Wir schauen nicht nur gebannt darauf, was die Koalitionsgespräche für Deutschland bedeuten, sondern auch auf die Entwicklungen in den USA. Den Soziologen und Philosophen gefragt: Was passiert dort gerade unter dem alten und neuen Präsidenten Donald Trump?
ALEX DEMIROVIC: Dort vollzieht sich eine radikale Wende, die sich in der ersten Trump-Präsidentschaft schon angedeutet hat. Jetzt wird es sehr viel klarer. Wir können es eine Umwertung der Werte nennen. Der Bedeutungsgehalt von Demokratie und Freiheit wird ins Gegenteil verdreht: Lüge wird Wahrheit genannt, Freiheit soll Redefreiheit für Rassismus bedeuten, Demokratie bekennenden Faschisten Raum geben.
Woran machen Sie das fest?
DEMIROVIC: Es war ja kein Spaß, dass Elon Musk bei Trumps Amtseinführung den Hitlergruß gezeigt hat oder jetzt Steve Bannon. Manche aus den rechten Thinktanks sind eher untergangsorientiert, etwa Bannon, andere vertreten Überlegenheitsvorstellung von reichen Weißen. Es kommen da viele Aspekte zusammen, sie enthalten Elemente, die wir aus dem Faschismus kennen.
Und noch einmal nachgebohrt – was fällt Ihnen jenseits des Hitlergrußes als Symbol noch auf?
DEMIROVIC: Schauen wir auf diese bewaffneten Gruppen, die das Kapitol gestürmt haben. Sie wollten damals auch Lynchmorde begehen, das war ersichtlich. Sie wurden rechtsstaatlich verfolgt, vor Gericht gebracht und verurteilt. Als eine der ersten Amtshandlungen lässt Trump diese Straftäter laufen. Damit verbunden begnadigt er auch Leute, die aus dem Mafiaumfeld kommen, also Schwerkriminelle. Teilweise wurden die Menschen zu Haftstrafen von 15 Jahren oder länger verurteilt wegen schwerer Delikte. Dazu muss man sagen, dass in den USA ungefähr 500.000 Rechtsradikale sich bewaffnet haben, die den demokratischen Staat ablehnen. Was dort gerade geschieht, hat Züge von staatlicher Willkür. Gleichzeitig werden Menschen entlassen, wo der Staat eine wirkliche wichtige Zukunftsfunktion hat, im Umweltbereich etwa, in der sozialstaatlichen Absicherung, in der medizinischen Versorgung von Menschen. Das sind Verhaltensmuster der faschistischen Rechten.
Was geschieht gerade mit der US-amerikanischen Demokratie? Wie ordnen Sie das historisch ein?
DEMIROVIC: Bei Mussolini denkt man an einen Staatsstreich. In Deutschland sagen wir oft, dass Hitler 1933 die Macht übernommen hat. So war es nicht, es war ein demokratischer Prozess, der ihn an die Macht gebracht hat. Mit einer Reihe von Gesetzen hat er schnell den Staat umgebaut. Das sehe ich in den USA im Moment nicht. Ich glaube, dass dort ein Prozess gestartet wird, der wie in Ungarn oder in Polen verläuft. Wichtige Richter-Positionen in den USA sind zuvor ja schon besetzt worden, etwa an Bundesgerichten oder am Supreme Court. Dieser Prozess geht weiter. Dann wird die Meinungsfreiheit so angegriffen, dass Agenturen oder Zeitungen nicht mehr zu den Pressekonferenzen zugelassen werden. Massiv sind auch die Angriffe auf die Wissenschaft. Die Zerstörung von Forschung durch Entzug von Geldern ist gravierend. Das betrifft die Medizin genauso wie den Umweltbereich. Auch wenn das grenzwertig ist, verläuft vieles noch in konstitutionellen, verfassungsmäßigen Bahnen.
Und wie werten Sie den Umbau des Staatsapparats?
DEMIROVIC: Es ist völlig irre, dass ein Privatmann und Multimilliardär wie Elon Musk Zugriff auf die Steuerdaten der USA erhalten hat, das sind durchaus autoritär-staatliche Züge. Dass er gleichzeitig beeinflussen kann, wer künftig staatliche Zuschüsse bekommt und wer nicht, ist genauso irre. Mit seinen Firmen ist er ja selber ein abhängiger Auftragnehmer von staatlichen Aufträgen. Gleichzeitig sehen wir auch, dass es viele gerichtliche Einsprüche gibt. Die Frage ist, ob die Justiz noch funktioniert.
