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Genuss: Deutsche Winzer im Ausland - vier Erfolgsgeschichten

Genuss

Deutsche Winzer im Ausland - vier Erfolgsgeschichten

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    Mit Familien-Urlauben in der Toskana fing es an. Heute zählen die Weine von Bettina Rogosky und ihrer Familie zu den großen Rotweinen Italiens.
    Mit Familien-Urlauben in der Toskana fing es an. Heute zählen die Weine von Bettina Rogosky und ihrer Familie zu den großen Rotweinen Italiens. Foto: Rogosky

    Toskana I

    Eigentlich fing alles mit den Familien-Urlauben im VW-Bus an, die Bettina und Wolf Rogosky in den frühen 1970er-Jahren zusammen mit ihren kleinen Kindern Moritz und Phillip in der Toskana verbrachten. „Florenz, Siena und vor allem Arezzo haben uns kunstgeschichtlich so sehr angesprochen“, sagt Bettina Rogosky. Im Jahr 1972 dann kauften die beiden ein altes Haus in Mercatale Valdarno. Über 50 Jahre später gehört „Il Caberlot“ zu den ganz großen Rotweinen in Italien, in einem Atemzug genannt mit den sogenannten „Super Tuscans“ und dem feinsten Barolo aus dem Piemont. 

    Dabei hantieren die Rogoskys gar nicht mit einer berühmten Rebsorte. Und das kam so: In den 1960er-Jahren entdeckte der Agronom Remigio Bordini eine Rebsorte, die sich als wilde Kreuzung aus Cabernet Franc und Merlot herausstellte. Das weinbegeisterte Berliner Ehepaar Rogosky erfuhr davon und nahm Kontakt zu Bordini auf. Im Jahr 1986 verkaufte Bordini den beiden 3500 Stecklinge unter einer Bedingung: Sie mussten versprechen, keine Reben weiterzugeben. Dies ist bis heute so geblieben. Es war die Basis dafür, dass die Familie Rogosky das Micro-Weingut „Il Carnasciale“ gründeten. Auf gerade einmal vier Hektar Anbaufläche entstand genau ein Wein, der „Il Caberlot“. Den Namen dafür hatte der Werbe-Profi Wolf Rogosky, der mit der Jägermeister-Werbung („Ich trinke Jägermeister, weil …“) berühmt geworden war, selbst erfunden und aus den Namen der beiden Rebsorten quasi zusammengebaut. 

    Enorme Stockdichte wie im Bordelais, ausschließlich Handlese und Ausbau im Holzfass – das sind die Eckdaten. Der Wein selbst beeindruckt durch die seltene Kombination aus Dichte, aber auch aus ätherischer Frische mit Noten nach Minze und auch besten vegetabilen Tönen, die man so kaum in einem Rotwein findet. Das Ganze mit einem enormen Alterungspotential. Es gibt pro Jahr nur 4000 Flaschen mit diesem Etikett, das ein großes „X“ für die Kreuzung ziert und sich, je nach Jahrgang, nur in Farb-Nuancen ändert. Den „Il Caberlot“ gibt es nur in der Magnum-Flasche für einen stattlichen Preis um die 300 Euro. Er ist jeden Euro wert. Den Zweitwein aus jüngeren Rebanlagen derselben Kombination kann man ab 55 Euro in Normal-Flaschen erwerben.

    2018 Magnum „Il Caberlot“, € 349, www.dallmayr-versand.de

    2019 Il Carnasciale, € 67.50

    Katalonien

    Spanisch wollte der gebürtige Münchner Dominik Huber im Jahr 1996 lernen, ausgerechnet in Katalonien, der Region, in der das klassische Spanisch nicht eben wohl gelitten ist und man viel lieber Catalan spricht. Über einige Ecken kam Huber in Kontakt mit dem südafrikanischen Winzer Eben Sadie, der im Swartland Weine von Weltruf erzeugt. Aus der entstehenden Freundschaft heraus zogen die beiden ein Hobby-Wein-Projekt hoch mit dem Namen „Terroir al Limit“. Die Ambition stellte sich im Nachhinein für das Anbaugebiet Priorat als Segen heraus. Aus dem Hobby ist für Dominik Huber eine Mission geworden. Die Triebfeder dafür ist die Kulinarik. Huber, der eine feine Küche schätzt, hadert mit den hohen Alkohol-Graden, die auf der iberischen Halbinsel oft üblich sind. Zu einer mächtigen Portion Fleisch ist das kein Problem, aber sehr wohl zu einer mediterranen Küche, die von Gemüse definiert wird. 

    Dominik Huber, eigentlich kam der Münchner nach Katalonien, um Spanisch zu lernen - nun erzeugt er dort beste spanische Weine.
    Dominik Huber, eigentlich kam der Münchner nach Katalonien, um Spanisch zu lernen - nun erzeugt er dort beste spanische Weine. Foto: „Terroir al Limit“

    Um es klar zu sagen: Die Weine von „Terroir al Limit“ sind keine Leichtgewichte mit lustiger Kalt-Vergärung und Geschmack nach Gletschereis-Bonbons und Reinzucht-Hefen, die nach Fruchtzwerg riechen, sondern elegante Herrschaften. Der weiße „Terra de Cuques blanc“ zeigt zum Beispiel, wie eine Aroma-Sorte mit Tiefgang fliegende Freude erschafft. Im roten Bereich dann spielt Dominik Huber seine ganze Kunst aus im Dialog zwischen Wucht und Filigranität. Das kommt uns in bester Manier spanisch vor. In Katalonien. 

    2018 Terra de Cuques blanc, € 29.50, www.gute-weine.de

    Toskana II

    Da war diese Idee von Sabine Eichbauer, dass die zwei Kinder dann in den Wald-Kindergarten bei Montalcino gehen. Eichbauer? Waren das nicht die Besitzer des „Tantris“? Big player, verwurzelt in München mit ganzer Familie? Ein Weingut hatten sie gekauft im Jahr 2015 von Francesco Leanza, der mit seinem Betrieb Salicutti seit vielen Jahren herausragende Brunellos ans heimische Restaurant lieferte. Das Klischee war schnell bedient: Millionärs-Ehepaar steckt sich Weingut ans Revers, checkt zwei bis drei Mal im Jahr dort vorbei, feiert ausufernde Feste und fühlt sich danach wie lässige Winzer. Gute Party-Geschichte eigentlich. 

    Die Wahrheit ist, dass Sabine und Felix Eichbauer vier Schweine, zwei Esel und etliche Hühner halten, weshalb Sabine quasi den italienischen landwirtschaftlichen Führerschein „Imprenditore Agricola“ gemacht hat, damit das Weingut mit den neuen Besitzern weiterhin eine Landwirtschaft sein darf.

    Felix Eichbauer kümmert sich darum, dass das Weingut trotz der großen Investitionen schwarze Zahlen schreibt. „Wir wollten unseren Wein so naturnah wie möglich machen, ohne funky zu sein. Darum haben wir die bio-dynamische demeter-Zertifizierung angestrebt und jetzt auch erhalten.“ Einen neuen Keller haben die beiden gebaut und ein Flaschen-Lager dazu. „All das funktioniert nicht per Fernsteuerung aus München, deshalb sind wir dem Wein hinterher gezogen. Nur in den Schulferien kannst du keine solchen Entscheidungen treffen“, sagt Eichbauer und es scheint, wie wenn der Wein seinem Leben eine unerwartete freudige Veränderung beschert hätte. 

    Auf mittlerweile 4,5 Hektar produzieren die Eichbauers mit ihrem Team in 20.000 Flaschen vier Rotweine, die zu einhundert Prozent aus Sangiovese-Trauben bestehen. Angefangen vom „Brunello Salicutti“ („unser Brunello-Village“) über „Sorgente“ und „Piaggione“ bis zum Grand Cru „Teatro“, der in der Tat mit seiner dunklen Würze und seiner Eleganz wahrlich eine große Aufführung bietet. 

    Und dann war da noch der Wald-Kindergarten. Die beiden Kinder der Eichbauers sind ihm schon entwachsen und eingeschult in der neuen südlichen Heimat, nah am Weingut.

    2017 Brunello di Montalcino DOCG, € 95, www.dallmayr-versand.de

    Mit 2000 Flaschen fing das Abenteuer an: Sebastian Keller hat 2010 im Norden von Mallorca zusammen mit Philippe Bramaz das Weingut „Atlan&Artisan“ gegründet.
    Mit 2000 Flaschen fing das Abenteuer an: Sebastian Keller hat 2010 im Norden von Mallorca zusammen mit Philippe Bramaz das Weingut „Atlan&Artisan“ gegründet. Foto: Weingut „Atlan&Artisan“

    Mallorca

    „Mit 16 Jahren habe ich die Schule abgebrochen, weil ich unbedingt Winzer werden wollte“, sagt Sebastian Keller und es klingt wie der Traum vom Lokomotivführer. Ganz fern war diese Vorstellung nicht, hatte die Familie doch einen Weinhandel im Siegerland. Auf den Zug ist er dann doch sehr schnell aufgesprungen mit einer Ausbildung auf dem Weingut von Paul und Sebastian Fürst im fränkischen Bürgstadt. In diesem Betrieb zu lernen, der die besten Burgunder in Deutschland erschafft, heißt, in einen ICE einzusteigen. Und so war es. Mit dieser herausragenden Basis fing Keller an, Weingüter zu beraten. Mit großem Erfolg und entsprechender Entlohnung war es dann im Jahr 2010 so weit. Zusammen mit Philippe Bramaz gründete er im Norden von Mallorca ein Weingut, das er „Atlan&Artisan“ nannte, also grob übersetzt: „König und handgemacht“. Mit 2000 Flaschen fing das Abenteuer an, unter freudiger Kollegen-Hilfe des ehemaligen Lehrherren Sebastian Fürst, der Weinberge mit anlegte. Mittlerweile sind es 35 Hektar auf Mallorca, die mit den einheimischen roten Rebsorten Callet und Manto Negro, aber auch mit Cabernet Sauvignon, Merlot, Cabernet Franc und Grenache bepflanzt sind. 

    Sebastian Keller, der sein Wissen aus zahlreichen internationalen Wein-Projekten erworben hatte, erkannte schon früh, „dass auf Mallorca qualitativ hochwertiger Weinbau möglich ist.“ Als er einstieg, gab es ein Dutzend Winzer, heute beackern um die 90 Weinbauern an die 3000 Hektar Rebfläche (zum Vergleich: Deutschland hat 104.000 Hektar). Keller macht so einiges anders auf den Kalkböden der deutschen Lieblings-Ferien-Insel. Zuallererst verzichtet er komplett auf künstliche Bewässerung in dieser bisweilen heißen und trockenen Gegend. Ein Thema, das selbst in Deutschland „heiß“ diskutiert wird. Heraus kommen zwei Rotweine, die auf den Namen „8 Vents“ und „8 Vents Gran“ hören, also „8 Winde“, die auf Mallorca treffen. Sie werden als die Ureinwohner der Insel bezeichnet: die vier großen Brüder Tramuntana, Ponent, Migjorn und Llevant, sowie deren Cousins Gregal, Mestral, Llebeig und Xaloc. Der kleine Bruder der acht Winde, 12 Monate in französischer Eiche gelagert, macht Eindruck mit Noten nach Rumfrüchten, aber auch Paprika und Asche. Er kommt mit Gewicht daher und bleibt dennoch leicht am Gaumen. Der große Bruder ist komplex mit dem Geruch nach gerösteten Mandeln und fein eingewobenem Marzipan. Sebastian Keller empfiehlt zum „8 Vents“ ein Gericht aus seiner Kindheit: Pasta mit einer hausgemachten Tomaten-Sauce. Also aus der Zeit mit seinem Traum vom eigenen Weingut. 

    2019 „8 Vents Tinto, € 21, www.geisels-weingalerie.de

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