Was haben uns Luxemburg und Liebknecht heute noch zu sagen?
Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden vor 150 Jahren geboren und wollten die sozialistische Revolution. Ein Blick auf die Freiheit der Andersdenkenden.
Gerührt, wütend sein konnte man vor wenigen Tagen erst. Da saß die Künstlerin Suse Wächter im Rahmen des Augsburger Brechtfestivals mit einer kleinen zarten Puppe in Händen am Berliner Landwehrkanal und sang des Dichters „Ballade vom ertrunkenen Mädchen“. Aber wie Rosa Luxemburg just hier als Staatsfeindin entsorgt wurde, nachdem sie zuvor praktisch zeitgleich mit ihrem Mitstreiter Karl Liebknecht von den Schergen der Garde-Kavallerie-Schützen-Division erschossen worden waren – als Märtyrertod erinnert mindestens die Linke daran stets zum Jahrestag jenes 15. Januar 1919.
Jetzt, da Luxemburg an diesem Freitag vor 150 Jahren geboren wurde und in wenigen Monaten der gleiche Anlass bei Liebknecht folgt, ist aber die Frage: Was haben sie uns heute noch zu sagen? Als erhaben wie Kants Imperativ oder die Bergpredigt wird ja ihr Satz noch immer und gerade in heißen Diskurszeiten wie den aktuellen wieder zitiert: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Und vorbildhaft wird auch seiner Unbeugsamkeit im Ringen gegen den Krieg und gegen den Imperialismus, gegen jede Obrigkeit, die nicht tatsächlich dem Volk dient, gemahnt. Aber wozu?
Klein von Gestalt, war Rosa Luxemburg doch nicht aufzuhalten
Gemeinsam wollten sie die sozialistische Revolution, die Freiheitsbewegung der Arbeiter, gründeten Spartakusbund, Internationale, die KPD. Sie: Im damals kongressrussischen Polen als Rosazalia Luxenburg geboren, Jüdin, Tochter eines Holzhändlers, blitzgescheit, hochgebildet, schon früh aus eigenem Antrieb politisch agitierend, und bei einer äußeren Erscheinung von nur 1,50 Meter Größe und leichtem Hinken unermüdlich und selbst in ihrem Wirken von keiner Grenze zu halten – so kam sie ins Deutsche Reich. Er: Als Sohn des SPD-Mitgründers Wilhelm Liebknecht, mit Marx und Engels unter den Paten im Taufregister, quasi ins Politische geboren, zunächst Jurist, dann aber bald öffentlich ein brillanter Redner, Anwalt der Arbeiter, Verkünder der „freien sozialistischen Republik Deutschland“ vom Berliner Stadtschloss zum Kriegsende 1918.
Sie stritten auch miteinander, über die Bewaffnung des Volkes etwa, den richtigen Zeitpunkt zur Revolution, über die richtige Auslegung von Marx. Aber gemeinsam verachteten sie den Opportunismus, das Arrangieren mit der Macht um der Macht willen. Das könnte man der Politik tatsächlich zeitlos ins Stammbuch schreiben. Die Internationale, sie müsste angesichts der Weltlage wohl nicht mehr als Klassen-, sondern als Menschheitsfrage begriffen werden – weil die Globalisierung (auch der Probleme) die Benachteiligten zum Schicksal der Wohlhabenden macht.
Luxemburg und Liebknecht helfen zu verstehen
Und die Freiheit der Andersdenkenden? Hatte Luxemburg diese in der Diktatur des Volkes, in einer kommunistischen Demokratie auch ihren Feinden zugedacht? Hass säen und Realität leugnen – das war bei ihr Kennzeichen der Obrigkeit. Heute hat beides gerade als Ausdruck der Freiheit Konjunktur. Dazwischen liegt: Eine Gesellschaft, die über Grenzen der Freiheit bestimmen muss. Liebknecht und Luxemburg bieten keine Antworten für heute. Sie helfen aber beim Verständnis, wo wir heute stehen.
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