Prunkvolles Türkenzelt wird in Helmstedt restauriert
Helmstedt (dpa) - Stich für Stich setzen die Frauen in den schweren Stoff. Sie restaurieren im Kloster St. Marienberg im niedersächsischen Helmstedt eines der prachtvollsten und größten Türkenzelte Europas.
In mühevoller Arbeit haben bis zu 30 Frauen in den vergangenen sechs Jahren orientalische Ornamente aus Blüten, Blättern und Ranken vorsichtig wieder als Ganzes entstehen lassen. Die ehemalige Unterkunft des Großwesirs ist ein Prunkstück der Türkischen Kammer in Dresden. Das 16 Meter lange, acht Meter breite und etwa fünf Meter hohe Zelt soll von Dezember 2009 an im Dresdener Schloss ausgestellt werden. "Es gibt wenige Zelte in dieser Größenordnung", sagt Holger Schuckelt, von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden.
Der Orient-Archäologe bereitet in der sächsischen Hauptstadt eine ständige Präsentation mit Schätzen aus der türkischen Kammer vor. "Das Zelt wird eines der zentralen Stücke der Ausstellung", verrät er. "Es wurde 1683 vor Wien erbeutet", erzählt Friederike Ebner von Eschenbach, Leiterin der Restaurierungsabteilung der Helmstedter Paramentenwerkstatt, in der seit 1862 textile Schmuckstücke für kirchliche Räume hergestellt werden - Paramente genannt. In der Werkstatt der Von Veltheim-Stiftung werden Altardecken, Wandteppiche und liturgische Gewänder in traditioneller Art gefertigt und historische Textilien restauriert. "Ich kenne in ganz Deutschland keinen anderen Ort, an dem das Türkenzelt hätte restauriert werden können", sagt Historiker Schuckelt. Eine Werkstatt mit ausreichend Platz und den Kenntnissen für so ein großes Projekt sei eine Besonderheit.
August der Starke ließ das Zelt mehrfach in den Elbauen aufbauen und gab dort rauschende Feste "a la turk". "Beim Anblick der prachtvollen Türkenzelte fielen den Europäern damals die Augen aus dem Kopf", vermutet Restauratorin Ebner von Eschenbach. Einerseits hätten sie die Osmanen gehasst, andererseits bewunderten sie die Türken wegen ihrer hohen Kultur. "Alles Türkische war schick", erzählt sie weiter.
Bis 1943 war das Zelt dann in Dresden ausgestellt. Um es vor Kriegsschäden zu schützen, wurde es in riesige Rollen eingepackt und in die Festung Königsstein gebracht. Eine der Rollen, ein Seitenteil des Zeltes, ist seitdem spurlos verschwunden. Während der DDR-Zeit wurde das Zelt dann mit anderen Kunstschätzen im Depot der Staatlichen Kunstsammlungen eingelagert. Der Zahn der Zeit nagte an dem Stoff. Bei der Flut 2002 wurde auch das Türkenzelt weiter in Mitleidenschaft gezogen. "Nun musste gehandelt werden", erinnert sich Mechtild von Veltheim, Domina des evangelischen Klosters.
Für das Deutsche Historische Museum in Berlin hatte die Helmstedter Werkstatt bis 2001 bereits ein rundes Türkenzelt restauriert. Mit rund sieben Metern Durchmesser und etwa 3,50 Metern Höhe hat auch dieses Zelt schon beachtliche Ausmaße. Seine erfolgreiche Restaurierung war Referenz für den Großauftrag aus Sachsen.
"Wenn das Türkenzelt in Dresden aufgebaut ist, wird sich unser Leben stark ändern", vermutet Mechtild von Veltheim. "Wir werden wieder ein kleineres Team sein und wir werden sicher die spannende Arbeit am Zelt vermissen." Ihre Familie hat seit jeher das verbriefte Recht, die Domina zu stellen. Nach einer fünfjährigen Pause wurde 1989 der heutige Konvent gegründet. Von den fünf Konventualinen lebt eine im Kloster, die anderen leben bei ihren Familien und gehen teilweise noch einem Beruf nach. Weitere Konventualinen, die einziehen möchten, werden gesucht, zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Pflege der Klosterschätze und die Förderung der Paramentik.
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