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Interview : Ben Stiller: „In der Filmbranche gab es früher kaum Grenzen“

Interview

Ben Stiller: „In der Filmbranche gab es früher kaum Grenzen“

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    Ben Stiller baut zum Abschalten Modellflugzeuge.
    Ben Stiller baut zum Abschalten Modellflugzeuge. Foto: Imago, PhotoxImagexPressx

    In der ersten Staffel von „Severance“ erzählen sie von einem Unternehmen, das die „Work-Life-Balance“ neu definiert: Die Erinnerungen der Büroangestellten an Arbeits- und Privatleben werden durch einen im Gehirn implantierten Chip chirurgisch voneinander getrennt. Hat die Arbeit an der Serie als Produzent und Regisseur Ihre Sicht auf die eigene Work-Life-Balance verändert?
    BEN STILLER : Die Arbeit an der Serie hat meine Work-Life-Balance schon beeinflusst – sie hat in den letzten fünf Jahren einen großen Teil meines Lebens eingenommen. Aber da ich in New York lebe, konnte ich oft von zu Hause aus arbeiten, vor allem beim Schneiden, auch wenn wir manchmal vor Ort drehen mussten.

    Was die Wut auf die großen Unternehmen betrifft, sind Sie thematisch mit der Serie auf der Höhe der Zeit.
    STILLER : Die Serie reflektiert vor allem sehr stark das Gefühl der Ohnmacht, das viele Menschen gegenüber großen Konzernen empfinden – diese schiere Größe und Unantastbarkeit. Sie zeigt, wie schwierig es ist, solche Strukturen zu ändern, und bringt durch die Figuren die persönliche Ebene ins Spiel: kleine Gruppen, die versuchen, gegen etwas Übermächtiges anzukämpfen. Es ist ein Spiegel der Realität, in der viele das Gefühl haben, ihre Stimme verliere sich im System. Das macht die Serie so relevant in der heutigen Zeit.

    Wie finden Sie persönlich Ihre Work-Life-Balance – können Sie da klar trennen, oder verschwimmt es auch manchmal?
    STILLER : Bei mir ist es so, dass meine Familie ein wichtiger Teil des Prozesses geworden ist. Ich zeige meiner Frau und meinen Kindern oft Episoden, um ihr Feedback zu bekommen. Sie sind wie eine Art Fokusgruppe für mich – und ehrlich gesagt, meistens ziemlich treffsicher. Das hat die Arbeit irgendwie auch persönlicher gemacht.

    Haben sich die Regeln rund um die sogenannte Work-Life-Balance in den letzten Jahren verändert?
    STILLER : Ja, definitiv – und das ist auch gut so. In unserer Branche wird heute viel mehr darauf geachtet, wie lange gearbeitet wird und was von einem Regisseur oder Produzenten verlangt werden darf, nur um eine Szene fertigzustellen. Früher gab es da kaum Grenzen. Es war, als hätten manche einen künstlerischen Freifahrtschein, und das wurde einfach akzeptiert. Am Ende ging es immer ums Geld. Ich finde es großartig, dass wir gerade durch die Pandemie gelernt haben, eine bessere ‘Work-Life-Balance’ zu schaffen. Das ist unglaublich wichtig.

    Haben Sie selbst etwas, das Ihnen hilft, den Kopf freizubekommen, wenn die Arbeit mal zu viel wird?
    STILLER: Für mich ist das der Modellbau. Ich liebe es, Modellflugzeuge zu bauen – das ist eine Sache, bei der ich wirklich zur Ruhe komme. Es hilft mir, den Fokus zu behalten und ein bisschen Abstand zur Arbeit zu gewinnen.

    Gibt es noch andere Dinge, bei denen Sie zur Ruhe kommen?
    STILLER: Was mir wirklich hilft, ist, zu Hause präsent zu sein, gerade in den Momenten, in denen ich nicht arbeite. Mit meiner Familie Zeit zu verbringen, sei es beim gemeinsamen Essen oder einfach nur beim Reden, gibt mir unglaublich viel. Es sind oft die kleinen, alltäglichen Dinge, die mir helfen, den Kopf freizubekommen und wieder auf das Wesentliche zu fokussieren.

    Sie sind mit Eltern aufgewachsen, die als Schauspieler mitten in der goldenen Ära Hollywoods gearbeitet haben. Welche besonderen Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
    STILLER: Ich habe so viele schöne Erinnerungen daran, als Kind mit meinen Eltern an Sets zu sein. Wir lebten in New York, aber wenn meine Eltern in Los Angeles gearbeitet haben, durfte ich oft mit. Es war unglaublich aufregend, durch die Paramount- oder Universal Studios zu laufen. Ich erinnere mich zum Beispiel noch genau an den Moment, als ich William Shatner am Set gesehen habe. Für jemanden, der Captain Kirk bewundert hat, war das einfach surreal. Und dann diese Besuche bei TV-Serien wie „The Brady Bunch“ (Deutscher Titel: Drei Mädchen und drei Jungen). Ich durfte die Schauspieler hautnah erleben und zusehen, wie diese Welten, die ich aus dem Fernsehen kannte, vor meinen Augen entstanden. Das waren magische Momente. Für mich als Kind fühlte sich diese große, schillernde Hollywood-Welt plötzlich so greifbar an.

