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Selbstversuch: Wie ich einmal versuchte, Weltmeisterin zu werden

TAC ist ein Brettspiel, das eine Mischung aus Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, Mau-Mau und Schach ist. Schafft es unsere Autorin Weltmeisterin zu werden?
Foto: TAC-Verlag, HP und Markus Lang
Selbstversuch

Wie ich einmal versuchte, Weltmeisterin zu werden

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    An einem normalen durchschnittlichen Tag in diesem Frühjahr hatte ich die Idee, Weltmeisterin zu werden. Ich stellte mir das fantastisch vor. Allein schon, es zu versuchen. Es gibt meinem Gefühl nach keinen Titel, der so viel Glanz versprüht, nur durch seinen Namen … Weltmeisterin, Meisterin der Welt. Alle, denen ich von meiner Idee erzählte, mussten lachen. Ich verstehe das. Wenn ein ganz normaler Mensch, der vieles normal, manches durchaus auch gut, aber nichts so richtig weltmeisterlich kann, wenn ein ganz normaler Mensch also einem mit so einer Idee kommt, kann man ja nur lachen. Als ob man so mir nichts, dir nichts Weltmeister wird. 

    Wie man ja auch nicht einfach so Nobelpreisträgerin wird, bloß, weil man sich das mal eben einbildet. Wobei es natürlich deutlich mehr Weltmeisterinnen und Weltmeister als Nobelpreisträger gibt. Die Chancen stehen also statistisch gesehen besser. Und wenn einem gewisse Dinge egal sind, zum Beispiel, ob das Event auch international live übertragen wird, ob man danach also berühmt ist, sich jemand deinen Namen eintätowieren lässt, kann man sie noch erhöhen. Von der TAC-Weltmeisterschaft gibt es nicht einmal irgendeinen Livestream. 

    TAC? Das muss man jetzt natürlich erst mal erklären, die nachgeschobene Aufwärmphase in diesem Text sozusagen. Ganz knapp: Ein Brettspiel, das eine Mischung aus Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, Mau-Mau und Schach ist. Zwei Zweier-Teams spielen in der klassischen Variante gegeneinander - mit Kugeln, Karten und Kopf. Ein austrainierter Körper also ist sekundär, was sich fein trifft. Mit TAC ist es wie mit vielen Dingen im Leben: Relativ schnell erklärt, ach, denkt man, ist doch quasi ein Kinderspiel, dann kommt eine Phase der Selbstüberschätzung, wie irre schlau man sich anstellen kann, was es für Finessen gibt, erkennt man aber erst, wenn man über Grundsätzliches nicht mehr nachdenken muss. Als ich beim TAC-Verlag im Frühjahr anrief, und um eine Wildcard für die Weltmeisterschaft bat, einen lachenden Kolja Sparrer am Apparat, befand ich mich als unregelmäßige Hobbyspielerin vermutlich am Anfang der Phase zwei …

    Braucht man einen Coach, vielleicht sogar mehrere?

    Wie aber wird man Weltmeisterin? Braucht man einen Coach, am Ende sogar mehrere? Einen Schlafcoach, wie ihn die deutschen Fußballer vor Turnieren konsultieren, weil unausgeschlafen wird das natürlich nichts mit dem Titel? Soll man durchtrainieren oder Pausen einlegen? Braucht es ein Trainingslager? Wenn man noch nie Weltmeisterin war, es noch nie versucht hat, weiß man das ja alles nicht.

