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Amy Macdonald im Interview: „Ich habe Angst vor dem Ball“

Interview

Amy Macdonald: „Wir Schotten sind es gewohnt, die Underdogs zu sein“

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    Der offizielle EM-Song für die ARD kommt in diesem Jahr von der schottischen Musikerin Amy Macdonald. (Archivfoto)
    Der offizielle EM-Song für die ARD kommt in diesem Jahr von der schottischen Musikerin Amy Macdonald. (Archivfoto) Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB

    Interview:

    Amy, „Is This What You’ve Been Waiting For?“ ist der offizielle ARD-Song zur Fußballeuropameisterschaft in der Schweiz. Dabei haben sich die Schottinnen gar nicht für das Turnier qualifiziert.
    AMY MACDONALD: Das stimmt, aber Schottland scheitert ja häufig in der Qualifikation. Von daher bin ich das gewohnt und freue mich eher, wenn sie es mal packen, so wie im vergangenen Jahr bei der Männer-EM. Ich fiebere dem Wettbewerb trotzdem entgegen, das wird bestimmt toll. Ich liebe diese großen Turniere, mich ziehen die jedes Mal aufs Neue in ihren Bann.

    Und Ihr Lied ist mittendrin.
    MACDONALD: Eben. Vielleicht motiviert es ja die eine oder andere dieser unglaublich athletischen und großartigen Frauen noch ein ganz kleines bisschen zusätzlich (lacht). Die Verbindung zwischen meinem Song und dem Turnier ist für mich natürlich ein riesiges Geschenk, und ich bin der ARD sehr dankbar, dass sie sich für mich entschieden hat.

    Wem drücken Sie denn nun besonders die Daumen?
    MACDONALD: Da habe ich mich noch nicht entschieden. Immer, wenn Schottland nicht mitspielt, warte ich den Beginn eines Turniers ab, und so nach ein, zwei Spieltagen kristallisiert sich raus, welches Team ich anfeuere.

    Letztes Jahr waren Sie bei der EM in Deutschland dabei, oder?
    MACDONALD: Oh ja, ich war mit tausenden von anderen Schottinnen und Schotten in München zum Spiel gegen Deutschland. Das war richtig geil. Wir haben die ganze Stadt eingenommen. Ich war lange nicht mehr so stolz, Schottin zu sein. Wir stehen hinter unserem Team, egal, was passiert oder wie schrecklich wir spielen. Nichts konnte unseren Spaß dämpfen. Auch nicht das Spiel, in dem Deutschland uns mit 5:1 vernichtet hat (lacht).

    Sie sind mit dem ehemaligen schottischen Fußballprofi Richard Foster verheiratet. Können Sie selbst Fußball spielen?
    MACDONALD: Oh, absolut nicht (lacht). Das überlasse ich meinem Mann. Ich gehöre zu den Menschen, die panische Angst davor haben, einen Ball ins Gesicht zu bekommen. Der Fußballplatz ist extrem weit davon entfernt, ein Wohlfühlort für mich zu sein.

    „Is This What You’ve Been Waiting For?“ ist ein Song, der vor Kraft und Energie strotzt. Wovon handelt er?
    MACDONALD: Von dem einzigartigen und durch nichts zu toppendem Gefühl, auf der Bühne zu stehen und die Menschen mit deiner Musik mitzureißen. Im Grunde ist es der ultimative Motivationssong, wie gemacht für sportliche und andere Großereignisse. Allerdings habe ich ihn nicht mit der EM im Hinterkopf geschrieben, das hat sich erst später ergeben.

    Sie werden in diesem Sommer sehr viel live spielen. Ist die Vorbereitung auf eine Tour vergleichbar mit dem Trainingslager der Fußballerinnen?
    MACDONALD: Wenn du nicht willst, dass dir in den zwei Stunden dort oben die Puste ausgeht, dann musst du vorher was tun, klare Sache. Ich nehme das inzwischen auch ernst. Als ich noch jünger war, habe ich überhaupt nichts für die Kondition und die Power gemacht, im Laufe einer langen Tour wurde es dann echt haarig.