    Welche unvergesslichen Stars haben Sie als Kind getroffen?
    STILLER: Als Kind in den 70ern hatte ich tatsächlich das Glück, ein paar unvergessliche Stars zu treffen. Einer der Ersten war John Belushi – meine Eltern haben mich zu Rodney Dangerfields Comedy Club mitgenommen, und dort war er. Es war mitten in seiner „Saturday Night Live“-Hochphase, und ich war völlig begeistert. Bei uns zu Hause war das ein großes Ding – wir haben es oft zusammen gesehen, und dann jemanden wie Belushi live zu treffen, war für mich unglaublich. Ein anderes Erlebnis war mit Charlton Heston. Ich war Praktikant bei einer Talkshow und durfte ihn zu seinem Auto begleiten. Klingt vielleicht wie eine kleine Sache, aber für mich war es riesig. Charlton Heston war eine Ikone, und diesen Moment werde ich nie vergessen. Solche Begegnungen haben mich als Kind nachhaltig beeindruckt – sie waren irgendwie magisch.

    Haben Sie damals als Kind verstanden, was Ihre Eltern beruflich machen? Wussten Sie, was es bedeutet, berühmt zu sein?
    STILLER: Das war einfach Teil unseres Lifestyles, als ich in den 70ern aufgewachsen bin. Meine Eltern waren ständig bei der Arbeit – entweder auf der Bühne oder als Teil einer TV-Serie. Ich erinnere mich noch daran, wie ich sie als kleiner Junge im Fernsehen gesehen habe. Ihr Job war ein natürlicher Bestandteil unseres Familienlebens. Es war wirklich toll, auch wenn es bedeutete, dass wir oft Interviews gegeben haben – manchmal sogar als ganze Familie. So war das eben bei uns.

    Wie glamourös war ihre Kindheit?
    STILLER: Ganz und gar nicht! Wir hatten ein sehr bodenständiges Familienleben, das sich kaum wie Hollywood anfühlte. Wir lebten in einem Apartment in Manhattan, mitten in New York. Es war alles andere als glamourös, auch wenn wir in der Upper West Side wohnten. Aber es war nie ein goldener Käfig. Ich erinnere mich vor allem daran, wie aufregend es für mich als Kind war, meine Eltern im Fernsehen zu sehen (lacht).

    Die Film- und Fernsehindustrie aus ihrer Kindheit ist mit der von heute nicht mehr zu vergleichen …
    STILLER: Die Vorstellung, dass heute jeder eine voll funktionsfähige Filmkamera in der Tasche hat, wäre damals unglaublich gewesen. Früher musste man sich erst eine Kamera organisieren, Film kaufen und irgendwie alles zusammenbekommen, wenn man etwas mit seinen Freunden drehen wollte. Heute kann man mit dem Handy einen erstaunlich guten Film machen. Wenn mich Leute nach einem Rat fragen, wie sie anfangen können, sage ich immer: Macht einfach. Ihr habt die Kamera in eurer Tasche. Fangt an, Sachen zu drehen – sie werden anfangs vielleicht nicht perfekt sein, aber das ist okay. Mit der Zeit wird es immer besser, und wenn es wirklich gut wird, werden es die Leute bemerken. Die Werkzeuge sind direkt da, also warum nicht einfach loslegen?

    Sie arbeiten bei „Severance“ hauptsächlich hinter der Kamera – würden Sie nicht gerne ab und zu auch davor treten?
    STILLER : Schauen Sie, der Gedanke, selbst in der Serie mitzuspielen, ist ab und zu schon aufgekommen. Aber ehrlich gesagt, möchte ich niemandem zumuten, damit klarzukommen. Natürlich finde ich die Serie so cool, dass ich gerne Teil davon wäre – welcher Schauspieler würde das nicht wollen? Aber ich bin schon hinter der Kamera so beschäftigt, dass das kaum machbar wäre. Und ja, ich bin tatsächlich da – ich springe manchmal in Outtakes ins Bild, meistens mit Maske. Vielleicht sollte ich doch eine Rolle übernehmen? Wäre das nicht großartig? (Lacht.)

    Zum Abschluss eine kleine Vorschau? Was passiert nun mit Mark, der Hauptfigur, in Staffel zwei?
    STILLER : Das ist eine gute Frage, aber schwer zu beantworten, ohne zu viel zu verraten. Am Ende der ersten Staffel erfährt Mark, dass seine Frau noch lebt – eine Entdeckung, die alles verändert. Der zentrale Konflikt in der neuen Staffel ist, wie Marks zwei Identitäten – sein „Innie“ im Büro und sein „Audi“ außerhalb – mit dieser Nachricht umgehen. Während er noch um seine Frau trauert, muss er herausfinden, ob das überhaupt wahr ist und wie er diese beiden Welten miteinander verbinden kann.

    Zur Person Ben Stiller, geboren 1965 in New York, ist das Kind zweier erfolgreicher Schauspieler und Comedians: Jerry Stiller und Anne Meara. Stiller, der auch als Produzent, Drehbuchautor und Regisseur arbeitet, gilt als einer der bestbezahlten und erfolgreichsten Schauspieler Hollywoods, seinen Durchbruch in der Branche hatte er 1998 mit dem Film „Verrückt nach Mary“. Bei der von ihm produzierten Serie „Severance“ führt er gemeinsam mit  Aoife McArdle Regie. Die erste Staffel über den dystopischen Alltag des Büroangestellten Mark würde mit einem Emmy ausgezeichnet. Nun läuft auf Apple TV+ die zweite Staffel an. Seit 2000 ist Stiller mit seiner Schauspielkollegin Christine Taylor verheiratet, mit der er eine Tochter und einen Sohn hat.

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