In einem Promovideo für ihr Konzert in Leipzig Ende März fragt Kristina Paulini, ob man sich vorstellen könne, wie wohl eine Kollaboration zwischen Deichkind und Ikkimel klingen mag. Die implizite Antwort wäre, es klingt nach ihrer Band, den Fliegenden Haien. Deichkind gehören zu Hamburgs grauer Hip-Hop-Eminenz und haben das oft sehr unironische Rapgeschäft in einen knallbunten Kindergeburtstag für berauschte Erwachsene verwandelt, Ikkimel ist Tempelhofs Alptraum für toxische Männlichkeit, die deren Vertretern ihre misogynen Äußerungen mit Hyperpop-Klatschen doppelt und dreifach um die Ohren fliegen lässt. Der Vergleich ist also treffend, vereinen die Fliegenden Haie explizite Lyrik mit niveauvollem Geballer, Aktivismus mit Hedonismus und Trashkultur mit Stil – auch wenn sie in ihrer aktuellen Single „Jaws“ klarstellen: „Wir sind nicht trashig, wir sind très chic“.
Die Fliegenden Haie beginnen ihre Tour am 1. März in der Soho Stage
„Jaws“ ist übrigens so etwas wie ihre offizielle Bandhymne, und wer eine Bandhymne hat, der muss auch auf Tour gehen. Und da die Haie keine halben Sachen machen, geht es über 25 Nächte quer durch die Republik und darüber hinaus. Kurz vor dem Tourstart auf der heimischen Soho Stage am 1. März herrscht in Jan Königs Küche eine diffuse Mischung aus Vorfreude, Nervosität und einem Hauch Überforderung. „Wir haben so viele neue Songs zum ersten Mal im Programm wie noch nie,“ sagt Paulini, und König ergänzt, dass „wir trotz Hilfe so viel wie noch nie mit der Band machen. Alle anderen Jobs haben wir aufgegeben, die Band ist ein Fulltime-Job.“
Unbezahlte Überstunden inklusive. Denn nicht nur die Promotion frisst Zeit wie Haie Surfer vor der Küste Australiens, auch bei der Show wird nichts dem Zufall überlassen. „Die Fliegenden Haie live, das ist eine Performanceshow, und wir legen noch einen drauf.“ Es gibt mehr Licht, mehr Farbe, laut Paulini eine Art „Unterwasserwelt auf Acid“ und eine „Keytar“, ein Synthie in E-Gitarrenform, der aussieht, als wäre er von einem Fünfjährigen entworfen worden, der zu viel Star Wars geguckt hat. Ein wenig Selbstvertrauen braucht man also schon, mit diesem Relikt der 80er-Jahre auf die Bühne zu gehen.
Die Fliegenden Haie: „Wir waren die totalen Underdogs“
Und auch wenn ironisch gedacht, steht der Tourname „Mein Ego sagt, ich kann das“ für eine Band, die in den letzten zwölf Monaten einen Riesensprung gemacht hat. „Dass wir heute kurz davor sind, unsere erste Tour zu spielen, hätte ich vor einem Jahr nicht gedacht,“ sagt Paulini. „Wir haben ein paar gute Festivals gespielt, aber wir sahen uns als die totalen Underdogs. Wir haben einfach viel vor uns hingerödelt“. König übersetzt: „Wir haben extrem viel reingesteckt, wir hören uns täglich, sehen uns teilweise vier Tage am Stück und sprechen dann nur über die Band. Mein Ego sagt auch, wenn du was erreichen willst, müssen die Haie mit ihren Flossen schlagen, um fliegen zu können“.
Die Flügel breiten sie das erste Mal in Augsburg aus, und „darauf freuen wir uns extrem. Dort sind viele Leute, die uns schon kennen und Lust auf uns haben. Woanders wird es wohl anders“. In Duisburg zum Beispiel, da waren sie noch nie und damit steigt auch die Möglichkeit eines nur spärlichen Publikums. Doch da gibt es einmal die lokalen Vorbands, die Leute ziehen und „uns die Möglichkeit geben, im Vorbeifliegen neue Musik kennenzulernen“, und das Wohnzimmer Soho Stage. Dieses Konzert, eröffnet von Vandalisbin, wird „die emotionale Ritterrüstung, wenn es mal nicht läuft. In der Soho Stage tauchen wir in Zaubertrank, um unverwundbar für die Tour zu werden.“
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