
Philip Roths Novelle "Die Demütigung"
New York (dpa) - Simon Axler ist am Ende. Die Worte aus dem Mund des gefeierten Theaterschauspielers tönen hohl und leer. Shakespeares Texte ziehen ihm buchstäblich den Bühnenboden unter den Füßen weg.
Und Philip Roth richtet seinen Protagonisten gnadenlos zugrunde - mit knallharten kurzen Stakkato-Sätzen. "Er hatte seinen Zauber verloren. Der Impuls war erloschen (..) Er erreichte sein Publikum nicht mehr. Sein Talent war tot." So beginnt die jüngste Novelle "Die Demütigung" von Philip Roth, die am 8. März) auf Deutsch erschienen ist.
Im Alter von 76 Jahren ist Roth ein gefeierter Mann. Neben Autoren vom Kaliber John Updikes, Norman Mailers und Saul Bellows gilt er als der einflussreichste und erfolgreichste amerikanische Gegenwartsautor. Auch wenn das bisher vom Nobelpreis-Komitee nicht erkannt wurde, wie viele Fans finden.
Mit "Die Demütigung" kehrt er zu den zentralen Themen seines Spätwerks zurück: Es geht um Alter und Gebrechlichkeit, Versagen und Verfall - und um den verzweifelten Versuch, dem Unausweichlichen zu entgehen. Die Anklänge an "Jedermann" (2006) und "Exit Ghost" (2007) sind unüberlesbar.
Während Roth sein Alter-Ego Nathan Zuckerman in "Exit Ghost" über seine Inkontinenz und Impotenz jammern lässt, verfällt der 65-jährige Schauspieler Simon Axler nach seinem Abgang von der Bühne in eine tiefe Depression. Seine Frau verlässt ihn und aus Angst vor Selbstmord liefert er sich selbst in eine psychiatrische Klinik ein.
Aber Philip Roth wäre nicht Philip Roth, wenn es nicht eine sexuelle Begierde gäbe, die die Lebenskräfte wieder weckt. Die kommt mit Pegeen Mike Stapleford. Die 40-jährige Tochter eines befreundeten Schauspielerehepaars lebte zuvor jahrelang in lesbischen Beziehungen. Als sie ein Paar werden, geht es für Axler wieder aufwärts - zumindest im Bett.
Pegeen sucht nach zwei traumatischen Erfahrungen mit Frauen Trost und Wärme: "Simon, wir sind beide fallengelassen worden". Er hofft auf ein zweites Leben, wenn nötig, bastelt er sich dafür die Partnerin zurecht. Mit Schmuck, Designer-Klamotten und einem 200- Dollar-Haarschnitt möchte er aus der Geliebten eine Frau machen, die von Männern begehrt wird, statt von Frauen. "Es war eine Orgie des Kaufens und Verwöhnens, an der beide Gefallen fanden", beschreibt Roth.
Hemmungslos heizt Roth die Hoffnungen des Schauspielers auf eine Umkehr aus dem Alterungsprozess an ("Axler verspürte eine Entschlossenheit wie damals, mit zweiundzwanzig, als er zum Vorsprechen nach New York gekommen war") um ihn dann erneut eloquent ins Messer laufen zu lassen. Die Erfüllung einer Altmänner-Fantasie von der "Menage à trois" ist gleichzeitig der Zusammenbruch von Axlers Illusionen. Das Abschlusskapitel "Der letzte Akt" sagt alles.
Nicht so natürlich für seinen Autoren, der damit den 30. Band seiner Karriere vorlegte: "Mit 140 Seiten ist es sein bestes Buch seit Jahren", befindet ein Kritiker des einflussreichen Blogs "Huffington Post".
Roth ist noch lange nicht am Ende des letztes Aktes. In einem Interview des "Wall Street Journal" verriet er: "Ich lasse so wenig Zeit wie möglich zwischen Werken verstreichen. Ich kann es nicht ertragen, nicht zu arbeiten."
Philip Roth:
Die Demütigung
Hanser Verlag, München
144 S., Euro 15,90
ISBN 978-3-446-23493-2
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