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Gesellschaft
28.03.2023

Deutschland, du komische Heimat

Das ist Friedberg in Hessen, vom Adolfsturm aus gesehen – hier spielen die Ortsumgehungen von Autor Andreas Maier. Könnten sie aber überall.
Foto: EWY Media, stock.adobe.com

Eines der spannendsten deutschen Erinnerungsprojekte erreicht einen Höhepunkt – und lädt zur Erkundung. Wer sind "wir"? Und wer sind die anderen?

Neulich spaziert, sonntags das Flüsschen am Stadtrand entlang, und trotz strahlender Sonne etwas nachgedacht über dieses Land, sein Wanken, das bei aller Beunruhigung doch auch sehr interessant ist – zwischen Kriegs- und Gender-Debatten, Wohlstands- und Migrationsfragen.

Da rauschten von hinten zwei Halbwüchsige auf Fahrrädern heran, keine zehn Jahre, am Kichern schon von Ferne erkennbar auf Abenteuer. Bremsten also beim Erreichen gleicher Höhe ab, der Blick, von der zu bestehenden Mutprobe flackernd, da schrie der eine: „Anal!“ Der andere: „Neger!“ Und rasend beide davon. Deutschland 2023.

"Die Heimat": Teil neun der "Ortsumgehungen" von Andreas Maier

Ist das dasselbe Land wie in dieser aktuellen Lektüre? Da nimmt ein Junge, gerade sieben Jahre alt, eine plötzliche Veränderung im Elternhaus wahr, wie ein inneres Zittern in einer neuen Stille, die im Wohnzimmer herrscht, wo abends nicht wie sonst der Fernseher läuft, sondern nur der neu angeschaffte Videorekorder stumm etwas aus dem Äther aufzeichnet. Bei den anderen in der Schule scheint das genauso, ein Rätsel, das da die Welt der Erwachsenen durchzieht und sie selbst seltsam betreten wirken lässt. Bis wohl doch etwas durchdringt und sich Bahn bricht, weil plötzlich auf dem Schulhof einander mit neuen Worten beleidigt wird: „Du Jude!“ Und: „Du gehörst doch vergast!“ Deutschland 1979. Im Fernsehen hat da die Serie „Holocaust“ ein Schweigen gebrochen, das offenbar so dicht und restlos in seinem Zuhause war, dem Juristenhaushalt wie dem 30.000-Einwohnerstädtchen, dass diese Worte völlig neu für den Jungen sind. Juden? Überhaupt wird das Fremde hier als eine unangenehme Erscheinung wahrgenommen.

Diese „Zigeuner“, die da alljährlich vorübergehend Quartier machen, nach Arbeit und Wasser fragen, werden als schmutzig und heimtückisch beäugt, der einzige fremdländische Mitschüler ist Italiener und bleibt eine Irritation. Diese rätselhaften Juden jedenfalls müssen zusammen mit irgendwelchen „Nazis“ Deutschland wohl mal in ein dunkles Verhängnis gestürzt haben, vermutet der Junge. Und dann tauchen bald auch Bilder auf von einem bis dahin so versteckt gehaltenen Mann, dass der Siebenjährige meinte, es könne allein verhängnisvoll sein, ihn anzusehen: Hitler. Dafür gibt es sie jetzt in rauen Mengen, und bald schon wird es ein weitverbreiteter Spaß, dessen merrrrkwürrrrdiges Sprrrrechen nachzuahmen, es genügt schon, das Anwinkeln des Armes oder das Schnurrrrbärrrrtchen anzudeuten.

Die Heimat gefunden an der Pissrinne

So war das mit dem Jungen und dem Ort damals. So erinnert er es jedenfalls heute, da Andreas Maier 55 ist und sein Aufwachsen, Fortgehen und Zurückkehren dort, in Friedberg, der Wetterau, in Hessen, zu einem der spannendsten literarischen Projekte der Gegenwart gemacht hat – gerade im Speziellen stellvertretend für eine (west)deutsche Vergangenheit abseits der Metropolen. „Ortsumgehung“ heißt das 2010 begonnene, bereits reichlich prämierte und auf elf Teile angelegte Unternehmen. Von „Das Zimmer“ am Anfang über Teile wie „Das Haus“ und „Die Straße“ und „Der Ort“ und „Der Kreis“ hat es zuletzt mit „Die Städte“ etwas geschwächelt, erreicht nun aber in „Die Heimat“ und damit inzwischen Teil neun einen echten Höhepunkt. 

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Es mag zwar nicht sonderlich überraschend sein, dass der linksintellektuelle Maier mit dem titelgebenden Begriff und Gefühl nicht sonderlich viel anfangen kann, es erst am Schluss seiner durch Jahrzehnte ziehenden Erkundenden findet, in einer all die Zeit über unverändert gebliebenen Waldgaststätte: „Das Wort stand in sechs Buchstaben vor meinem inneren Auge wie in Lettern an die Wand geschmiert, hier über der Pissrinne als größte von allen Wandschmierereien, während ich in meinen kurzen Hosen und mit geschlossenen Lidern doch etwas überrascht war, dass durch Reflexion mein Urin in feinen Perlen von der Rinnenwand auf meine Beine zurückkam: HEIMAT.“ Aber auf dem Weg fördert der studierte Philosoph, Germanist und Altphilologe eben doch spannende Spuren ihrer Eigentümlichkeit zutage. 

Zwischen Deutschtümelei und Heimatallergie

Da ist etwa bei allem irgendwann eingerichteten Gedenken weiterhin das Fehlen der Juden in der Stadt und der Erzählung ihrer Geschichte – wie Maier auch selbst erst in Teil sieben, „Die Familie“, plötzlich darauf stieß, dass ein Teil des großen Grundstücks durch Enteignung aus jüdischem in ihren Besitz überging – nach dem Krieg sicherte es durch Selbstversorgung das Überleben, im Wohlstand wurde daraus ein Ziergarten. Andere Fremdheiten wurde dagegen langsam integriert, als der jugendliche Andreas samt Freundin in linker Offenheit zu frühen Döner-Buden-Stammgästen wurden – während ansonsten über weite Teile der 80er „die Türken“ noch als Gefahr galten: „Wenn die Kasse leer war, lag das ‚am Türken‘. Ganze Familien holte er hinterher, und die hatten dann auch Anspruch auf die Sozialkasse …“ So wurde es im Kreishaus unweigerlich heiß, als die NPD dort damals Einzug hielt, auch der junge Andreas „Nazis raus!“ rief, aber höchstselbst verhinderte, dass die Tochter des Abgeordneten angegriffen wurde, befremdlich fasziniert von der kalt-blauäugigen Blonden. 

Wie weit ist dieses Deutschland zwischen Heimatallergie und -tümelei seitdem zu sich gekommen? In welchem Verhältnis steht das Befremden mit sich selbst und der eigenen Geschichte inzwischen zum Umgang mit dem vermeintlich Fremden, das doch dazugehört? Das lässt sich, angeregt vom beschreibend starken Andreas Maier, nun mit neu vergegenwärtigter deutscher Alltagsgeschichte vortrefflich erkunden. Und die Halbwüchsigen zeigen einem zur Not als provokativer Spiegel schon, was aktuell noch rumort. Die letzten beiden Teile der Maier’schen „Ortsumgehung“ könnten früheren Ankündigungen zufolge übrigens heißen: „Der Teufel“ und „Der liebe Gott“. Das könnte noch reichlich Komisches über Deutschland zutage fördern.

Das Buch Andreas Maier: Die Heimat. Suhrkamp, 245 S., 22 €

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