Die Show war nur lau und „Green Book“ war der falsche „Beste Film“ - beides zeugt von einem grundsätzlichen Problem der Branche.
Nein, so kann es nicht weitergehen. Wenn es in Hollywood als der mächtigsten Unterhaltungsfabrik der Welt nicht mehr gelingt, aus den Oscars als größte Starparade des Jahres samt Vergabe der bedeutendsten Preise der Filmbranche eine auch nur halbwegs funktionierende Show zu machen, dann stimmt hier etwas nicht mehr. Grundsätzlich. Und das reicht dann weit über dieses Jahr und die Frage, ob die Richtigen ausgezeichnet wurden, hinaus.
Oscars 2019 - warum eine ganze Branche in der Krise ist
Aber zunächst zum Konkreten. Schon lange vor der Verleihung war das unsichere Wanken der verantwortlichen „Academy“ Richtung Zukunft ja offenkundig. Sollte man aufgrund sinkender Zuschauerzahlen die neue Kategorie „Bester Populärer Film“ einführen, um so die Superhelden-Streifen glotzenden Massen einzubinden?
Die Filme der ja eigentlich mit dem Kino konkurrierendenden Streaming-Dienste draußen lassen und dadurch etwa „Roma“ missachten, sicher eines der bildstärksten Werke des Jahres? Und die Show verkürzen, indem man wesentliche technische Kategorien in die Werbepausen verlegt?
Zusammengenommen zeugt bereits das von einer ausgereiften Identitätskrise. Und das nach all den Querelen der vergangenen Jahre über nicht hinreichende Berücksichtigung von Frauen und Schwarzen unter Nominierten und Preisträgern. Quoten, Politik und Medienwandel – da ist ja aber auch mächtig was in Bewegung gekommen in den vergangenen Jahren.
Kitsch und Verzagtheit: Die Oscars 2019 waren ein doppeltes Desaster
Und die Antwort der Oscars 2019 nun? Eigentlich ein doppeltes Desaster. Was nämlich die Show angeht: Aufgrund des Rückzugs des vorgesehenen Kevin Hart wegen homophober Vorbelastung – der wieder dreieinhalbstündige Abend in Los Angeles verkam erstmals ohne durchgehende Moderation zur bloßen Nummernrevue, ohne Reflexion, ohne Selbstdistanz.
Aber natürlich mit den üblichen moralischen und politischen Bekenntnissen und Appellen. Was zu zweitens führt: Definitiv dem falschen Sieger als „Bester Film“ in diesen Zeiten. Drei der acht Nominierten beschäftigten sich mit afroamerikanischen Themen, vier der acht fallen in den derzeit beliebten Bereich „basiert auf einer wahren Geschichte“.
Bester Film bei den Oscars: "Green Book" hätte nicht gewinnen dürfen
„Green Book“ ist beides, macht aber aus der echten Geschichte des erlittenen Rassismus ein sozialkitschverhaftetes Schmunzel-Märchen, das den Schmerz nur kennt, um dessen Lösung sentimental und moralisierend im Happy-End arrangieren zu können. Und das 2019! Nach Oscar-Siegern wie „12 Years A Slave“ und „Moonlight“! Bevorzugt gegenüber Spike Lee! Da wäre sogar der schwarze Superhelden-Knüller „Black Panther“ die deutlich bessere Wahl gewesen als „Green Book“.
Ein alternatives Showkonzept kann mal daneben gehen und die Wahl eines Siegers kann mal die falsche sein. Aber hier zeugt beides von etwas künstlerisch generell Bedenklichen und gerade heute noch zusätzlich Fatalen: Verzagtheit.
Wie die Oscars 2019 die Krise der Filmbranche zeigen
Vielleicht erinnern Sie sich noch: Catherine Deneuve hat sehr umstritten hinein in die #MeToo-Debatte gewarnt, die Beziehungen der Geschlechter könnten nun zurück in eine doch überwundene Unfreiheit und Prüderie fallen. Genau dies jedenfalls trifft hier auf das Verhältnis von Kunst, Show und Wirklichkeit zu.
Beherzt und eigenwillig soll der Film auf den Menschen blicken, mit Mut zum doppelten Boden soll die Unterhaltung sich selbst als Show begreifen!
Darum muss die Oberflächlichkeit dieser Oscars über sie hinaus Sorgen machen. In einer Welt, einer Gesellschaft der zunehmenden Polarisierungen, angesichts gegenwärtiger Unsicherheiten und künftiger Unabsehbarkeiten: Wer nichts riskieren will, riskiert hier unversehens alles.
Es lebe der Zweifel! Denn so kann es nicht weitergehen …
Die Diskussion ist geschlossen.