Nun beginnt sie wieder: diese Zeit der warmen Abende, in der die komplette Speisenfolge über jeden Gartenzaun oder Balkon weht. Fisch, Fleisch, Würste, Gemüse - ach, einfach alles funktioniert. Und daneben steht ein Kasten Bier. Dem Wein wird als Begleiter zu Grill-Gerichten nicht viel zugetraut. Welch ein Irrtum! Wenn man ein paar Regeln beachtet, können das offene Feuer und die offene Weinflasche beste Freunde werden.
Vorab ein Geständnis: Ich besitze gar keinen Grill. Nicht etwa, weil ich Veganer bin oder Angst vor einem Großbrand habe, sondern weil mich dieses leicht nussige Aroma mit seinen Röst-Tönen schlicht in den kulinarischen Wahnsinn treibt vor Freude und dabei auch noch meinen Sättigungs-Reflex einfach schamlos außer Betrieb setzt. Meine Freunde stöhnen deshalb amüsiert während und nach meinem Besuch, weil sie es nicht fassen können, dass man sich dem Vergnügen am Grill so hemmungslos hingeben kann. Und das mit Weinen, die gerne das Spiel mit dem Feuer mögen.
Ist der Ruf erst ruiniert...
Es ist eine dieser Geschichten von Erfolg plus Größenwahn mit Niedergang und Wiederauferstehung. Wir kennen sie zum Beispiel vom Anbaugebiet Beaujolais, das wunderbare Weine aus der Rebsorte Gamay hervorbrachte, ehe die Marketing-Spezialisten die Schraube mit dem „Beaujolais Primeur“ überdrehten, den sie gleich noch im Herbst unmittelbar nach der Lese mit großem Getöse vertickten. Das Ende ist bekannt und ruinös für das Anbaugebiet gewesen.
Auch der Lambrusco hat so ein Schicksal vorzuweisen. Er war ein hochgeachteter Wein aus dem kulinarischen Epizentrum Italiens, der Emilia-Romagna. Nichts Großes, aber ein Tropfen, der wunderbar mit Würsten aller Art umgehen konnte und dabei lässig geperlt hat in allen Wein-Farben. In den 1980er-Jahren entdeckte die Wein-Agrar-Industrie das Potenzial dieses Charmeurs und schlachtete die Mode aus bis zum Gehtnichtmehr. Übrig blieb ein Getränk, das mit brachialer Kohlensäure und klebrig aufgesetzter Restsüße den Abstieg beschleunigte.

Erst Jahre, nachdem die Preise für diese Weine und die entsprechenden Weinlagen zusammengebrochen waren, begann (wie im Beaujolais) ein spannender Neu-Anfang, der es ambitionierten Jungwinzern oder ehrgeizigen Quereinsteigern ermöglichte, Weinberge für kleines Geld zu pachten oder zu kaufen. Max Brondolo („Podere Sottoilnoce“) gehört zu den Zweiteren. Im Jahr 2014 konnte er drei Hektar erwerben mit bis zu 70 Jahre alten Rebstöcken und vielen Rebsorten, die heutzutage nicht mehr angebaut werden. Sein zartroter „Saldalama“ vereint auf wunderbare Weise Komplexität mit Trinkfähigkeit. Während die Sorbara-Traube Säure und Mineralität einbringt, steuert Grasparossa samtige Frucht und auch Gerbstoffe bei. Und eben diese Gerbstoffe, also das Tannin, erweitern das Spektrum des Lambruscos, was den Gerichten vom offenem Feuer guttut.
Ein Prosecco, (selbst wenn er aus der trinkbaren Qualitäts-Stufe kommt) zerschellt mit seiner harmlosen Fruchtigkeit an den Röst-Aromen des Grill-Guts. Der elegante Champagner bleibt ein Zaun-Gast am Feuer-Rost, denn seine jodigen und salzigen Aromen tun sich im Dialog mit den wunderbar derben Barbecue-Noten einfach zu schwer. Der „Saldalama“ ist ein absolut trockener Natur-Schaumwein, der den Grill liebt. Weit weg von aller Mode und dabei preislich höchst interessant.
