
Schöpferin des "kleinen Angsthasen" wäre 90 Jahre

Leipzig/Berlin (dpa) - Als Kind hatte Elizabeth Shaw vor vielen Dingen Angst. So wurde "Der kleine Angsthase" ihr kleines Alter-Ego - und eine der beliebtesten Kindergeschichten in der DDR.
In diesem Jahr wäre die irische Wahl-Berlinerin (am 4. Mai) 90 Jahre alt geworden. Den Hasen mit den zitternden Barthaaren und den weit aufgerissenen Augen zeichnete Shaw mit klaren, kräftigen Strichen - fast wie im Comic. Das war 1963 ungewöhnlich und der Ost-Berliner Kinderbuchverlag war zunächst skeptisch.
Doch die Geschichte, wie aus dem Häschen ein mutiger Hase wird, wurde von Kindern und auch Erwachsenen begeistert aufgenommen. In rascher Folge veröffentlichte die Schriftstellerin, Illustratorin und Karikaturistin weitere 22 Bilderbücher - darunter die Schweinchen- Story "Zilli, Billi und Willi" und "Bella Belchaud und ihre Papageien" über "eine ältere, lebhafte Dame" und ihre Shakespeare rezitierenden Vögel.
Zur Leipziger Buchmesse (18. bis 21. März) gibt es jetzt "Angsthasen"-Theater in der Messestadt. Das Bilderbuch-Museum im nordrhein-westfälischen Troisdorf bereitet zudem eine Retrospektive mit Shaw-Werken vor.
Auch in dem nach Verlagsangaben mittlerweile 150 000-mal verkauften Sammelband "Erzähl mir vom kleinen Angsthasen - Die schönsten Kindergeschichten der DDR" sind Shaws Schöpfungen zu finden. Ebenso in dem gerade erschienenen Folgetitel "Von Tuppi, Krawitter und Schweinchen Jo - Klassische Kindergeschichten der DDR" (Der Kinderbuchverlag, Verlagsgruppe Beltz, Weinheim/Basel) mit teils vergriffenen Kinderbuch-Geschichten.
Am 4. Mai 1920 wurde Shaw in Belfast geboren. Ihr Kunststudium musste sie 1940 unterbrechen, um ihren Kriegsdienst abzuleisten. Während Shaw bis 1944 als Mechanikerin arbeitete, wurden erste Zeichnungen von ihr veröffentlicht. 1944 heiratete sie den deutschen Bildhauer und Maler René Graetz, der in London im Exil lebte. Das Paar zog zwei Jahre später nach Berlin und ließ sich schließlich im Ostteil der Stadt nieder.
Nicht zuletzt aus Geldnot begann Shaw als freischaffende Künstlerin zu arbeiten. "Anfang der 60er Jahre war unsere finanzielle Lage wieder einmal kritisch, und wir mussten die Ferienplätze zurückgeben, weil wir sie nicht bezahlen konnten, so schrieb ich schnell die Geschichten "Der kleine Angsthase" und "Gittis Tomatenpflanze"", heißt es in Shaws Erinnerungen.
"Meist schrieb ich sehr moralische Geschichten, weil ich diesen missionarischen Eifer verspüre, der mich zur politischen Karikatur gebracht hat", beschrieb die Autorin ihre Arbeit. "Ich wollte ganz bestimmte Werte wie Mut, Freundlichkeit und die Vorstellung vermitteln, dass man nicht nur für sich selbst lebt. Kinder haben ein ausgeprägtes Gefühl für Gut und Böse und einen starken Gerechtigkeitssinn, bis die Welt der Erwachsenen diese Werte durcheinanderbringt."
Shaw zeichnete Karikaturen für den "Eulenspiegel" und die SED- Zeitung "Neues Deutschland". Einen Großauftrag bekam sie von der Akademie der Künste: 1959 porträtierte sie alle 43 Akademie- Mitglieder von Anna Seghers über Paul Dessau bis zu Helene Weigel. Die Künstlerin illustrierte Werke von Karl Marx bis Bertolt Brecht. Shaw starb am 27. Juni 1992 in Berlin.
In Leipzig zeigt das Puppentheater Magdeburg im Schille- Theaterhaus (Sonntag 21.3./11.00 Uhr) das "Angsthasen"-Stück mit dem gefräßigen Fuchs, dem klitzekleinen Ulli und natürlich dem Hasen persönlich. Das Bilderbuch-Museum Troisdorf dokumentiert Shaws Lebenswerk vom 25. April bis 26. Juni mit einer großen Werkschau. Neben den Bildern aus den Kinderbüchern sind auch Künstlerporträts und Reisezeichnungen zu sehen.
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