort aus der Bürgerschaft kamen.

Warum hat es so lang gedauert, bis eine kritische und empathische Erinnerungskultur entstand?

Wirsching: Erst als die Beteiligten nicht mehr lebten, also etwa 40 Jahre nach Kriegsende, konnten neue Fragen gestellt werden. Dann aber entstand in den 1980ern eine regelrechte Geschichtswelle – in vielen Städten und Gemeinden wollten interessierte Laien wissen, wer denn die Opfer vor Ort waren, gründeten Geschichtswerkstätten und begannen zu forschen. Ein Pionier war Ihr früherer Chefredakteur Gernot Römer. Das bis heute stetig anwachsende Interesse an Zeitgeschichte hat inzwischen einen erheblichen kulturellen und wissenschaftlichen Mehrwert erbracht. Der ganze Bereich der Forschung zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Unternehmen oder Behörden hat viele Quellen überhaupt erst zugänglich gemacht.

Und es gibt ja immer noch Überraschungen. Auch das Institut für Zeitgeschichte ist davon betroffen. Gerade erst kam ans Licht, wie alte Seilschaften aus der Wehrmacht dessen Arbeit beeinflussen wollten.

Wirsching: Die Geschichte des Instituts für Zeitgeschichte ist durchweg eine Geschichte der Emanzipation der Forschung von der Politik und deren Versuchen, Einfluss zu nehmen. Dass jüdische Forscher wie Raul Hilberg nicht wahrgenommen wurden, dass unter der Regie von Reinhard Gehlen ehemalige Wehrmachtsoffiziere Zeitgeschichte betreiben sollten, das werden wir aufarbeiten. Eine große Studie dazu ist in Vorbereitung, und sie wird von externen Forschern durchgeführt.

Kann uns die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus helfen, heutigen Rassismus zu verhindern?

Wirsching: Der Blick in die Geschichte hilft immerhin, die Gegenwart besser zu verstehen. Ich bin schon lange der Meinung, dass wir die wehrhafte Demokratie stärken müssen. Justiz und Polizei wurden jahrelang personell und finanziell vernachlässigt, das fällt uns jetzt auf die Füße. Wenn staatliche Strukturen erodieren, erzeugt dies Schwächen im demokratischen Gewaltmonopol, was wiederum ein gefährliches Einfallstor für Rechtsradikale bildet. Die Weimarer Republik war in sich zerrissen, der Staat teilweise zumindest auf dem rechten Auge blind, das eröffnete Spielräume für die Nationalsozialisten.

Und heute?

Wirsching: Auch heute haben wir eine starke Polarisierung der Gesellschaft, und staatliche Reaktionen zum Beispiel auf Volksverhetzung sind manchmal zu schwach. Wir brauchen dringend eine Diskussion über die wehrhafte Demokratie. Ich halte auch wenig davon, mit Vertretern der AfD nun ständig das Gespräch zu suchen. Man sollte sie bekämpfen und ihnen so wenig Bühne wie möglich geben. Die haben sie nun ohnehin schon zur Genüge als stärkste Oppositionspartei, und so eine Bundestagsfraktion stellt einen echten Machtfaktor dar. Deutlich antidemokratischen Tendenzen, wie sie in der AfD oder bei Viktor Orbán erkennbar sind, sollten demokratische Parteien auch nicht hinterherlaufen. Es ist immer gefährlich, Extreme zu kopieren, denn am Ende wird das Original stärker sein als die Kopie.

Zur Person: Andreas Wirsching, 1959 in Heidelberg geboren, ist Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, das eine kommentierte Neuausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ erarbeitet und 2016 öffentlich vorgelegt hat. Nach Stationen in Tübingen und Augsburg lehrt Wirsching zugleich als Professor für Neueste Geschichte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Seine jüngste Publikation (als Mitherausgeber) ist der Band „Weimarer Verhältnisse?“, in dem Historiker untersuchen, ob und wie Rechtspopulisten der Gegenwart die Demokratie gefährden (Reclam, 119 S., 14,95 Euro).

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