    Auf Ihrer neuen Platte drehen sich gleich mehrere Stücke um das Livespielen, auch „Physical“ zum Beispiel. Sie machen diesen Job jetzt seit mehr als fünfzehn Jahren. Wie hat er sich verändert?
    MACDONALD: Es ist eher so, dass ich mich verändert habe. Früher habe ich nur wenig reflektiert, was für eine wunderbare Erfahrung ich jeden Tag bei meiner Arbeit machen kann. Ich habe es nicht so wertgeschätzt. Heute betrachte ich es als Privileg, live für die Menschen zu spielen und jeden Abend in ein paar tausend strahlende Gesichter blicken zu können. Außerdem haben sie es verdient, so gut wie möglich unterhalten zu werden. Das Leben ist für viele nicht einfach, und wer sein hartverdientes Geld in mich investiert, soll es nicht bereuen.

    Sie waren einige Jahre lang eher nicht so präsent. Haben Sie Ihr eigenes hartverdientes Geld unter die Leute gebracht?
    MACDONALD (LACHT): Ich bin Schottin! Wir passen auf unser Geld auf. Früher habe ich coole Autos gesammelt, aber das ist nicht mehr so eine Leidenschaft von mir. Ich habe mich einfach ein bisschen lockergemacht, bin meistens früh aufgestanden und habe den Hund zu ausgiebigen Spaziergängen animiert. Das meiste Geld geht eigentlich für ihn drauf, er bekommt sehr gutes Futter (lacht).

    Haben Sie sich mit dieser entspannten Grundhaltung auch ans Schreiben der neuen Songs gemacht?
    MACDONALD: Ja, ich war ausgeruht und mit mir im Reinen. Ich hatte sehr viel Glück mit meiner Karriere. Mein erstes Album kam vor 18 Jahren raus, ich habe mich immer und immer wieder bewiesen und empfinde heute sehr viel Ruhe und Frieden. Der Druck der Anfangsjahre, seinen Erfolg bestätigen oder noch übertreffen zu müssen, der ist einfach nicht mehr da.

    Im neuen Song „It’s All So Long Ago“ befassen Sie sich mit der Frage, ob man gern alles nochmal erleben würde. Und?
    MACDONALD: Ich glaube nicht. Ich finde es gut, keine 20 mehr zu sein. Aber ich würde im Nachhinein auch nichts anders machen wollen. Manchmal frage ich mich höchstens, ob ich vielleicht auch in einem anderen Beruf Erfüllung gefunden hätte, denn ich kenne ja nur den der Sängerin und Songschreiberin. Der Song selbst entsprang einer Unterhaltung mit meinem Schlagzeuger Andy, der seit zwanzig Jahren mit mir spielt.

    Welcher Beruf wäre denn eine Alternative gewesen?
    MACDONALD: Ich war ja auf dem Sprung zur Uni, als das mit der Musik losging, und ich wollte ganz gerne Lehrerin werden. Aber ich bin ehrlich, der Hauptgrund war, dass man als Lehrerin so viel Ferien hat (lacht).

    Auch die neuen Lieder greifen oft so eine Stimmung von Zuversicht und Kampfgeist auf. Ist das was typisch Schottisches?
    MACDONALD: Ich denke schon. Wir Schotten sind es gewohnt, der Underdog und der Außenseiter zu sein. Wir sind stur, wir sind hartnäckig, wir bieten die Stirn, und wir geben niemals klein bei. Das liegt nicht zuletzt an unserer Situation als so einer Art kleiner, schwacher Bruder Englands, mit der wir uns nicht gern arrangieren.

