In den Jahren vor Christi Geburt rückten die Römer von Bregenz aus Richtung Osten und Norden vor und eroberten das von Kelten besiedelte Land. Um die Zeitenwende herum begannen sie an der Iller mit dem Bau einer Stadt, die sie Cambodunum nannten. Das heutige Kempten wurde wohl erste Hauptstadt der Provinz Rätien. Diese Funktion übernahm rund 100 Jahre später Augusta Vindelicum, das heutige Augsburg, das zuvor nur Militärlager gewesen war. Beide Städte können somit auf ein reiches römisches Erbe zurückblicken. Dieses möchten sie künftig gemeinsam erforschen, vermitteln und bewerben.
Die Kooperation besiegelten die Oberbürgermeisterin von Augsburg, Eva Weber, und der Oberbürgermeister von Kempten, Thomas Kiechle, im Archäologischen Park Cambodunum, wo jährlich rund 20.000 Besucher Ruinen und Nachbauten besichtigen. Die Zusammenarbeit der beiden größten schwäbischen Städte soll im Jahr 2028 in eine Landesausstellung an den zwei Standorten münden. „Die Römer haben in Netzwerken und Allianzen gedacht. Das tun wir nun auch wieder“, sagte Eva Weber. Jüngst geäußerte Zweifel an der Realisierung und der Finanzierung der Landesausstellung durch die Bayerische Staatsregierung wiesen sie und Thomas Kiechle zurück. „Sie kommt“, versicherte Augsburgs Oberbürgermeisterin, die ebenso wie ihr Kemptener Kollege der CSU angehört.
Eine Studie sieht "enorme Vorteile" der Zusammenarbeit
Beide betonten, wie wichtig die beiden Vorgängerstädte von Augsburg und Kempten bei der Eroberung und Besiedlung durch die Römer ab dem ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung waren. Um deren Geschichte den Menschen von heute zu erzählen, liegt eine enge Zusammenarbeit nahe. Im Prinzip besteht sie schon; nun soll sie intensiviert werden. Grundlage ist eine Studie, die beide Städte zusammen mit der Landesstelle für nichtstaatliche Museen erstellen ließen. Deren Ergebnisse sind eindeutig. „Die Erschließung des römischen Erbens kann beiden Städten enorme Vorteile bringen“, erklärt der Verfasser der Studie, der renommierte britische Archäologe Nigel Mills. „Gemeinsam hat man die Möglichkeit, etwas Neues zu schaffen, das es sonst nirgendwo in Deutschland gibt.“
Augsburg und Kempten können sich, so Mills, durch ihre Unterschiede prima ergänzen. Die einstige Stadt Cambodunum am Hochufer der Iller und damit am Rande der heutigen City wurde nur teilweise überbaut. Deshalb konnten durch Grabungen immer wieder Mauern und damit Strukturen der planmäßig angelegten Siedlung freigelegt werden. Schon in den 1980er-Jahren baute Kempten den Tempelbezirk nach, schützte die einstigen kleinen Thermen mit einem Gebäude und erklärte dieses Freilichtmuseum zum „Archäologischen Park Cambodunum“.
Einzigartig in Süddeutschland
Seit 2019 graben Münchner Archäologen immer wieder in der Kemptener Erde, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. 2022 stießen sie auf die Mauern eines repräsentativen Wohnhauses im Zentrum der ehemaligen Römerstadt mit Fußbodenheizungen sowie einer privaten Therme und Wandmalereien. Das ließ die Ausgrabenden um den Münchner Professor Salvatore Ortisi jubeln. Die Mauern gehören zu den ältesten urbanen Steinhäusern in Deutschland, erbaut vermutlich in den Jahren 20 bis 40. „Wir haben einen wichtigen Teil der zentralen römischen Wohnbebauung von Cambodunum vollflächig und gut erhalten vorgefunden“, sagt Kemptens Stadtarchäologin Maike Sieler. „Ein süddeutschlandweit einzigartiger Befund.“
Mit Hinblick auf die Landesausstellung und der damit fließenden Gelder können sich die Kemptener eine mehr oder weniger aufwendige Überdachung dieser Ruinen vorstellen. „Wir prüfen, was finanziell möglich ist“, sagt Kemptens Kulturamtsleiter Martin Fink.
Immer wieder kommen Artefakte aus dem Boden
Für Augusta Vindelicum, wo der römische Statthalter von Rätien residierte, liegt die Sache anders. Dort wurde die einstige römische Provinzhauptstadt, die laut Ortisi eine ähnliche Bedeutung hatte wie Mainz, Wien oder Budapest, überbaut. Im Lauf der Zeit kamen immer wieder Skulpturen, Denkmäler und Inschriften aus dem Boden.
Daraus ist eine Sammlung mit qualitativ hochwertigen archäologischen Funden entstanden. Von 1966 bis 2012 wurden sie in einem römischen Museum in der ehemaligen Dominikanerkirche präsentiert. Weil das Gebäude nun saniert wird, sind römische Exponate derzeit in der Toskanischen Säulenhalle ausgestellt. Langfristig plant Augsburg ein Römermuseum. Derzeit läuft eine Machbarkeitsstudie, bei der ein Standort festgelegt werden soll, erläutert Augsburgs Kulturreferent Jürgen Enninger.
Bis zur Landesausstellung 2028 werde solch ein Museum aber nicht realisiert werden können. Für eine Präsentation des römischen Erbes von Augsburg bei der Landesausstellung würde laut Oberbürgermeisterin Weber das Ausstellungszentrum Glaspalast infrage kommen.