    Man muss sich dann alles erfragen, von echten Experten, ich telefonierte unter anderem mit einem Weltmeister, der so viele Titel besitzt, dass er die genaue Anzahl gar nicht im Kopf hatte. "Reichlich", sagte er und lachte selbst ein bisschen über seine Antwort. Was man beim TAC aber vor alledem wissen sollte, ist, mit wem man im Team spielen möchte. Das war einfach: Susanne Römmelt, gute Freundin, kluger Kopf, schwer zu beeindrucken. Am letzten Freitag im Juli betraten wir unter dem Jubel der Zuschauer das Stadion …

    DreiviertelTAC-Selfie: Susanne Römmelt (links) und die Autorin.
    DreiviertelTAC-Selfie: Susanne Römmelt (links) und die Autorin. Foto: Stefanie Wirsching

    Nein, natürlich anders. TAC-Spieler brauchen einen Tisch, vier Stühle und ein Spiel. Und ein Dach über dem Kopf, falls es regnet, weil sonst die Karten und das Brett nass werden. Im Grubet-Haus im Wittelsbacher Land bei Aichach kann man an drei WM-Tagen zwischen drei Spielstätten wählen: Der Gaststube, dem Partyzelt oder dem Garten, der Platz für die Wagemutigen. Es regnet oft an diesen Tagen Ende Juli. Wir sitzen im Zelt, weil das hat einem der Mentaltrainer ja dringend ans Herz gelegt: Sich nicht von Störfaktoren ablenken lassen. Sich ganz aufs Spielfeld konzentrieren. Auf die eigenen Stärken. Regen ist ein Störfaktor. 

    Die Gegner sind es übrigens auch, atmen, spielen, reden, schlürfen vielleicht an ihrem Getränk, wollen gewinnen. Auf keinen Fall solle ich mich zu viel mit den Mitspielern beschäftigen, hat jedenfalls Thomas Dold aus Steinach im Schwarzwald gesagt: "Weil dann ist der Fokus von ihrer Leistung weg." Man schenke dann sozusagen dem Gegner fünf Prozent. Thomas Dold ist derjenige mit den vielen Titeln, Weltmeistertitel, Weltrekordtitel, im Treppenlaufen, im Rückwärtslaufen. Für Treppenläufer aber gibt es nichts Prestigeträchtigeres als den Wettbewerb im Empire State Building in New York. Dold hat auch da mehrmals gewonnen. 

    Einmal aber, das erste Mal, da ließ er Rudolf Reitberger, seinen härtesten Konkurrenten, im 76. Stock durch. Warum? "Weil ich an diesem Tag noch nicht dagestanden bin und gesagt habe, ich bin der Beste der Welt. Das muss man sich ja auch mental zutrauen. Ich hatte das nicht verinnerlicht." Dold sagt übrigens, der erste Weltmeistertitel sei großartig, die nächsten seien es ein bisschen weniger. Es sei so ähnlich, wie wenn man durstig ist, das erste Glas Wasser ist das wertvollste, das zweite ist gut, aber nicht mehr ganz so köstlich. In der Wirtschaftswissenschaft spreche man von abnehmendem Grenznutzen. Ich aber will ja erst mal nur einen. 

    Siegesbewusst sein, sich locker geben, rät mir mein Mentaltrainer

    Weil ja niemand zur WM fährt, der keinen Titel will, wollen das im Grubethaus natürlich alle: die Italiener, die Norweger, die Belgierinnen, die Österreicher, die vielen Berliner ... 64 Teams, ein Plan: Gruppenphase auf Platz eins oder zwei abschließen, ab ins Achtelfinale und dann einfach locker durchmarschieren. In unserer Gruppe befinden sich unter anderem: ehemalige Weltmeister, der amtierende deutsche Meister. Todesgruppe, würde man beim Fußball sagen. Als ob man gegen Frankreich und den FC Bayern spielen müsste. Wie da im Inneren unumstößlich siegesbewusst bleiben und sich nach außen "ocker und flockig" zeigen, wie es mir Dold geraten hat? Stichwort Körpersprache. Unser erster Gegner aber sind die lockeren Isländer! Loftur und Július, Teamname "A-TAC of the Ballz". 