    Ist der Song „Is This What You’ve Been Waiting For“ nicht auch eine feministische Hymne, fast ein Manifest?
    MACDONALD: Das steckt sicher mit drin, auch wenn ich beim Schreiben eher an die junge Generation gedacht habe, die mich sehr inspiriert und an die ich von ganzem Herzen glaube. Junge Menschen hatten es echt nicht leicht, sie mussten am meisten unter den Pandemie-Restriktionen leiden, jetzt stehen sie da mit ihren Ausbildungen und Examen und müssen kämpfen, einen vernünftigen Job und ein einigermaßen gutes Gehalt zu bekommen. Die große Mehrheit der Unter-30-Jährigen in Großbritannien ist zum Beispiel überzeugt, sich niemals ein Eigenheim leisten zu können. Unter diesen Voraussetzungen begeistert es mich, wie positiv und zupackend die Kids, die ich so treffe, in die Zukunft schauen. Ich finde es absolut zum Kotzen, wie viele Ältere die Jugendlichen mit so einer Herablassung behandeln, das haben sie wirklich nicht verdient.

    Gerade feiert die Jugend Ihre großen Hits wie „This Is The Life“ und „Slow It Down“ auf TikTok. Was ist da los?
    MACDONALD: Krass, oder? Meine Fans sind heute jünger als vor fünfzehn Jahren (lacht). Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass diese Songs sehr hell und sehr optimistisch klingen und über Dinge wie Freundschaft und Zusammenhalt sprechen. Die Menschen, besonders die jungen, sehnen sich nach Gemeinschaft und nach Verbindungen, ja nach dem Leben ganz generell. Meine Musik ist der Soundtrack zu dieser Lebensfreude.

    „We Survive“ wiederum greift ein ernstes Thema auf: Alkoholismus. Was steckt dahinter?
    MACDONALD: Wenn du in deinen Zwanzigern gerne feiern und Party machen und trinken gehst, dann ist das für die meisten Menschen schön und spaßig. Aber wenn du so in mein Alter kommst und dich immer noch verhältst, dann sieht das etwas deprimierend aus. Ich wollte mal etwas dazu sagen, dass ich unsere schottische Trink- und Feierkultur schwierig finde. Wir haben in Schottland eine echt schreckliche Beziehung zum Alkohol, wir saufen einfach zu viel.

    Wie steht es um Ihr eigenes Ausgehverhalten?
    MACDONALD: Ich lebe nicht abstinent, manchmal gehe ich mit Freundinnen in Glasgow oder wo auch immer aus und genieße das auch. Wir können ein wenig verrückt sein, wenn wir zu mehreren unterwegs sind (lacht). Aber ich habe sicher weitaus weniger Zeit in Kneipen und Clubs verbracht als andere Schottinnen meines Alters. Ich hatte einfach immer sehr viel zu tun und habe viel verpasst. Das finde ich aber nicht schlimm und ich habe auch nicht den Drang, heute irgendwas nachholen zu müssen. Mein Leben ist wunderbar und perfekt so, wie es ist.

    Zur Person Amy Macdonald, geboren 1987 im Glasgower Vorort Bishopbriggs, brachte sich das Gitarrespielen selbst bei und entschied nach einem Konzert von Pete Doherty es mit der eigenen Musikkarriere zu versuchen. Ihren Durchbruch hatte sie 2007 mit ihrem Debütalbum „This is The Life“. „Is This What You’ve Been Waiting For?“ heißt nun das sechste Studioalbum der musikalisch wie menschlich zupackend-direkten und nahbaren Amy Macdonald, die mit ihrem Mann Richard Forster und seinem zehnjährigen Sohn in Glasgow lebt. Auch die neuen Songs der poprockigen Singer/ Songwriterin gehen geradeaus nach vorne und bieten, bei gelegentlichen ernsten Zwischentönen, aufmunternd gute Unterhaltung. Das Album erscheint am 11. Juni. Ab Ende Juli hat Amy Macdonald mehrere Auftritte in Deutschland, am 8. Februar 2026 kommt sie ins Zenith nach München.

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