Wie das Münchner Volkstheater "radikal jung" wird
Am Samstag startet am Münchner Volkstheater das Festival „radikal jung“. Intendant Christian Stückl erzählt, wie es aus einem Zufall heraus entstanden ist.
Herr Stückl, seit 15 Jahren veranstalten Sie im Münchner Volkstheater das Festival „radikal jung“. Welche Idee steckt dahinter?
Christian Stückl: Als ich das Münchner Volkstheater übernommen habe, war es in einem desolaten Zustand. Die Frage war damals, wie wir damit umgehen, dass wir sehr viel weniger Mittel als die Münchner Kammerspiele und das Residenztheater haben. Und da haben wir gesagt, dass wir uns erst einmal um die Jungen kümmern.
Was haben Sie darunter verstanden?
Stückl: Das hieß, dass wir junge Schauspieler einstellen und mit jungen Regisseuren zusammenarbeiten. Seit Beginn bin ich der älteste Regisseur im Haus. Ganz am Anfang haben wir zielstrebig darauf hingearbeitet, dass wir das Haus umkrempeln.
Das ist bis heute so geblieben?
Stückl: Ja, wobei es sich immer ein bisschen verändert, insofern dass die anderen Häuser im Lauf der Zeit da nachgezogen haben. Mittlerweile ist der Kampf um die jungen Regisseure kein kleiner. Alle Häuser schauen auch darauf, dass sie junge Leute ins Theater, auf die Bühne und auf die Regiepulte bringen.
Wie kam es zu dem Festival?
Stückl: Ich bin damals zufällig in meinem Bücherregal auf ein Buch aus den 1990er Jahren gestoßen, in dem junge Regisseure vorgestellt wurden. Da war ich selber mit dabei. Wir haben uns gefragt, wer in den 2000er Jahren zu den jungen Regisseuren zählt. Wir haben eine Jury gebildet, sind rumgefahren, haben uns unterschiedliche Regisseure angeschaut. Und danach haben wir das Buch wieder aufgelegt.
Aber das war nicht alles?
Stückl: Nein, wir haben auch gesagt, dass wir die drei besten Arbeiten, die wir gesehen haben, nach München einladen. Damit war das Festival geboren – eigentlich ein Zufallstreffer, weil wir ja ein Buch geschrieben haben. Ich hatte Glück, dass ich da auch Gelder auftreiben konnte. Im zweiten Jahr haben wir gesagt, dass wir wieder ein Buch herausgeben. Aber nur ein Buch ist im Theaterbereich langweilig. Im zweiten Jahr haben wir alle zehn Regisseure eingeladen, die wir im Buch beschrieben haben.
Was hat dieses Festival im Volkstheater bei Ihnen ausgelöst?
Stückl: Das war ein wichtiger Punkt. Auf der einen Seite haben wir ein junges Publikum gewonnen, auf der anderen Seite haben wir gemerkt, dass auch Publikum aus den anderen Häusern zu uns kam. Am meisten hat uns beflügelt, dass wir eine Jury hatten, die im Vorfeld 50 bis 60 Inszenierungen von jungen Regisseuren gesehen haben. Wir hatten dadurch schon sehr früh Kontakt zu den jungen Regisseure, die dann auch bei uns arbeiten konnten.
Das Programm ist über die Jahre gewachsen. Mittlerweile sind es mehr als zehn Inszenierungen, die Sie zeigen.
Stückl: Das ist gewachsen. Im dritten Jahr haben wir ein Zelt aufgestellt, dann haben wir auch Publikumsgespräche angeboten. Im achten Jahr haben wir gesagt, dass wir über den Tellerrand hinausschauen. Wir haben dann Inszenierungen aus Israel, Ungarn, Polen, also von überall her eingeladen. Jetzt sind wir jedes Jahr bei 14 bis 15 Inszenierungen. Das geht aber nur, weil es auch kleine Produktionen sind. Wir wollen das Ganze nämlich schon bei uns im Haus halten.
Was zeichnet junge Regisseure heute aus?
Stückl: In der Zeit, als ich Regisseur geworden bin, gab es noch keine Regie-Ausbildung an Hochschulen gegeben. Der klassische Weg damals war, an Theaterhäusern zu assistieren. Ich war an den Kammerspielen. Und wenn der Intendant das Zutrauen hatte, dann hat man eine Arbeit bekommen. Danach war es immer ein schmaler Grat: Wie sehr inszeniert man wie der Intendant und inwieweit findet man seine eigene Handschrift.
Und wie ist die Situation heute?
Stückl: Heute kommen die jungen Regisseure alle von Hochschulen. Dort haben sie ganz andere Sachen ausprobiert. Sie bringen ihre eigenen Ideen mit und überlegen sich vorher nicht, ob und wie das zum Haus passt. Spannend ist immer auch, wer sich mit seinen Arbeiten am Theater durchsetzt.
Was hat sich verändert?
Stückl: Heute arbeitet man mit dem Licht anders, setzt Videos viel stärker ein, wobei man da das Gefühl hat, dass diese Zeit langsam auch schon wieder vorbei ist. Theater ist nur dann spannend, wenn es ständig in Bewegung bleibt.
Zur Person Christian Stückl, 1961 in Oberammergau geboren, leitet seit 2002 das Münchner Volkstheater. Er hat die Oberammergauer Passionsspiele 1990, 2000 und 2010 inszeniert.
Termin Das Festival „Radikal jung“ findet vom 27. April bis zum 5. Mai am Münchner Volkstheater statt. 14 Inszenierungen junger Regisseure und Regisseurinnen sind dann dort zu sehen. Es sind Produktionen aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, USA, Niederlande eingeladen.
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