Wohl kaum ein anderer Filmemacher hat seine persönliche Handschrift über die Jahrzehnte derart kultiviert wie Wes Anderson. Die bunte Farbpalette. Die statische Kameraarbeit, die jede Einstellung wie ein Stillleben aussehen lässt, und die skurrile Ausstattung, die Zeithistorisches ins Surreale transzendiert. Das große Arsenal an prominenten Schauspielenden, die ihre Dialoge mit mimischem Minimalismus vortragen, dazu die handwerklich liebevoll gestalteten Kulissenbauten, die munter ihren künstlichen Puppenhauscharakter zur Schau stellen. All das findet sich nun auch in Andersons neuem Film „Der phönizische Meisterstreich“. Allerdings setzt der Regisseur einen ungewöhnlich gewalttätigen Auftaktakkord an den Anfang: An Bord eines Privatflugzeuges des Multimillionärs Zsa-Zsa Korda (Benicio Del Toro) explodiert eine Bombe, die den Oberkörper des Flugbegleiters wegreißt, während aus dem Unterleib die Blutfontänen vor sich hin gurgeln.
Wes Andersons „Meisterstreich“ beginnt mit einem Blutbad
Weitgehend unberührt blickt Korda auf das Blutbad, klettert nach vorne ins Cockpit, schießt den verletzten Piloten mit dem Schleudersitz hinaus und bringt das Flugzeug zur Bruchlandung. Anschläge auf Leib und Leben gehören Mitte der 1950er-Jahre zum Berufsalltag des zwielichtigen Geschäftsmannes, der sich mit seinen rücksichtslosen Methoden viele Feinde gemacht hat. Aber auch diesen Flugzeugabsturz überlebt Korda.
Dennoch lässt ihn der Unfall über eine mögliche Erbfolge nachdenken. Die älteste Tochter Liesl (Mia Threapleton) wird auserkoren, um das väterliche Geschäftsimperium zu übernehmen. Widerstrebend lässt die angehende Nonne sich darauf ein, den Vater zusammen mit dem Assistenten Bjorn (Michael Cera) bei einer Geschäftsreise zu begleiten.
Willem Dafoe tritt im Film als Engel und Bill Murray als bärtiger Gott auf
Korda will die Tochter für ein gigantisches Infrastrukturprojekt in einem fiktiven nordafrikanischen Land begeistern, das durch einen Eisenbahntunnel und einen Schifffahrtskanal immense Profite generieren soll. Die Chefs der internationalen Finanzmärkte unter Leitung von Excalibur (Rupert Friend) haben sich gegen das Projekt verschworen und versuchen durch Aktienmanipulation die Preise in die Höhe zu treiben. Und so müssen Vater und Tochter alle Investoren abklappern, um die Finanzierungslücke zu schließen. Vom arabischen Prinzen (Riz Ahmend), über amerikanische Eisenbahngesellschafter (Tom Hanks, Bryan Cranston), französische Nachtclubbetrriber (Mathieu Almaric), den Reedereibesitzer Marty (Jeffrey Wright), die Cousine zweiten Grades Hilda (Scarlett Johansson) und den ungeliebten Onkel Nubar (Benedict Cumberbatch) wird das Spektrum der zwielichtigen Geschäftspartner aufgefächert.
Währenddessen gehen die Anschläge auf den Multimillionär weiter. In den dazugehörigen Nah-Tod-Erfahrungen treten noch Willem Dafoe als Engel und Bill Murray als bärtiger Gott auf. Wie schon in den letzten beiden Filmen „Asteroid City“ (2023) und „French Dispatch“ (2021) wird die Liste der Stars, die sich in Andersons Filmen die Klinke in die Hand geben, immer länger. Das führt in diesem Fall dazu, dass sich die Angelegenheit über weite Strecken wie eine surreale Arthouse-Nummernrevue anfühlt. Natürlich ist das alles schön anzusehen. Die allesamt im Studio Babelsberg aufgebauten Filmsets sind jedes für sich ein eigenes Kunstwerk. Anderson-Fans können sich hier gründlich satt sehen. Und auch in das wunderbar verwitterte Gesicht von Benicio Del Toro, der den kaltherzigen Tycoon auf Sparflamme langsam auftauen lässt, blickt man ebenso gerne wie in die blauen Augen von Mia Threapleton, die hier als aufgeweckte Novizin mit staubtrockenem Charme überzeugt.
Mit seinem neuen Werk stagniert Wes Anderson in seiner Filmkunst
Die Annäherung zwischen dem kapitalistischen Monstervater und der moralisch integren Tochter bildet das Zentrum der Geschichte, die jedoch nie wirklich zu Herzen geht und sich mit ihren zahllosen Verästelungen zunehmend in narrativer Beliebigkeit verliert. „Der phönizische Meisterstreich“ ist gleichzeitig ein weiterer Beweis für Andersons stilistische Perfektion, mit der er sich erneut als König des Manierismus profiliert, wie auch seiner künstlerischen Stagnation, in die sich der Ausnahme-Filmemacher während der letzten Jahre eingesponnen hat, ohne sich wirklich weiterzuentwickeln.
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