    Eine der Spielstätten bei der TAC-WM: Das Partyzelt.
    Eine der Spielstätten bei der TAC-WM: Das Partyzelt. Foto: Manfred Zeiselmair

    Bei jeder Weltmeisterschaft gibt es ja so etwas wie die Weltmeister der Herzen. Bei der Fußball-WM in Katar waren es die Marokkaner, die nach ihren Siegen auf die Tribüne sprangen, um ihre Mütter zu herzen, was weltweit allen anderen Müttern natürlich sofort die Tränen in die Augen trieb. Ach, diese Jungs. Weltmeister sind sie dann nicht geworden, beide Titel zu gewinnen, scheint nahezu unmöglich. Im Grubet-Haus sind die Herzbuben vermutlich die Isländer, ohne Mütter, aber mit drei Fans angereist. Aus Island! Wo es nur drei TAC-Bretter gibt, und zwar alle in Grundarfjördur, dem 800-Seelen-Dorf, das hier keiner kennt. 

    Aber Loftur, der drei Tage lang bevorzugt Ringel-Shirts trägt, zeigt uns Bilder vom Hausberg von Grundarfjördur und sagt, das ist der aus der Serie Game of Thrones. Ah! Die drei Bretter reichen ihnen in Grudanfjöttdur schon lange nicht mehr, weshalb sie auf der Heimreise 15 weitere mitnehmen wollen, um auch mal ein Turnier spielen zu können. "Übergepäck. Das wird teuer", sagt Loftur, Philosophie-, Englisch- und, auch das gibt es in Island, Innovationslehrer. 

    Er hatte die weiteste Anreise, aber auch den größten Spaß: Loftur aus Island.
    Er hatte die weiteste Anreise, aber auch den größten Spaß: Loftur aus Island. Foto: Stefanie Wirsching

    Die Isländer wollen vor allem eins: Spaß haben

    Die Strategie der Isländer ist schnell klar: maximalen Spaß rausholen. Schmeißt man die Isländer, also eine ihrer Kugeln, werfen sie einem einen Gag hin. Auf dem Tisch stehen auch zwei Bier, das seien sie so gewohnt, sie würden ja meist abends spielen, sagt Loftur. TAC und Bier. Never change a winning team! Wobei wir gewinnen, 8:5. Mit Nüssen und Mineralwasser, streng nach Maßgabe des zuvor kontaktierten Ernährungscoachs, der einen dringend gewarnt hat vor zuckerhaltigem Stress-Snacken. "Sonst kommt man schnell in Unterzucker und das Gehirn funktioniert nicht mehr richtig", hat Richard Sauer gesagt und uns stattdessen Futter für den Kopf empfohlen: Kürbiskerne, Pistazien, Walnüsse, dazu mal einen Joghurt, Kohlehydrate nur sparsam. Aber wie bei TACliatelle nein sagen, die gibt es am zweiten Tag. 

    Jedenfalls, erster Tag, erster Sieg also und eine kleine Erleichterung: Was, wenn in diesem Text stehen würde, dass man eine Schlappe nach der anderen eingefahren hat? Schöner ist es anders, wobei, um auf die Herzen zurückzukommen, die fliegen oft denen zu, die nichts zu verlieren haben. Einem wie Eddi The Eagle, britischer Skispringer, der sich vor dem Wettkampf stets die dicke Brille putzte, als legendärer Letzter gefeiert wurde. Später hat er sich die Augen lasern lassen, ein paar Singles aufgenommen, ein Buch geschrieben, aber nichts war mehr so groß wie das Verlieren. 

    Das Team LahmaPanda geht mit dementsprechenden Glücksbringern an den Start. Warum aber Lahma mit h? Das liege am einst lahmen Spieltempo.
    Das Team LahmaPanda geht mit dementsprechenden Glücksbringern an den Start. Warum aber Lahma mit h? Das liege am einst lahmen Spieltempo. Foto: TAC-Verlag, HP und Markus Lang

    TAC ist übrigens nach Island gekommen, weil es Loftur in Graz bei Freunden kennenlernte, und dann – wieder zu Hause in Grundarfjördur - gleich eines bestellt hat. Und dann gab es wieder drei, die begeistert waren. Prinzip Zellteilung. TAC, TAC, TAC… Genauso also, wie sich Karl Wenning und Kolja Sparrer das vor 20 Jahren erhofft hatten, als sie tüftelten, spielten, verfeinerten, und aus dem Vorläufer Pachisi, ein indisches Spiel, schließlich das bayerische TAC entstand. Seitdem hat der TAC-Verlag in Schloss Blumenthal bei Aichach schon über 100.000 Bretter in alle Welt geschickt. Nur die Antarktis fehlt noch als letzter Kontinent, sagt Kolja Sparrer, ab jetzt kurzerhand Kolja. Weil: Beim TAC duzt man sich. 

