Politik geht durch den Magen. Zumindest, wenn es nach dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder geht. Dieser scheint keine Gelegenheit auszulassen, seine Lieblingsspeise auf Instagram zu zelebrieren: fränkische Rostbratwurst. Oder Ex-Innenminister Frank-Walter Steinmeier, der bei seinem Besuch in der Türkei einen regelrechten Döner-Gate-Skandal auslöste, als er einen 60-Kilo-Tiefkühl-Dönerspieß mitnahm. Unvergessen bleibt auch, wie der französische Präsident Emmanuel Macron bei einem Besuch in Hamburg ein Fischbrötchen mit frischen Zwiebeln angeekelt herunterwürgte. Ob gelungen oder nicht, das gemeinsame Speisen ist als diplomatisches Mittel in der Politik altbewährt. Auch Südkorea versucht, sein Image aufzupolieren. Mit Kimchi.
Das gesalzene und fermentierte Gemüsegericht wird meist aus Chinakohl zubereitet und schmeckt knackig-säuerlich. Eine Art Sauerkraut mit ordentlich Chili, zusätzlich verfeinert mit Frühlingszwiebeln, Ingwer und Knoblauch. Egal, ob als Hauptgang oder Beilage, Kimchi wird auf der Halbinsel tagtäglich gegessen.
Um die koreanische Kultur bekannt zu machen und Touristen ins Land zu locken, startete die südkoreanische Regierung 2009 die Kampagne „Korean Cuisine to the World“, der Staat pumpte rund 40 Millionen Dollar in das Vorhaben und gründete das „World Institute of Kimchi“. Die Liebe für das Nationalgericht scheint grenzenlos: Die erste südkoreanische Astronautin Yi So-yeon nahm 2008 etwa zwei Kilo Kimchi mit ins Weltall. Koreanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Technologieministerium in Seoul arbeiteten sechs Jahre lang an einer sterilen „Weltraum-Version“ des fermentierten Kohls. Ob sich die anderen beiden Astronauten in der russischen Raumkapsel auf dem Weg zur ISS wohl genauso über das stark riechende Kimchi freuten?
Kimchi-Diplomatie ist eine Kampagne der südkoreanischen Regierung
Der säuerliche Geruch ruft zumindest bei Jungmi Ha Kindheitserinnerungen hervor. „Als Kind mochte ich den Duft nicht besonders. Immer, wenn meine Mama Kimchi gemacht hat, hat die ganze Wohnung danach gerochen. Aber wir vier Kinder durften immer direkt probieren. Mittlerweile liebe ich es, selbst Kimchi zu machen“, sagt die 42-Jährige. Als sie vor über 20 Jahren von Seoul nach Deutschland zum Studieren zog, hatte sie sich zunächst kaum Gedanken um das fermentierte Gemüse gemacht. Doch frisch aus dem Elternhaus ausgeflogen und etwa 9000 Kilometer von der Heimat entfernt, begann die Opernsängerin, sich das Kochen selbst beizubringen. „Als Musikerin liebe ich innere Schönheit. Und daher auch gesundes, leckeres Essen“, erklärt Ha ihre Vorliebe für Kimchi. Mittlerweile führt sie das koreanische Feinkostrestaurant „Misik“ in Stuttgart. Auf der Speisekarte stehen verschiedene Kimchi-Varianten.

Denn Kimchi, das übersetzt fermentiertes Gemüse bedeutet, lässt sich aus allem Grünzeug und Kraut herstellen. Von Sellerie, Bärlauch und Gurke ist alles dabei. Gemeinsam haben die Varianten eines: Sie sind gesund, richtiges Super-Food. Das liegt an der besonderen Konservierungsmethode des Fermentierens, die seit der Antike angewandt wird. Dabei wird das Gemüse, eingerieben mit Salz und Gewürzen, luftdicht in einem Behälter verschlossen. So können sich die auf dem Kohl, Sellerie oder Bärlauch befindlichen Milchsäurebakterien ungestört vermehren und fleißig die im Gemüse vorhandenen Kohlenhydrate umwandeln – zu Milchsäure, weshalb Kimchi leicht sauer schmeckt. Viele dieser Milchsäurebakterien sind probiotisch, was bedeutet, dass sie förderlich für Verdauung und Immunsystem sind.
