
Sibylle Bergs böse Parabel "Hauptsache Arbeit"

Stuttgart (dpa) - Verlorene Glückssucher, Verdränger, dumpfe Weitermacher - was sich da so an Charakteren im Schiff auf der Bühne versammelt ist ganz schön gruselig.
Sibylle Berg, Erfolgsautorin aus Zürich, hat den Haufen blasser Versicherungsangestellter dort zu einem Betriebsausflug zusammenkommen lassen. "Hauptsache Arbeit" heißt Bergs neustes Stück, das sie speziell für das Stuttgarter Schauspiel geschrieben hat. Das Publikum der Uraufführung bedachte die sehr böse Parabel über die Zustände unserer Arbeits- und Lebenswelt mit langem aber nicht begeistertem Applaus.
Begeisterung war vielleicht schon deshalb ausgeschlossen, weil den Zuschauern nicht selten das Lachen im Halse stecken blieb. Diese Namenlosen da oben in den sieben engen Schiffskabinen sind ja genau wie wir, mag sich der eine oder andere gedacht haben. Fixiert auf die Arbeit, als Anhängsel eines Systems, dessen Sinn sie schon lange nicht mehr verstehen. Gruslig eben. Inszeniert wurde das Stück von Intendant Hasko Weber, für die Dramaturgie zeichnete Jörg Bochow verantwortlich.
Bergs Pfund ist die pointierte, die bissige Sprache. Ihr Stück verliert jedoch im Laufe der 100 Minuten leider etwas an Fahrt. Mit ihrem Roman "Ein Paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" (1997) ist die Thüringerin zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren aufgestiegen. Ihr Spielfeld diesmal: unsere Arbeitswelt. "Hauptsache Arbeit" als Spiegel für alle Weitermacher.
Der Chef der Versicherungsangestellten ("Ich bin der Einzige, der arbeitet in diesem Betrieb"), dargestellt von Florian von Manteuffel, muss Personal "freisetzen" und veranstaltet auf dem Schiff "paardynamische Spiele": Wer gewinnt, kann seinen Arbeitsplatz behalten - die Verlierer dürfen "mit Freude" die neuen Möglichkeiten nutzen, die ihnen der freie Markt so bietet. Bei der Auswahl behilflich ist der unvermeidliche Motivationstrainer, eine fiese Ratte. "Ihr wollt Euch hassen? Ihr werdet Euch hassen!" Sie müssen darüber referieren, wie die Firma ihr Leben verändert hat. Sie dürfen andere mit Stromschlägen bestrafen.
Das verzweifelte Ringen um den eigenen Arbeitsplatz, mit dem sich die skurrilen Angestellten allerdings so gar nicht recht identifizieren wollen, wird zum aberwitzigen Ringen um Sinn überhaupt. Denn den gaukeln sich die sieben Angestellten - und ihr Boss aber auch - nur noch vor. "Manchmal geh' ich vollkommen in dem, was ich tue, auf, wenngleich ich nicht genau weiß, was es ist. Es findet im Computer statt", sagte der eine. "Ich hätte nichts dagegen, ausgelöscht zu werden", gesteht eine andere. Und Chefdramaturg Bochow sieht es so: "Damit werden die namenlosen Figuren in Bergs Stück exemplarisch, stehen die Versicherungsangestellten für das Psychogramm einer ganzen Gesellschaft."
"Hauptsache Arbeit" gastiert am 13. April am Deutschen Theater Berlin bei den Autorentheatertagen.
Die Diskussion ist geschlossen.