    Werbung haben sie nie gemacht, nie machen wollen. "Werbung ist das Spiel selbst", sagt Kolja. Der neue Klassiker, so haben es Karl und Kolja schon zu Beginn mit einer gewissen Siegesgewissheit genannt und weil im Begriff auch eine gewissen Zeitlosigkeit mitschwang. Als Spiel des Jahres hingegen wird man ja auch mal schnell alt. 2005 dann fand die erste WM statt, es gewannen die Wiener, Teamname Pole-Pole. Seitdem acht weitere.

    Unser Teamname: "DreiviertelTAC". Das hat so etwas Leichtes

    Unser Team heißt "DreiviertelTAC". Das hat so etwas Leichtes, so etwas Schwungvolles, haben wir gedacht. Wir sehen uns in der schönsten Vorstellung von Sieg zu Sieg tanzen … tanzen noch gegen "LahmaPanda", treffen dann aber auf "TiciTACa". 

    An dieser Stelle ein paar klärende Worte, weil man bei den Namen womöglich fälschlicherweise denken könnte, es handle sich um eine Spaßveranstaltung. Veranstaltungen, bei denen man Spaß hat und Spaßveranstaltungen werden leicht verwechselt. Und bei manchen sogenannten Spaßveranstaltungen kann der Spaß auch schnell aufhören, siehe die Hotdog-WM, bei der vor einigen Jahren der aufgebrachte japanische Ex-Weltmeister die Bühne stürmte, als Joey Chestnut, der Sieger, eben seinen senfgelben Gürtel in Übergröße und 20.000 US-Dollar entgegennehmen wollte – schwer verdient durch das Verschlingen von 54 Brühwürstchen in zehn Minuten. 

    Weltmeisterschaften wie der Hot-Dog-WM wird auch gerne das Wort kurios vorangestellt. Als ob ein Wettbewerb, in dem die Menschen einem Ball hinterherrennen, den aber nur mit den Füßen oder dem Kopf spielen dürfen, nicht genauso merkwürdig ist. Man hat sich nur seit Langem daran gewöhnt. In einer anderen Welt würde man sich schlapplachen. In dieser hier witzelt man aber eben über die Frauen-Tragen-WM, die Luftgitarren-WM oder die Gummistiefel-Weitwurf-WM, die wirklich aus einem Spaß entstand, für die mittlerweile aber eigens windschnittige Gummistiefel angefertigt werden: Männer werfen mit einer Größe 43, Frauen mit 38. Die TAC-WM ist laut offizieller Ankündigung jedenfalls eine "mit Augenzwinkern". 

    Hier scheint der Teufel gespielt zu werden, die gemeinste Karte: Man darf in die Karten des Gegners schauen.
    Hier scheint der Teufel gespielt zu werden, die gemeinste Karte: Man darf in die Karten des Gegners schauen. Foto: TAC-Verlag, HP und Markus Lang

    Wobei die Spielerinnen und Spieler selbst nicht ganz so viel zwinkern, also während des Spiels. Es wird viel geschwiegen. Immer wieder aber auch gelacht. Ansonsten Gemurmel und Murmelklacken. Einmal, als ein Mitspieler eine lustige TAC-Geschichte erzählen will, sagt seine Partnerin mit einer gewissen Strenge in der Stimme: "Nicht jetzt". Einmal zucken alle kurz zusammen, weil ein offenbar entnervter Spieler Luft ablassen muss: "Warum hast du nicht die Vier gespielt?" Die Vier ist eine besondere Karte. Mit ihr kann man rückwärtsgehen. Die gemeinste Karte ist der Teufel. Man darf dann in die Karten des Gegners schauen und einen Zug für ihn machen. Zum Beispiel mit einer seiner Kugeln seine andere schmeißen. 