Die Milchsäurebakterien im Kimchi unterstützen die Verdauung und das Immunsystem
Da sich die Bakterien stark vermehren, hemmen sie wiederum das Wachstum von schädlichen Mikroorganismen. So wird nicht nur das Gemüse haltbar, sondern auch die Darmflora unterstützt. Also Kimchi als Wundermittel? Davon ist Ha überzeugt: „Ich bin sehr selten, eigentlich nur alle paar Jahre, krank. Dafür esse jeden Tag frisches Kimchi. Für mich ist es perfekt, wenn es ein bis zwei Tage gegärt hat. Mehr nicht.“ Aber es geht noch mehr: Das nahrhafte Gemüse kann an einem gekühlten Ort bis zu drei Jahre reifen. In Südkorea werden drei verschiedene Arten unterschieden: frisches, ein Jahr junges und drei Jahre altes Kimchi. Das ist wie beim Käse, erklärt Ha: „Die einen mögen es am liebsten lange und dementsprechend sauer gereift, die anderen lieber milder und knackig.“

Damit für jeden Geschmack das richtige Gemüse dabei ist, gibt es in Südkorea seit den 1980ern extra Kimchi-Kühlschränke. Schätzungsweise steht in jedem fünften Haushalt solch ein Gerät, das die Lagertemperatur konstant auf vier Grad Celsius hält. Und nur fermentiertes Gemüse beinhaltet, das ganz nach Familienrezept zubereitet wurde. Früher wurde Kimchi noch in riesigen braunen Keramiktöpfen aufbewahrt, die in der Erde vergraben werden konnten. Was jedoch geblieben ist, ist die traditionelle Art des Kimchi-Herstellens, bei der sich die Nachbarschaft im Herbst trifft, um Unmengen an Gemüse zu verarbeiten. Diesen besonderen Brauch des „Gimjang“ hat die UNESCO 2013 zum immateriellen Weltkulturerbe erhoben. Die Auswirkung einer erfolgreichen Kimchi-Diplomatie?
In Südkorea gibt es an die 100 Arten von Kimchi
Bei einem hat die Kimchi-Strategie jedenfalls gefruchtet: Andreas Kohlmus aus Augsburg. Der 28-Jährige macht mittlerweile regelmäßig Kimchi. Um mehr von dem fermentierten Kohl herstellen zu können, hat er sich einen Gärtopf statt der klassischen Einmachgläser zugelegt. Sonst ist der Vorrat schnell aufgebraucht, wenn sich Freunde und Familie zum Essen anmelden. „Der Geruch erinnert an Sauerkraut, doch Kimchi ist knackiger, erfrischender und natürlich schärfer. „Passt perfekt zu Schweinebauch oder Hähnchenflügel“, sagt der Hobbykoch. Anfangs habe er sich einige Kochvideos im Internet anschauen müssen, bis er seine eigene Rezeptur gefunden hat. Im Gegensatz zu Ha kann er auf kein Familienrezept zurückgreifen, doch das könnte bei den kommenden Generationen anders sein. Denn spätestens seit dem Corona-Lockdown und dem damit einhergehenden Trend zum Selbermachen ist das fermentierte Gemüse auch in Deutschland angesagt.
Kimchi-Rezept von Hobbykoch Andreas Kohlmus:
Gemüse zum Einlegen:
- 2 mittlere Chinakohl
- 2 Möhren
- 1/2 weißer Rettich oder 1 Kohlrabi
- 1 Bund Frühlingszwiebeln
- Grüne oder rote Chili (optional)
- Meersalz
Zutaten für die Kimchi-Paste:
- 1 Zwiebel
- 6 Zehen (frischer) Knoblauch
- Frischer Ingwer, etwa die Hälfte der Knoblauchmenge
- 1 Apfel oder Birne
- 4-7 EL koreanisches „Gochugaru“ (koreanische Chiliflocken, online oder im Asia-Shop erhältlich)
- 2 EL Reismehl
- 4-6 EL Fischsoße oder Sojasauce
Zubereitung:
- Schneide den Chinakohl grob in Stücke, Karotten, Chili und Rettich in Stifte, Frühlingszwiebeln in Ringe.
- Nun nehme 80 Gramm Meersalz und reibe damit die Kohlblätter gut ein. Sei genau, denn dieser Schritt ist der wichtigste. Lass den Kohl daraufhin mind. zwei bis vier Stunden ruhen. So tritt das Wasser aus dem Gemüse aus.
- In dieser Zeit kann die Paste hergestellt werden: 300ml Wasser mit dem Reismehl vermischen und 5 Minuten leicht köcheln lassen. Das Ganze abkühlen lassen.
- Daraufhin die Reismehl-Paste zusammen mit Knoblauchzehen, Ingwer, geschälter und zerteilter Birne, Gochugaru, Fischsoße in den Mixer und pürieren. Fertig ist die typisch rote Kimchipaste.
- Die rote Paste mit dem geschnittenen Gemüse vermengen.
- Nach der Ruhezeit des Chinakohls diesen leicht abwaschen, um überflüssiges Salz zu entfernen. Danach vollständig mit der Kimchi-Paste einreiben.
- Presse nun das Kimchi Schicht für Schicht in ein Glas und drücke jede einzelne Schicht fest, damit die Flüssigkeit den Kohl schön bedeckt. Lasse ca. 3 cm Platz zum oberen Rand frei, damit das Kraut nicht beim Fermentieren überläuft. Wichtig ist, dass alles mit Flüssigkeit bedeckt ist und es im Glas keine Luftblasen gibt. Fermentationsgewichte aus Glas oder ein Stein sind hierfür ideal.
- Verschließe das Glas und lasse es bei Raumtemperatur stehen. Im Sommer etwa ein Tag, im Winter drei bis fünf. So kommt die Fermentation schnell in Gang. Bei Drehverschlüssen das Glas lieber einmal am Tag öffnen, um die Gärgase entweichen zu lassen. Bei Weck-Gläsern mit Gummiring ist dies nicht nötig.
- Danach muss das Kimchi an einen kühleren Ort umziehen. Hier kann es bis zu drei Jahren gelagert werden. Guten Appetit.
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