
Christoph Schlingensief: Der sanfte Berserker

Christoph Schlingensief ist im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleiden erlegen. In den Nachrufen wird er als Provokateur und Kindskopf bezeichnet - aber auch als begnadeter Künstler und liebenswerter Mensch.
Christoph Schlingensief ist im Alter von 49 Jahren seinem Krebsleidenerlegen. In den Nachrufen wird er als Provokateur und Kindskopfbezeichnet - aber auch als begnadeter Künstler und liebenswerter Mensch.
Süddeutsche Zeitung: Heute verlor die Kunst ihren tollsten Jungen. Und die Welt den vielleicht herzlichsten Querulanten, den es je gab.
Spiegel: Er wollte ein Aufklärer sein, ein Bußprediger und Mahner. Die größte Wirkung aber hatte Christoph Schlingensief, wenn er mit genialem Blödsinn die Republik aufwühlte. Jetzt hat er den Kampf gegen den Krebs verloren - und das Land einen Künstler, der die Verhältnisse zum Wirbeln bringen konnte.
Stern: Der Apothekersohn aus Oberhausen war das Enfant Terrible der deutschenKulturszene - und zugleich ihr liebster Junge. Nett, charmant, mitgenialisch verstrubbelten Haaren tigerte er durch Berlin, inszenierteTheaterstücke, trat in Talkshows auf, kannte alle, sprach mit jedem.Seine chronische Arbeitswut war berüchtigt: ein Berserker, hart underbarmungslos mit sich und anderen, zugleich aber sanft, verletzlichund klug.
FAZ: Alles hat er gewollt, nur nicht den Tod. "Weil ich da nicht mehr denkenund arbeiten kann. Dann hänge ich vielleicht irgendwo zwischen denSternen rum und kann nichts tun, würde so gern helfen oder etwasmachen, aber kann nichts machen. Ich habe leider ganz große Angst vordiesem Himmel." Jetzt ist er dort. Und stört. Und bringt Bewegung inden Himmel. Uns fehlt er jetzt schon.
Die Welt: Scharlatan", "Provokateur" und "Enfant Terrible" - das waren dieFluchwörter, die ihm von seinen Widersachern nachgeschleudert worden.Er war das alles auch - vor allem "Enfant", Kindskopf. Aber ChristophSchlingensief war der letzte in einer Reihe sehr deutscherGroßkünstler, die den wahnwitzigen Traum vom Gesamtkunstwerk träumten -ein Nachfahre von Wagner, Kurt Schwitters, Beuys.
Er war einer der wenigen, die von der Kunst noch in jenemquasi-religiösen Sinne Erleuchtung und Erlösung erhofften, wie es das19. Jahrhundert getan hat. Er war einer der unterhaltsamsten positivVerrückten der letzten 20 Jahre. Und er war ein ziemlich netter,charmanter und schlauer Kerl.
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