Barocke Geisterbahn
„King Arthur“ tauchte am Theater Augsburg auf, und das Werk von John Dryden mit Henry Purcells Musik zeigte in allen Facetten der Bühnenkunst, was ein Spektakel ist.
Augsburg Kate und William, die große TV-Show, war nur das Aufwärmen für eine weitere Familienzusammenführung auf der britischen Insel: Am Lech wurde jetzt gründlicher in die Tiefen keltisch-germanischer Historie geleuchtet, noch zauberhafter, nicht wissenschaftlich korrekt, doch lustiger. „King Arthur“ tauchte am Theater Augsburg auf, und das Werk von John Dryden mit Henry Purcells Musik zeigte in allen Facetten der Bühnenkunst, was ein Spektakel ist.
Als „Dramatick opera“ kam es vor 320 Jahren am Queen’s Theatre heraus. Eine Schauspiel-Oper, die dramatisches Wort und musikalischen Kommentar mischt. King Arthur erhielt eine neue mythologische Story, diese Identifikationsfigur der britischen Geschichte, die aus dem vagen Dunkel der Jahre um 500 kam. Nicht von seiner Tafelrunde, seiner jungen Frau Guinevere und Ritter Lancelot ist bei Dryden die Rede, sondern von Arthurs Liebe zur blinden Emmeline, der Tochter des Herzogs von Cornwall.
Zwei Magier konkurrieren, ein Überläufer wechselt die Front
Weil seit Troja in der Geschichte Liebe mit Krieg einhergeht, verquicken sich auch in Drydens Story private und politische Konflikte. Oswald, der König der Sachsen, bedroht nicht nur die Briten, sondern hat auch ein Auge auf Emmeline geworfen. Als Stammpersonal der Arthur-Legende ist nur noch Zauberer Merlin da. Der ruft auf der Gegenseite die konkurrierenden Magier auf den Plan, wenn es gilt, durch Zauberei und sonstige parapsychologische Maßnahmen dem jeweiligen Herrn zu dienen. Im Fall des Sachsenchefs ist dies der barbarische Erdgeist Grimbald. Und da gibt es vagabundierende Geister, die schon mal die Fronten wechseln. Luftgeist Philidel ist so einer, der mit der Mannschaft um Grimbald, eigentlich ein ziemlich fertiges Gebilde, nicht mehr klarkommt und ablösefrei zu Arthur/Merlin wechselt.
Das klingt nach Fußball und Arena: Regisseurin Sigrid Herzog und Bühnenbildner Bernhard Kleber lassen das kämpferische Geschehen vor einer Tribüne ablaufen, wo der Chor musikalisch kommentiert, wo versenk- und hochfahrbar das Purcell-Orchester mittendrin statt nebenbei die Stimmung anheizt. Was herauskommt, ist keine gewaltsame Aktualisierung, sondern eine effektvolle wie behutsame Übersetzung der Ideen der Barockmeister Dryden und Purcell. Shakespearehaft laufen Action und allegorische Nebenwelt parallel. Diese erklärt Grundmuster menschlichen Verhaltens aus ihrer Zeit heraus, als Magie im Alltag präsent war. Wenn Herzog/Kleber und Kostümbildnerin Katharina Weißenborn mit Anspielungen auf weitere britische Legenden wie die Beatles in Sergeant-Pepper-Kluft aufwarten, die Hippie-Epoche zitieren, die Perückenmode der Cromwell-Ära oder auch Marilyn-Monroe-Anmutungen ins Bild bringen, dann entsteht ein munterer Comicstrip. Theatralische Poesie bleibt nicht auf der Strecke. Bühnenzauber pur ist die Devise.
Emmelines wunderbare Wahrnehmung der Welt, nachdem sie durch Merlins Zaubertrank sehend wird, die Feinheiten des ersten Erkennens des geliebten Arthurs gibt anrührend und schön: Judith Bohle. Weniger schön für sie ist das Erkennen des ebenfalls um sie buhlenden Bodybuilders Grimbald – köstlich: Thomas Kornack. Die Protagonisten: Arthur wird von Nicholas Reinke als naiver Parzival-Tor angelegt, der im Grund nicht die Bohne Lust hat auf kriegerische Gloria. Herrlich rüpelhaft: Toomas Tähts Sachse Oswald. Wie Klaus Müller den Merlin als Bonsai-Mephisto mit Raffinesse, dazu auch seufzender Resignation ausfaltet – eine Glanztat. Amüsant Grit Paulussens koboldhafter Philidel, wie auch die übrigen Schauspielrollen kernig besetzt sind.
Musik mischt sich in die irdischen Vorgänge
Verflochten mit dem Sprechgeschehen ist das Sängerpersonal – die Zauberwelt, die Purcells Musik in die irdischen Vorgänge mischt. Durch Verdopplungen von Sprechfiguren (Philidel, Erdgeist) sickert die Tonsprache wirkungsvoll in die Szene ein, Sirenen, Priester und Volk bieten ein brillantes vokales Spektrum: Sophia Brommer (Venus-Hymne an die Briteninsel „Fairest Isle“), Stephanie Hampl, Christopher Busietta, Jan Friedrich Eggers. Cathrin Langes Cupido-Auftritt („What ho“) löst Purcells spektakulärste „Arthur“-Szene aus: die schlotternde Gequältheit des eingefrorenen Kältegeistes (Felix Rathgeber), der sich beim Auftauen durch das Energiebündel Cupido krümmt. Der Mann wird aus der Tiefkühltruhe geholt. Das Spektakel gipfelt in Skandinaviens kalten Regionen. Eric Gauthiers Ballett verbindet mit Phantasie Ungesagtes zwischen Szene und Musik, am Kältepol flirten Pinguine.
Dirigentin Carolin Nordmeyer (unterstützt von Karl Andreas Mehlings präzisem Chor) formte Purcells Musik mit farbiger Verve: den weichen hymnischen Gestus, die dramatische Linie mit den blitzenden Auftaktexplosionen, die illustrative Kraft. Das Publikum jubelte, klatschte rhythmisch. Kurz vor Purcells original still versinkenden Klängen hatte beim folkloreseligen „Your hay it is mow’d“ Toomas Täht am Schlagzeug eine dröhnende Rock-Variante eingeschoben. Irgendwie ließ von weitem Monty Python grüßen.
Weitere Termine am 12., 19., 22. Mai sowie 3. und 8. Juni.
Die Diskussion ist geschlossen.