Wie steht es um die berühmten „Checks and Balances“ in den USA?
DEMIROVIC: Es kann sein, dass einfach Fakten geschaffen. Bis die Gerichte entscheiden, vergehen Monate. Was jetzt makabrer Weise rauskam: Das Musk-Team hat von der Überwachungsbehörde für das Nuklearmaterial in den USA 250 Mitarbeiter entlassen, ihre Zugangsdaten, Emails, aber auch ihre Kontaktdaten wurden gelöscht. Im Anschluss haben sie festgestellt, dass sie diese Leute aber brauchen. Nur finden sie die jetzt nicht mehr, weil sie die Daten nicht mehr haben.
Wieso mischen sich die Milliardäre in den USA jetzt aktiv in die Politik ein?
DEMIROVIC: Das ist schon sehr speziell und neu. Bei Berlusconi fing das an, ansatzweise auch bei Macron. Nun nehmen etliche Milliardäre Schlüsselpositionen im Trump-Kabinett ein. Eigentlich, so sollte man denken, haben Unternehmer gar nicht die Zeit dafür. Eher unterstützen sie Berufspolitiker mit Spenden und nehmen auf sie vielfältigen Einfluss. Offensichtlich halten sie die Politiker nicht mehr für geeignet, in ihrem Sinn zu handeln und wollen die Regierungsgeschäfte direkt leiten und die Verwaltungen umbauen. Es gibt ja umfangreiche Angriffe auf rechtliche Regulierung, auf Planungsverfahren, auf demokratische Beteiligung. Das wird kleinere Unternehmen und die Bürger schwächen.
Was für einen Staat wollen die US-Milliardäre?
DEMIROVIC: Für mich ist gar nicht so klar, ob sie überhaupt einen Staat aufrechterhalten wollen. Tech-Oligarchen wie Musk und Peter Thiel verfolgen Pläne, nach denen geschlossene Städte oder Regionen für Reiche entstehen sollen, der Nationalstaat wird aufgegeben. In den Genuss funktionierender Gemeinwesen kommen nur noch diejenigen, die das bezahlen können. Dadurch würde eine völlig neue politische und auch soziale Ordnung entstehen, etwa wenn in diesen Städten und Regionen nicht mehr das allgemeine Gesetz zur Anwendung kommt, sondern etwa Schiedsgerichte. Die Menschen außerhalb würden dem Schicksal von ökologischer Verwüstung oder ökonomischem Verfall überlassen. Das wird zwar nicht funktionieren. Aber die Oligarchen sind naiv, realitätsfremd, beratungsresistent, und sie haben die Macht, diesen Weg zu gehen.
Und was würde das für den Rest der US-Gesellschaft bedeuten?
DEMIROVIC: Für die anderen würde eine Gangstersituation entstehen. Dort könnten sich dann Banden durchsetzen und die Kontrolle ausüben. In manchen osteuropäischen Staaten hat man sowas schon. Man schaue in die Slowakei, wo der Ministerpräsident Fico, so legen Recherchen nahe, eng mit der Mafia verbunden ist. Korruption und Diebstahl am Staat würden eine gängige Praxis der Bereicherung.

Zur Person
Alex Demirovic, 1952 in Darmstadt-Eberstadt geboren, ist ein Sozialwissenschaftler und Vertreter der kritischen Theorie. Er ist außerplanmäßiger Professor an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt. In seiner Forschung will er die kritische Theorie weiterentwickeln.
Was sagen die Trump Fans zu diesen Ausführungen ? Es ist wohl kein Zufall, dass man von denen nichts hört.
Richtig Herr Steger. Ich frage mich schon lange warum so ein Ergebnis nur noch Milliardäre und Macht besehene Menschen zu wählen, was das mit der USA? Ist schon sehr heftig. Demokratie ist das bestimmt nicht mehr. Ich hatte als Kind die USA immer als Vorbild gesehen. Was daraus wurde, ist für mich eine Katastrophe!!! Trump als Präsident, war schon in der ersten Präsidenten Jahre Angekündigt worden. Sehr schade, was die Amerikanische Bevölkerung zu erwarten hat, mit Sicherheit nichts Gutes und Europa??? Aber Sie wollten eine Änderung und die haben Sie jetzt mit sehr traurigen Ende für die Demokratischen Werte!!!!!
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