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Interview: Liam Neeson: "Ich genieße das Nomadenleben"

Interview

Liam Neeson: "Ich genieße das Nomadenleben"

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    Stand mit seinem Sohn vor der Kamera: Liam Neeson
    Stand mit seinem Sohn vor der Kamera: Liam Neeson Foto: Daniel Reinhardt (dpa)

    Mr. Neeson, Ihr neuer Film „Made in Italy“ weckt ordentlich Fernweh. Die Dreharbeiten waren sicherlich ein großes Vergnügen, oder?
    Neeson: Das können Sie laut sagen. Ein ziemlich hübsches Fleckchen Erde, dieses Italien. Die erste Woche haben wir damals in London gedreht, danach ging es für vier Wochen in die Toskana. Das Frühjahr 2019 war dort wohl allerdings das feuchteste seit 50 Jahren. Es regnete so viel, dass ich Weinbauern habe weinen sehen, die um ihre Ernte fürchteten. Erst in der letzten Woche waren die Filmgötter gnädig mit uns und wir konnten endlich all die wundervollen toskanischen Sonnen-auf- und -untergänge filmen.

    Hatten Sie schon vor dem Film einen Bezug zur Toskana?
    Neeson: Nicht zur Toskana, aber in Italien bin ich natürlich schon häufig gewesen. Das erste Mal dort gedreht habe ich in den Abruzzen, irgendeinen Schwert-und-Zauberei-Film. Auch in den legendären Cinecittà-Studios in Rom stand ich schon ein paar Mal vor der Kamera. Selbstverständlich war ich auch privat schon einige Male dort. Das Land ist eben wirklich wunderschön. Und hübsche Mädchen findet man dort auch jede Menge. Ach ja, und dann ist da ja auch noch das leckere Essen!

    Ihren Filmsohn spielt Ihr echter Sohn Micheál Richardson. Wurden Sie gezielt so besetzt?
    Neeson: Nein, mein Sohn war einer von mehreren Namen, die auf der Liste des Regisseurs James D’Arcy standen. Ich konnte mir Micheál sehr gut in der Rolle vorstellen, fürchtete allerdings, dass er vielleicht ein bisschen zu jung sein könnte für die im Drehbuch beschriebene Figur. James hat dann einen ganzen Tag mit ihm gearbeitet und geprobt. Abends rief er mich an und meinte, dass das etwas werden könne. Ich war natürlich begeistert. Aber eingemischt habe ich mich in die Entscheidung nicht.

    Ist es nicht seltsam, gleichzeitig Papa und Kollege zu sein?
    Neeson: Nein, gar nicht. Ich habe von Anfang an zu Micheál gesagt, dass er der Hauptdarsteller ist und James D’Arcy sein Regisseur. Sein Ansprechpartner am Set konnte also nicht ich sein, sondern immer nur James.

    Klingt streng.

    Ach was. Aber ich habe ihn einfach behandelt wie jeden anderen Kollegen auch. Abends nach Drehschluss konnte er mir jede Frage stellen, die ihm in den Sinn kam. Nur tagsüber hatte eben jemand anderes das Sagen. Da waren wir nur zwei Schauspieler, die zufällig eben auch Vater und Sohn waren.

    War Ihnen eigentlich immer klar, dass Micheál eines Tages in Ihre Fußstapfen treten würde?
    Neeson: Überhaupt nicht. Und ehrlich gesagt war ich anfangs auch ein wenig besorgt, als er den Wunsch äußerte. Denn gerade die Anfänge in diesem Job können verdammt hart sein. Selbst meine gute Freundin Meryl Streep kann aus den Anfangszeiten ihrer Karriere Geschichten über Vorsprechen und Castings berichten, die wenig Mut machen. Dieser Beruf ist einer der Ablehnung. Und überhaupt sind 65 Prozent aller Schauspielerinnen und Schauspieler die meiste Zeit arbeitslos. Man wird also oft abgelehnt und muss Durststrecken überstehen, was man als Vater seinen Kindern gerne ersparen würde. Aber auf Micheáls Familie mütterlicherseits sind alle seit dem 18. Jahrhundert Schauspieler und Performer gewesen. Er hat die Sache also im Blut.