2023 Saldalama Lambrusco, Podere Sottoilnoce, € 19.90, www.weinhalle.de
Was muss ein Grill-Wein können?
Es ist die älteste Art der warmen Speise-Zubereitung und die einfachste: Rauf oder rein ins Feuer und Ende. Das hört sich nicht elegant an und ist es eigentlich auch nicht. Rein chemisch geht es um die sogenannte „Maillard-Reaktion“, eine Bräunungs-Reaktion bei der Amino-Säuren und Zucker im und auf dem Grill-Gut durch die Hitze zu neuen Verbindungen umgewandelt werden. Geschmacklich entsteht „umami“, japanisch für Wohlgeschmack, das durch die Anwesenheit von eiweißreichen Lebensmitteln entsteht und durch eine gewisse Mundfülle und Pikanz besticht, die einen (sic!) immer zum nächsten Bissen verführt. Der geeignete Wein zum Grillen sollte saftige Gerbstoffe haben, die nicht kompliziert quer stehen. Frucht ist erlaubt, sofern sie Substanz hat und nicht harmlos-blumig ist. Hoher Alkohol lässt die Aromen zu heiß laufen und ist nicht dienlich. Kühle Weine mit einer gewissen Sprödigkeit werden im Anblick des Grills gerne charmant.
Die verkannte Wein-Farbe: Rosé passt gut zu Gegrilltem
Was ist eigentlich Rosé? Weiß und Rot gekonnt zusammengeschüttet? Eine eigene rosa Traube womöglich? Die Irrtümer setzen sich fort bei der Frage, was Rosé eigentlich am Esstisch kann: Geht nur als Apero? Vielleicht zum Fisch noch? Weit gefehlt. Dieser, ja-Rotwein (!), kann sehr viel mehr, wenn er ernst genommen wird vom Winzer und Qualität hat. Natürlich gibt es viele belanglose, Bonbonfarbene Wässerchen, die allenfalls Stehtisch-tauglich sind. Die große Qualität, die gutem Rosé vor allem im Sommer (aber nicht nur) innewohnt, liegt eben genau in der feinen Verbindung zu den Speisen am Tisch.
Klar, die Fischsuppe oder ein Salat mit gebratenem Ziegenkäse sind ein Heimspiel. Aber eben auch am Grill kann Rosé eine ganz große Nummer werden. Der Weißwein zu leicht, der Rotwein zu dick bei über 30 Grad? Hier schlägt die Stunde eines Rosé, der im Holz ausgebaut wurde und entsprechende Gerbstoffe hat, die es auch mit den Röstaromen einer gegrillten Aubergine und Paprika oder einem roten Stück Fleisch aufnimmt.

In der französischen Provence findet man durchaus solche ernstzunehmenden Weine in dieser Farbe. Dort ist Rosé übrigens auch kein ausschließliches Sommer-Getränk. Aber auch in Deutschland gibt es einige wenige Winzer, die Rosé mit Tiefgang und Fähigkeit zur Reife erschaffen. Das Weingut Aldinger im württembergischen Fellbach erreicht man aus Stuttgart mit der Straßenbahn. Die meisten der Rebstöcke für ihre gleich drei verschiedene Rosé blicken auf die württembergische Metropole samt Fußball-Stadion. Der „Spätburgunder Rosé Reserve“ wurde im Barrique (Holzfaß mit 225 Litern Inhalt) ausgebaut und bringt feine Röstaromen, aber auch die exotische Note von Pfeifentabak und Zedernholz ins Glas. Das Ganze bei mäßigen, absolut sommerlichen Alkoholwerten. Gert Aldinger, der diesen Wein vor vielen Jahren ins Leben gerufen hat, genießt sein Werk am Grill mit einer Zigarre in der Hand. Wer danach in den Himmel des Rosé steigen will, dem sei, einmal im Leben, der Kauf einer einzelnen Flasche eines unglaublichen Trollinger Rosé empfohlen, den sich Gerts Söhne, Hansjörg und Matthias ausgedacht haben, die den Betrieb längst übernommen haben. Aus der Welt gut. Nicht nur am Grill.
