Erster Preis für Popliteratur: Alard von Kittlitz gewinnt mit "Sonder"
In Augsburg wird die Popliteratur gefeiert – mit einem Preis und Sieger Alard von Kittlitz. Aber was ist Popliteratur eigentlich?
Deutschland ist das Land der Literaturpreise, knapp tausend, aber ganz genau weiß es niemand. Gibt es da also irgendeine Notwendigkeit für noch einen weiteren? Einer, der „halb aus einer Schnapslaune“ heraus entstanden ist und dessen Titel dann doch erst einmal erklärt werden muss, bevor es zur Vergabe geht? Die Moderatorin also auf der Bühne fragt: „Was ist eigentlich Pop? Popliteratur?“ Und man da schon wieder mal ein bisschen verwundert ist, wie lange sich Fragen halten können, zu denen es schon so derartig viele Antworten gibt – wobei, vielleicht gerade deswegen. „Alles, was Walser nicht ist“, lautete übrigens die griffigste vor langer langer Zeit formulierte, als Christian Kracht noch ziemlich jung war und seinen Helden in „Faserland“ eben durch die Republik geschickt hatte.
Das Augsburger Literaturhaus hat den Popliteraturpreis erfunden
Seit über zwei Jahrzehnten jedenfalls geistert die Frage durch die Literaturlandschaft, wehren sich Literatinnen und Autoren entschieden gegen die Zuschreibung, freuen sich andere übers Label. Was es aber in dieser Zeit nicht gab: einen Preis! Den hat neu das Augsburger Literaturhaus, ein literarischer Zirkel ohne Haus, ausgelobt: der erste deutsche Popliteraturpreis oder, um genauer zu sein, Literaturpreis für Magic, Pop und Ewigkeit mit einem Preisgeld von 3000 Euro. Und gratulieren darf man nun Alard von Kittlitz, der für seinen Roman „Sonder“ als erster Sieger ausgezeichnet wurde.
Was also ist nun heute Popliteratur? Der eigentlich „unmögliche Versuch, die Verwirklichung der Unsterblichkeit durch Kurzfristigkeit zu erlangen“, so der Deutungsansatz von Jurymitglied Eckhart Nickel, Popliterat der ersten Stunde, der später für jeden der drei Finalisten lässig wippend den passenden Song präsentieren wird. Oder auch, wie es der Literaturwissenschaftler Stefan Bronner, Leiter des Literaturhauses, und seine Kolleginnen in ihrer Definition formulieren: Gute Literatur, die unterhält, auf mehreren Ebenen lesbar ist, Lebensgefühl vermittelt, aber dabei auch großen Anspruch hat. „Die schönste Form der Ernsthaftigkeit.“
Die große Zahl der Einsendungen für den Popliteraturpreis überrascht
Ein weites, weites Feld also, was sich auch in der Zahl der Einsendungen für den Preis widerspiegelt, von der auch das Team des Literaturhauses überrascht war. War schon mal so viel Pop? Und was sich auch an den Werken der drei Finalisten zeigt: „Identitti“ von Mithu Sanyal, in dem sie launig und unverkrampft die aktuellen Identitätsdiskurse abhandelt, mit Textformen spielt, sich sogar Tweets für den Roman schenken ließ – wenn das nicht Pop ist! Die Preisgala muss ohne sie auskommen, Lesereise, was Sanyal aber durch schön inszenierte Videobotschaften wettmacht – bei einer trägt sie einen Vulva-Hut.
Dann die Bernerin Anaïs Meier mit dem Roman „Mit einem Fuss draussen“. Meier erzählt skurril und mit eigenem unverkennbarem Ton von einem schrägen Außenseiter. Lebensgefühl, auch Pop also – aber von einem, der eben nicht mit beiden Beinen in der Gesellschaft steht.
„Die Zukunft des Pops“ wird die Jury (neben Nickel die Sängerin Polina Lapkovskaja) später zu diesem Roman sagen. Den Preis für die Popliteratur der Gegenwart an den „doppelbödigen“ Roman „Sonder“ von Kittlitz geben: Wissenschaftskrimi, Abenteuerroman, in dem ein Produktdesigner (eindeutig Pop) für eine Tech-Firma ein Gerät zur Steigerung der Gehirnleistung zur Marktreife bringen soll. „So exotisch wie Kracht“, stand in einer Besprechung, von Kittlitz sagt, er freue sich irre. Offiziell nun Popliterat. „Ich finde den Begriff so schillernd und groß, dass ich gerne unter seinem Mantel Schutz suche.“
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