    Wie leicht fiel es Ihnen selbst früher damit klarzukommen, wenn Sie Jobs nicht bekommen haben?
    Neeson: Das war nie leicht, und man muss erst einmal lernen damit umzugehen, dass man abgelehnt wird, weil man man selbst ist. Die Absage kommt ja nicht, weil man das falsche College besucht hat, sondern weil man zu groß ist oder zu irisch. Oder die Nase zu prominent. Das muss man verkraften, ohne dabei abzustumpfen, denn gleichzeitig muss man ja auch feinfühlig bleiben fürs nächste Vorsprechen. Manchmal sogar nach nur ein paar Stunden. Aber wenn man am Ball bleibt, wird es mit der Zeit leichter.

    Jediritter, schottischer Volksheld, Witwer und immer wieder Actionstar:  In "Hard Powder" nahm  Liam Neeson als  Schneeräumer Nels Coxman blutige Rache. an den Mördern seines Sohnes.
    Jediritter, schottischer Volksheld, Witwer und immer wieder Actionstar: In "Hard Powder" nahm Liam Neeson als Schneeräumer Nels Coxman blutige Rache. an den Mördern seines Sohnes. Foto: Studiocanal

    Sie feiern in diesem Jahr 45-jähriges Berufsjubiläum. Denken Sie gerne an Ihre Anfänge zurück?

    Neeson: Mein erstes Engagement hatte ich am Lyric Theatre in Belfast, wo wir damals noch alle vier Wochen ein neues Stück auf die Bühne brachten. Das war eine harte Schule – und das perfekte Fundament für alles, was folgte. Damals ging ich noch davon aus, dass ich mein Leben lang Theater spielen würde. Ich hatte eigentlich keine Ambitionen, vor der Kamera zu stehen.

    Wie kam es dann doch dazu?
    Neeson: Ende der Siebzigerjahre wechselte ich ans irische Nationaltheater in Dublin, wo mich der Regisseur John Boorman in einer Inszenierung von Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“ sah. Der besetzte damals gerade seinen Film „Excalibur“ und fragte mich nach der Aufführung, ob ich nicht mitspielen wolle. Da habe ich spontan zugesagt. Und sogar behauptet, dass ich reiten könne, was glatt gelogen war. Ich verliebte mich Hals über Kopf in die Arbeit vor der Kamera – und John wurde zu einem wunderbaren Mentor für mich. Ihm verdanke ich eigentlich alles. Und dem Glück, denn davon hatte ich auch reichlich.

    Mit der Rolle des Oskar Schindler erspielte sich Liam Neeson (links neben Ben Kingsley)  Weltruhm.
    Mit der Rolle des Oskar Schindler erspielte sich Liam Neeson (links neben Ben Kingsley) Weltruhm. Foto: dpa

    Der Maler, den Sie in „Made in Italy“ spielen, hat die Leidenschaft für seine Kunst verloren. Ist Ihnen das nie passiert?
    Neeson: Täler durchschreitet man immer. Es gab in meiner Karriere ein paar, glücklicherweise nicht zu viele Phasen, wo ich an Filmen beteiligt war, bei denen es nicht so lief, wie ich es mir vorgestellt hatte. Wo einfach die Zutaten sich nicht zu einem Ganzen zusammenfügen wollten. Aber da muss man professionell bleiben, einfach durchhalten und trotzdem das Beste geben. Denn am Ende ist es ja immer noch dein Gesicht, das da auf der Leinwand zu sehen ist. Zum Glück habe ich das nicht mehr als zwei oder drei Mal erlebt, denn Spaß macht die Arbeit dann nicht.

    Sich selbst mal als Regisseur versuchen, so wie Ihr Kollege James D’Arcy bei „Made in Italy“, wollten Sie das denn nie?
    Neeson: Oh nein, daran habe ich absolut null Interesse.

    Warum nicht?
    Neeson: Weil ich das Nomadenleben eines Schauspielers einfach sehr genieße. Man taucht irgendwo für sechs Wochen oder zwei Monate zum Arbeiten auf, und wenn der Job erledigt ist, zieht man weiter. Als Regisseur lebt man ewig mit einem Projekt. Schon die Vorbereitung dauert drei oder vier Monate, und nach dem Dreh ist man dann auch noch einmal mindestens ein Jahr damit beschäftigt, bevor man es überhaupt einem Publikum zeigt. Diese Geduld hätte ich einfach nicht.

    Seine Karriere:
    Jediritter, schottischer Volksheld, Witwer und immer wieder Actionstar – der Nordire Liam Neeson, geboren 1952, glänzte in vielen Rollen. Weltruhm aber brachte ihm die Hauptrolle (Bild) in „Schindlers Liste“ ein. Sein neuer Film „Made in Italy“ ist eben als DVD erschienen. Neeson war verheiratet mit der Schauspielerin Natasha Richardson, die 2009 tödlich verunglückte.

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