2023 Spätburgunder Rosé Reserve, € 22, 2022 Untertürkheimer Gips Trollinger Rosé, € 100, www.weingut-aldinger.de
Der steinige Weg
Zunächst hört sich das Ganze wie eine der vielen Winzer-Erfolgs-Geschichten aus einem der schönsten Anbaugebiete der Welt an. Ja, Walter Polz war eine ganz große Nummer dort. Zusammen mit seinem Bruder Erich Polz hat er die Welt erobert mit den gleichnamigen Weinen, die, knusprig und blank poliert, das Bild vom südsteirischen Wein über viele Jahre mitprägten. Danach kamen zu große Investitionen, eine Krankheit namens Corona, Zwist in der Familie und zum Schluss der Kontakt mit einem windigen Investor, die Walter Polz aus der Kurve getragen haben. Die Lust am Wein machen hat er nie verloren, der er bisweilen „weit vom Produkt entfernt“ war. „Und jetzt bin ich mit 62 Jahren der älteste Jung-Winzer weit und breit“, sagt Polz und man merkt, dass es ihm dabei ziemlich gut geht.

Gerade einmal drei Weine macht er, die sehr weit vom steirisch-konventionellen Aromen-Feuerwerk entfernt sind. Der „Stone White“ stammt aus einer West-Lage genau jenseits der Landesgrenze in Slowenien. Einen Lagen-Namen darf er nicht tragen, ebenso wenig einen Jahrgang oder eine Herkunft. Deshalb steht schlicht „Wein aus der EU“ auf dem Etikett und „22 geträumt“. Dieser Wein beeindruckt mit seiner Kargheit, in der sich Aromen nach Quitte und Feuerstein finden. Nach einem Jahr Hefe-Lager in der Amphore hat dieser Tropfen eine sog. „Malolaktische Gärung“ gemacht, bei der sich die schärfere Apfelsäure auf natürliche Art in die mildere Milchsäure umbaut. Absolut üblich bei Rotweinen ist das. Nicht aber bei der Rebsorte Sauvignon blanc. Mit diesem Kniff wird aus „Stone White“ ein sehr entspannter Grill-Begleiter zum Fisch, Huhn und auch zu gegrilltem Gemüse.
Stone White, € 38, www.zumweinmeister.de
Rotwein aus Frankreich - ein fleischiges Vergnüngen
In der großen Bewunderung für diese, in der Tat, großartige Wein-Nation fällt uns im roten Bereich das Bordelais ein mit kraftvollen Tropfen aus den Cabernet-Sorten, Merlot und Petit Verdot. Das Burgund glänzt mit, klar, Spätburgundern, also Pinot Noir der allerfeinsten Ausstattung, was sich leider auch in exorbitanten Preisen niederschlägt. Die Loire beeindruckt mit der durchaus sperrigen, aber lohnenswerten Rebsorte Cabernet Franc. Aber wo ist bitte Gaillac? Mit einer Traube namens „Duras“?

Ein fleischiges Vergnügen ist dieser Wein, der übrigens auch ganz hervorragend mit gegrillter Paprika, Zucchini und Auberginen umgehen kann. Griffig am Gaumen und mit rustikaler Eleganz kommt er daher. Die sehr wohl vorhandenen Gerbstoffe stehen nicht Weg und verbinden sich mit einer unkomplizierten Frucht nach Lakritze und schwarzem Pfeffer. Was für eine Freude für kleines Geld! Ach ja: Gaillac liegt im Südwesten Frankreichs zwischen Lyon und Toulouse.
2022 „Vendemia“, Domaine de Brin, € 11.90, www.weinhalle.de
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden