In Deutschland haben die ein Dutzend Hersteller von Klavieren zum Teil mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Teilweise wurde die Produktion ins Ausland verlagert bzw. Unternehmen an asiatische Besitzer verkauft. In jüngster Vergangenheit haben mehrere Klavierbauer Beschäftigte auf Kurzarbeit gesetzt oder entlassen, unter anderem die Seiler Pianofortefabrik aus Kitzingen. Grotrian-Steinweg hat 2024 sogar Insolvenz angemeldet.
Als wichtigster Grund für die Probleme wird die stark gesunkene Nachfrage aus China angegeben, dem weltweit größten Markt. Dort hatte der Staat die jahrzehntelange massive finanzielle Förderung der musikalischen Bildung für Kinder zuletzt eingestellt. „In Deutschland ist die Nachfrage noch relativ stabil“, sagt Andreas Harke, Vorsitzender des Bundes deutscher Klavierbauer (BdK). Die Betonung liegt auf relativ – innerhalb der letzten 15 Jahre ist der jährliche Verkauf von Klavieren und Flügeln in Deutschland laut BdK von 12.000 auf rund 8000 gesunken, weltweit ging der Absatz von etwa 450.000 auf 250.000 Instrumente zurück.
Ausstellung „People and Pianos“ in Braunschweig widmet sich der Faszination Steinway und Steinweg
Trotzdem hat die Faszination für das Klavier nicht nachgelassen. Das zeigt gerade eine Ausstellung in Braunschweig mit dem Titel „People and Pianos“. Sie ist den Instrumenten der beiden Häuser Steinway & Sons und Grotrian-Steinweg gewidmet: Auf Steinway-Flügeln spielen bedeutende Solisten in großen Konzerthallen in aller Welt; aber auch Grotrian-Steinweg wird in der Piano-Fachwelt geschätzt. Beide Klavierbauer haben gemeinsame Wurzeln, die bis 1835 zurückgehen.
Damals fertigte Heinrich Engelhard Steinweg in Seesen im Harz das Tafelklavier „op. 1“ – es wird als das älteste von rund 30 ausgestellten Klavieren im Museum präsentiert. 1850 wandert die Familie Steinweg nach New York aus. Nur der Sohn Christian Friedrich Theodor bleibt in Deutschland. Er zieht 1859 nach Braunschweig um und verkauft 1865 seinen Firmenanteil an Wilhelm Grotrian und zwei weitere Mitarbeiter, die Instrumente nach Steinwegs Entwürfen fertigen.
Steinway & Sons klagte: Der Rechtsstreit um den Namen dauerte über 100 Jahre
Eine klangvolle Geschichte, die nicht frei von Misstönen ist. 1876 ziehen Steinway & Sons vor Gericht – sie verlangen, dass die Braunschweiger nicht mehr als Th. Steinweg Nachf. auftreten dürfen, damit es zu keinen Verwechslungen kommt. Ein Rechtsstreit, der erst über 100 Jahre später endet. Bereits 1928 hatte man sich darauf geeinigt, dass die Braunschweiger Klavierbauer unter Grotrian-Steinweg firmieren. Außerhalb Europas dürfen die Klaviere nach einem Urteil aus dem Jahr 1980 nur unter dem Namen Grotrian verkauft werden.
Steinway & Sons stellt seine Instrumente außer in New York bis heute auch in Hamburg her – und musste mit ansehen, wie im Zweiten Weltkrieg das Hamburger Werk gezwungen wird, statt Tasteninstrumenten Produkte für die deutsche Rüstungsindustrie zu fertigen. An diese Zeit erinnert ein olivgrünes Klavier von Steinway & Sons in der Ausstellung. 2500 dieser sehr stabilen Instrumente Marke „Victory Vertical“ wurden in New York 1943 für die US-Truppen hergestellt. Mitgeliefert wurden Noten, von Kirchenliedern bis hin zum Boogie Woogie, um die Stimmung der Soldaten zu heben.
Wenn gewünscht, sind die Tasten eines Klavieres in Kreisform angelegt
Neben solchen Informationen liefert die Ausstellung viel fürs Auge und Gehör. Zu sehen ist zum Beispiel von Grotrian-Steinweg ein Salonkonzertflügel mit christlichen Motiven. Auf dem Flügeldeckel werden das letzte Abendmahl und Christus als Himmelskönig dargestellt, an der Seite finden sich weitere Motive aus dem alten und neuen Testament. Dieser Flügel gehört zu einer ganzen Reihe von ausgestellten Instrumenten, die nach den Wünschen wohlhabender Auftraggeber reich verziert angefertigt wurden. Zu bewundern sind auch ein Klavier mit einem Gehäuse aus Acrylglas, ein Textilklavier mit einem Rahmen aus Textilien statt aus Holz sowie ein Instrument mit kreisförmig angeordneten Tasten. Ein Stummfilm von 1930 gibt Einblick in die damalige Produktion bei Steinway & Sons.
Im Hintergrund wird Musik von Clara Schumann eingespielt, die 1871 das erste Konzert auf einem Flügel aus Braunschweig gab. Auch Steinway & Sons setzte und setzt auf berühmte Künstler, darunter Anton Rubinstein, Sergei Rachmaninow, Glenn Gould und heute Lang Lang. Pianisten, denen das Unternehmen kostenlos die besten Flügel für ihre Tourneen zur Verfügung stellt, wenn der Name Steinway & Sons auf den Plakaten auftaucht. In Familienbesitz ist das Unternehmen übrigens schon lange nicht mehr – heute gehört es dem Hedgefonds-Manager und Milliardär John Paulson, wichtiger Wirtschaftsberater von US-Präsident Donald Trump.
„Die Ausstellung „People and Pianos“ läuft bis 27. April im Städtischen Museum Braunschweig.
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