    Es gibt inzwischen TAC-Ehen, TAC-Kinder – aber auch TAC-Scheidungen

    Kolja und Karl haben diese Meisterkarten erfunden, um, wie Karl es sagt, noch ein bisschen Pfeffer ins Spiel zu bringen. Manchmal ist ein bisschen viel Pfeffer drin, klingeln Spieler beim TAC-Verlag zum Beispiel Samstag spätabends durch und wenn Kolja dann aus Spaß das Gespräch annimmt, ruft jemand durchs Telefon: "Sie müssen meine Ehe retten". Es geht dann meist um die Sonderkarten und wie man die genau spielen darf. Beim TAC-Spielen lernt man die anderen übrigens schnell recht gut kennen, die anderen einen aber natürlich auch. Manchmal wird daraus Liebe. Es gebe nicht nur TAC-Ehen, sondern mittlerweile auch TAC-Kinder, sagt Kolja: "Das rührt uns." TAC-Scheidungen aber gebe es leider auch. Zur TAC-Familie zählen wir jetzt jedenfalls auch.  

    Die vielleicht wertvollste Karte ist übrigens die TAC-Karte. Mit ihr kann man den Zug des Gegners rückgängig machen. Eine TAC-Karte kann einen demotivieren wie ein gegnerischer Elfmeter. Man muss sich dann erst wieder aufrappeln. Zwei Mal passiert uns das im ungünstigsten Moment gegen die "Backupladies", Susanne aus Holzkirchen und Gitte aus Germering. 7:8 die Niederlage. Weil wir davor auch schon gegen "TiciTACa", das souveräne Geschwisterpaar Martina und Christian, die Weltmeister von 2017, mit 4:8 untergegangen sind, wird es damit knapp fürs Achtelfinale. Und jetzt? 

    Niederlage anerkennen, hat mein Mentalcoach gesagt, das sei wichtig: Sich zum Beispiel sagen, ich habe das Spiel verloren, weil ich unkonzentriert war, weil ich mich falsch entschieden habe, weil ich blöde Karten hatte. "Das führt dazu, dass sie nicht in der Vergangenheit hängen bleiben." Schlecht fürs Selbstbewusstsein, dass eben dann an dieser Vergangenheit leidet. "Wenn sie die vergessen, spielen sie frisch, fröhlich und wieder ihr bestes Spiel". 

    Weil ich fast alles, was Thomas Dold mir gesagt hat, beherzige – unter anderem auch im Straßenverkehr an auf grün springenden Ampeln immer noch eine Sekunde länger stehen geblieben bin und eine einfache kleine Rechenaufgabe gelöst habe, um mich gegen die mögliche Ungeduld der anderen im Turnier zu wappnen – gewinnen wir nach gut eineinhalb Stunden gegen die Deutschen Meister, "Mach keine TACsen", Max und Jochen. Ein Sensationserfolg, jedenfalls klatschen die Zuschauerinnen und Zuschauer, von denen sich am Ende immer mehr um unseren Tisch gruppieren, und ich juble wie Messi. 

    Es muss an den Karten gelegen haben, dass wir dann gegen die "finGerlinGe" verlieren, Tanja und Rolf aus Berlin. 

    "I tac di", singt die Turda Family abends zur Musik der Beatles.
    "I tac di", singt die Turda Family abends zur Musik der Beatles. Foto: TAC-Verlag, HP und Markus Lang

    Wie viel Glück braucht man, um Weltmeister zu werden?

