
Mobilmachung Rosenkavalier

Die Strauss-Oper zum Strauss-Jahr 2014 endet in Schutt und Asche
Ulm Von Zeit zu Zeit sieht man den Alten gern – also den nun gut 100 Jahre alten „Rosenkavalier“ mit seiner literarisch und musikalisch kunstfertig überhöhten Operettenstory, die voller Beischlafwünsche steckt und voller Vergänglichkeitsmelancholie. Er ist eine große Oper, und der Anspruch, der gestellt werden muss an eine Bühnen-Realisierung im Richard-Strauss-Jahr 2014, ist gewiss nicht gering. Kann ihn ein Theater wie Ulm erfüllen – mit seinen Sängern, mit seiner Orchesterbesetzung, mit seinem Etat?
Es geht – mit Abstrichen, die erstaunlicherweise fast mehr dort zu finden sind, wo Finanz- und Personalpotenz kaum eine Rolle spielen.
Wie in mancher Inszenierung zuvor (Götz Friedrich/Herbert Wernicke) wird auch am Theater Ulm im ersten Akt „Vergangenheit gespielt“: eine „k. & k.“-Vorkriegsgesellschaft um 1913 pflegt immer noch uralte Wiener Rokoko-Manieren. Dann im zweiten Akt, erhebt sich das Faninal-Palais mit architektonischen Art-déco-Vorgriffen neureich. Im dritten Akt schließlich wird das Beisl zur Mobilmachungsklosterwirtschaft – und der Liebestraum zwischen Sophie und Octavian, der „nicht wirklich sein kann“, schwebt finalemente über Kriegsschutt. Bis zum Schutt ist das unaufdringlich, die Epoche der Opernentstehungszeit reflektierend, bildkräftig (Bühne/Kostüme: Detlev Beaujean/Angela C. Schuett).
Nicht ganz auf dieser Höhe bewegt sich Matthias Kaiser, dem zwar eine das Hofmannsthal-Libretto genau umsetzende Personenregie angelegen scheint, der aber doch nicht verhindert, dass oft schauspielerisch-inaktiv in den Orchestergraben hineingesungen wird, und dass die lerchenauischen Trunken- und Grapschbolde als Klischee wie von einer Operetten-Reisetruppe präsentiert sind.
Musikalisch aber beurteilt, reichen sich wunderbare Momente und problematische Passagen die Hand. In den Akt-Vorspielen kämpft das Orchester unter Timo Handschuh regelmäßig. Andererseits gelingen die Schlüsselszenen (Zeitmonolog, Rosen-Überreichung, Schluss-Terzett) erstaunlich, in Teilen gar ergreifend schön – nicht zuletzt weil dem Theater ein präsenter Octavian (I Chiao Shih) sowie eine Sophie von liebreizendem Timbre und herrlich biegsamem Sopran zum ais hinauf zur Verfügung stehen (Maria Rosendorfsky). Oxana Arkaeva (Feldmarschallin) genügt den Anforderungen meist nur in der mezza voce. Christian Tschelebiew, der ein wenig pumucklhaft den Ochs mimt, singt seine erotischen Obsessionen zuverlässig, doch nicht voluminös genug. Starker Premieren-Applaus.
Nächste Aufführungen 28., 31. Januar sowie 5., 7., 13., 19., 22., 28. Februar
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