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Immer weniger Geier: Warum das die Gesundheit von Menschen gefährdet

Tierschutz

Immer weniger Geier: Warum das die Gesundheit von Menschen gefährdet

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    Geier gelten als Gesundheitspolizei der Natur. Denn sie fressen Aas und vermindern das Risiko, dass sich Krankheitserreger ausbreiten.
    Geier gelten als Gesundheitspolizei der Natur. Denn sie fressen Aas und vermindern das Risiko, dass sich Krankheitserreger ausbreiten. Foto: Stock Adobe

    Sie gelten als Gesundheitspolizei der Natur – und sind weltweit in Bedrängnis: Mehr als ein Drittel der Aasfresser unter den Wirbeltieren ist bedroht oder zeigt rückläufige Bestände. Besonders stark trifft es große Arten wie Geier, Bären oder Haie. Das hat eine neue US-Studie im Fachjournal PNAS ergeben. Die Forschenden warnen: Das Verschwinden dieser Spitzenprädatoren gefährde nicht nur das ökologische Gleichgewicht, sondern könne auch die menschliche Gesundheit massiv beeinträchtigen.

    Für ihre Untersuchung analysierten die Forschenden knapp 1400 Wirbeltierarten, die regelmäßig Aas fressen – von Land- über Süßwasser- bis zu Meeresbewohnern. Das Team kartierte die Verbreitung, den Erhaltungsstatus und die Ökosystemleistungen jeder Art. Grundlage dafür war unter anderem die Rote Liste der Weltnaturschutzunion IUCN.

    Rund 36 Prozent der Arten gelten als gefährdet oder ihre Bestände schrumpfen

    Das Ergebnis: Rund 36 Prozent der Arten gelten als gefährdet oder ihre Bestände schrumpfen. Besonders betroffen sind große Arten wie der Weißspitzen-Hochseehai oder bestimmte Geier, die sich vom Fleisch toter Tiere ernähren. Zugleich nimmt die Zahl kleinerer, anpassungsfähiger Arten – etwa Ratten, Füchse und streunende Hunde – vielerorts zu.

    Während große Tiere vor allem unter Wilderei, Lebensraumverlust und Giftstoffen leiden, profitieren kleinere oft vom menschengemachten Nahrungsüberfluss – etwa durch weggeworfene Lebensmittel oder ungesicherte Tierkadaver. Diese Verschiebung innerhalb der Aasfresser-Gemeinschaft hat Konsequenzen, wie die Forschenden um Chinmay Sonawane von der Stanford University warnen: „Wir gehen davon aus, dass diese globale Veränderung in der Struktur der Aasfresser-Gemeinschaften die Verweildauer von Kadavern verlängert und somit die Ausbreitung zoonotischer Krankheitserreger begünstigt.“

    Unter zoonotischen Erregern versteht man Krankheitserreger, die vom Tier auf den Menschen übergehen können – etwa die Auslöser von Milzbrand, Tollwut und Leptospirose. Die Gefahr geht nicht nur von den Kadavern aus, sondern auch von der steigenden Zahl kleinerer Aasfresser, die für den Menschen gefährliche Krankheiten übertragen können.

    Tüpfelhyänen verhindern Ausbrüche von Milzbrand und Rindertuberkulose

    Ein Beispiel aus Indien verdeutlicht die Tragweite: Dort brachen Geierpopulationen dramatisch ein, was auf Vergiftungen durch Rückstände von Diclofenac zurückgeführt werden konnte, einem für sie giftigen Tierarzneimittel, das in Nutztierkadavern gefunden wurde. In der Folge wuchs das Nahrungsangebot für streunende Hunde immens, ihre Zahl erhöhte sich um mehrere Millionen – und damit auch die Zahl der Tollwut-Fälle.

    In Äthiopien verhindern Tüpfelhyänen Ausbrüche von Milzbrand und Rindertuberkulose, indem sie Kadaver in der Nähe von Siedlungen beseitigen.
    In Äthiopien verhindern Tüpfelhyänen Ausbrüche von Milzbrand und Rindertuberkulose, indem sie Kadaver in der Nähe von Siedlungen beseitigen. Foto: dpa

    Die Forschungsgruppe schreibt: „Von 1992 bis 2006 wurden schätzungsweise 39 Millionen zusätzliche Hundebisse und 48.000 zusätzliche Todesfälle im Zusammenhang mit Tollwut verzeichnet.“ In besonders betroffenen Regionen erhöhten sich die allgemeinen Sterblichkeitsraten messbar. Auch wirtschaftlich übernähmen Aasfresser wichtige Funktionen: „In Spanien haben Geier seit jeher tote Nutztiere beseitigt und den Landwirten jährlich bis zu 67 Millionen US-Dollar an Kosten für die Sammlung und den Transport der Kadaver zu Verarbeitungsbetrieben eingespart.“

    In Äthiopien verhinderten Tüpfelhyänen jährlich mehrere Ausbrüche von Milzbrand und Rindertuberkulose, indem sie Kadaver in der Nähe von Siedlungen beseitigen – eine natürliche Gesundheitsvorsorge für den Menschen. Weltweit entsorgen Truthahngeier der Forschenden zufolge jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen organischen Abfalls – das spare fast eine Milliarde US-Dollar an Entsorgungskosten.

    Der Schutz der Arten ist auch eine Frage der öffentlichen Gesundheit

    Diesen Leistungen stehen massive Bedrohungen gegenüber. Fast die Hälfte der untersuchten Arten sei laut IUCN-Einstufung besonders stark von Wildtierhandel, Landnutzungswandel und intensiver Viehwirtschaft betroffen. „Schwindende Aasfresser sind mit vielfältigen, oft sich gegenseitig verstärkenden Bedrohungen durch menschliche Aktivitäten konfrontiert, was die Anpassung zu einer gewaltigen Herausforderung macht“, schreibt das Team.

    Der Schutz dieser Arten sei auch eine Frage der öffentlichen Gesundheit: „Die Bekämpfung der Bedrohungen für Aasfresser ist für die Verbesserung der globalen Gesundheit von entscheidender Bedeutung.“ Umso wichtiger sei es, drei menschengemachte Bedrohungen einzudämmen: intensive Nutztierhaltung, Landnutzungsänderungen und den Handel mit Wildtieren.

    Positivbeispiele gebe es bereits: In Indien habe das Verbot des Wirkstoffes Diclofenac in der Viehzucht zu einer Erholung bestimmter Geierbestände geführt. Auch Schutzgebiete oder Einschränkungen bei der Landnutzung zeigten regional Wirkung. (Alice Lanzke, dpa)

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