    Stichwort Glück also. Wie viel Glück braucht man, um Weltmeister zu werden? Mit Glück gewonnen, das klingt ja immer ein wenig so, als habe man es nicht unbedingt verdient. Aber wie ohne Glück gewinnen? Irgendwann verliert jedenfalls jeder mal beim TAC. Weil man eben auch als bestes Team nicht gewinnen kann, wenn die Karten schlecht sind. Etwa 70 Prozent seien Können, 30 Prozent Glück, sagt Karl. Kolja bezieht in die Rechnung noch den Teamspirit mit ein: 60 Prozent Können, 30 Prozent Teamgeist, 10 Prozent Glück. Glück ist nicht planbar. Oft ist es jedenfalls so: Hat man Glück, verweist man auf sein Können. Beim Pech ist das anders. Das Pech wird gerne großgeredet. Vom Fußballer Jürgen Wegmann, genannt die Cobra, gibt es das legendäre Zitat: "Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu." Wegmann wurde nie Weltmeister. 

    Kleine Zwischenrunde jetzt im Garten vom Grubethaus, Plausch mit Titelträgern. "Mir taugts jeden Tag, wenn ich daran denke", sagt Wolfgang, Sonne im Gesicht, in dem Moment der noch amtierende Weltmeister vom Salzburger Team "Eh wuascht". Er hat seine selbst gebauten Skier mit ins Grubethaus gebracht, in die er seinen Titel im Holz verewigt hat. WM 2019. Die Skier, sagt er, die fahren richtig gut. Damit hatte er gar nicht unbedingt gerechnet. Kompagnon Hans hat den Titel wiederum im Lebenslauf vermerkt. Auch richtig gut, "da wirst du sofort drauf angesprochen." 

    Gegenüber am Tisch sitzen Michael und Susi, Dreamteam aus Gerolsbach, Weltmeister 2011. Michi zeigt im Smartphone ein Bild: "Da haben wir uns ins Goldene Buch von Gerolsbach eingetragen." Wegen Michi hat auch schon Tim Mälzer bei einer TAC-WM mitgespielt. Er habe davon gehört, dass der Starkoch gerne spiele, "und dann habe ich gesagt, den hole ich Euch." Eingespielt haben sie sich dann auf der Terrasse von Michi und Susi. Die ehemaligen Weltmeister wirken jedenfalls an ihrem Tisch im Garten alle sehr froh. Wobei so ein Weltmeistertitel auch eine Schattenseite hat, sagen sie, vielleicht auch zum Trost für alle Nicht-Weltmeister. Danach wollen erst recht alle gegen einen gewinnen. Weil der Glanz des Titels dann auf den inoffiziellen anderen abfärbt: Weltmeister-Bezwinger. 

    Das Halbfinale zwischen "TACrash" und "Devil & Angel".
    Das Halbfinale zwischen "TACrash" und "Devil & Angel". Foto: TAC-Verlag, HP und Markus Lang

    Gefühlt ist übrigens jeder Deutsche Weltmeister. Fußball-Weltmeister, der "Wir sind Weltmeister"-Titel der Männer. 1954, 1974, 1990, 2014. Lichtjahre. Lichtmomente, an die sich die meisten ihr Leben lang erinnern oder fragen wir mal so: Wo waren Sie am 13.Juli 2014? Der Schriftsteller F. C. Delius hat einmal eine grandiose Erzählung über seine Erinnerung an 1954 geschrieben, die so begann: "Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde, begann wie jeder Sonntag: Die Glocken schlugen mich wach, zerhackten die Traumbilder, prügelten auf beide Trommelfelle und droschen den Körper, der sich wehrlos zur Wand drehte. Nur wenige Meter vor meinem Bett stand der Kirchturm …" Die ersten sieben Worte des ersten Satzes sind auch der Titel. Delius war ein Weltmeister im Schreiben. Apropos Traumbilder: Einmal habe ich tatsächlich geträumt, dass ich Skiweltmeisterin werde, weil ich mich in hohem Tempo versehentlich auf die Rennstrecke verirre. Ich schaute damals sehr oft Skirennen im Fernsehen, so muss das gekommen sein. 

    Samstag, 18.15 Uhr - wir sind raus!

    Zurück zur WM und um es jetzt mal kurz zu machen: Wir sind raus! Samstag, 18.15 Uhr. Vielleicht ist unser Glück bei den "Namenlosen", Alex und Susanne aus München, einfach aufgebraucht. Könnte natürlich auch am Können liegen. "Die meisten Menschen haben physisch und psychisch viel mehr auf dem Kasten, als sie sich vorstellen können. Wenn man ganz bei der Sache ist, kann der Mensch Berge versetzen", hat Thomas Dold gesagt, und mir dann die Geschichte von Andrew Carnegie erzählt, der einst der reichste Mann der Welt war. Auf die Frage, wie er das geworden ist, soll Carnegie geantwortet haben: "Ich kann mich fünf Minuten nur auf eine Sache konzentrieren." Nur fünf Minuten? Dold hat gelacht. Das könnten die wenigstens. Aber wer es könne … 

    Was Dold, dem es als Coach, wie er sagt, um Nachhaltigkeit geht, aber auch erwähnt hat: "Ich bin ehrlich, oftmals hat das Ergebnis ganz viel mit dem Training zu tun. Sie treffen da auf Leute, die vielleicht schon 1000 Stunden mehr gespielt haben." Vielleicht also hätten wir früher mit dem Trainieren anfangen müssen. Doch ins Trainingslager fahren, Malente zum Beispiel. Uns bleibt wie 48 anderen Teams die Ananasrunde. Nach zwei Siegen und einer Niederlage beenden wir die TAC-WM auf Platz 14 im Tableau des Trostwettbewerbs. Schön, dass wir noch die netten Norweger kennengelernt haben, "TIC TAC NO", die uns ein bisschen von ihrer Europatour erzählten. Europa sei viel sauberer als früher, hat der Mathematikdozent Jon Eirik gesagt, das sei ihm aufgefallen, selbst in Italien würden sie jetzt Müll trennen. 

    Jubeln nach dem finalen Spielzug: Die neuen TAC-Weltmeister Devil & Angel, sprich Axel und Monika aus Hamburg Hamburg-Lütjensee.
    Jubeln nach dem finalen Spielzug: Die neuen TAC-Weltmeister Devil & Angel, sprich Axel und Monika aus Hamburg Hamburg-Lütjensee. Foto: Manfred Zeiselmair

    Wir sind jedenfalls auch sehr froh. Die Weltmeister aber sind schon noch ein bisschen froher. "Devil & Angel", Monika und Axel aus Hamburg, die am Ende auf einem riesigen TAC-Brett im Garten unterm Kastanienbaum ihr Finale gegen "Mach keine TACsen" gewinnen. Obwohl die anderen mit ihrer ausgetüftelten Strategie, die ein bisschen an den Tiki Taka der spanischen Fußballer erinnern, immer die eigenen Kugeln im Spiel halten, zwischenzeitlich sichtbar dominieren. Und obwohl Moni einmal sogar ihre Smartwatch ablegen muss, weil der Pulsmesser offenbar Bedenkliches meldet. "Niemals aufgeben, das ist die wichtigste Sache", hat Kolja einem am Abend vor dem Turnier in einer letzten Trainingseinheit noch als ultimativen Tipp mitgegeben. 

    Es ist dann genau so, wie man es von Weltmeisterschaften kennt. Es wird gehüpft, geküsst, geschrien: Wow, wow, wow. Moni und Axel rufen vor der Siegerehrung schnell noch die Lieben per Videocall an, die Köpfe eng aneinander vor dem Handybildschirm. Dann lassen sie sich in den TAC-Weltmeistergürtel schnallen, so groß, dass eben zwei hineinpassen. Niemand stürmt erbost die Bühne. "Megacool", sagt Moni. Mega. Einfach mega. Genau so hatte ich mir das vorgestellt. Nur eben wir im Gürtel. Worum es mir gehe, hat mich Thomas Dold in unserem Gespräch gefragt. Nur ums Gewinnen? Aber nein, habe ich gesagt, auch um den Spaß. Wir hatten sehr viel Spaß. Und wie hat Dold noch gesagt? "Vielleicht stehen Sie ja erst am Beginn Ihrer Karriere." Jetzt aber erst einmal den Weltmeistern 2023 gratulieren! 

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