Frau Connor, Sie sind gerade in Südfrankreich. Waren Sie heute schon im Meer?
SARAH CONNOR: Im Meer noch nicht, aber immerhin kurz am Strand.
In den Medien war zu lesen, Sie seien ausgewandert. Ist da was dran?
CONNOR: Ich bin nicht ausgewandert. Wir verbringen schon seit Jahren zwischendurch Zeit in Frankreich, und jetzt waren wir zum ersten Mal für drei Monate am Stück über den Winter hier. Die Kinder sind hier auch zur Schule gegangen. Aber jetzt im Sommer, wo es hier ein bisschen voll wird, gehen wir wieder nach Berlin. Denn der Sommer ist auch in Berlin schön.
Der Winter weniger?
CONNOR: Es hat mir und meiner Seele gutgetan, die dunklen Berliner Monate im Süden zu überbrücken. Ich habe hier das Gefühl, ich kriege wieder richtig Luft. Ich komme ja vom Land. Ich brauche die Natur und die Möglichkeit, weit gucken zu können.
Das Meer spielt auch auf Ihrem neuen Album „Freigeistin“ eine große Rolle, zu Beginn des Stücks „Du bist da draußen“ singen Orcas.
CONNOR (LACHT): Das sind Buckelwale. Die haben wir mit dem Hydrofon in Mexiko aufgenommen.
Was bedeutet Ihnen das Meer?
CONNOR: Das Meer gibt mir Frieden. Ruhe und Stille im Kopf. Es nährt meine Seele. Hier bin ich komplett im Moment und brauche nichts anderes. Im Wasser habe ich das Gefühl, ganz klein und unwichtig zu sein. Das Meer flößt mir Respekt ein. Es verzaubert und fasziniert mich. Ich kann mir stundenlang unter Wasser Korallenriffe angucken oder die Schnecken im Seegras. Alles, was es da unten gibt. Niemanden interessiert unter Wasser, wer ich bin.
Können Sie tauchen?
CONNOR: Ja. Ich trainiere Apnoetauchen, um so lange wie möglich unter Wasser bleiben zu können, wenn ich einen Wal treffe – ohne Hilfsmittel. Ich bin so dankbar für die Geschenke, die ich vom Meer schon bekommen habe. Für die unglaublichen Begegnungen mit wunderschönen Tieren.
Freitauchen ohne Sauerstoff ist eine Spezialdisziplin und nicht ungefährlich. Wie tief kommen Sie runter?
CONNOR: Ich tauche dreißig Meter tief. Ohne Schlitten, ohne Sauerstoff. Das übe ich mit einem Trainer. Das ist tatsächlich ein Extremsport. Du darfst niemals alleine tauchen, nicht mal in der Badewanne, weil die Gefahr von einem Blackout besteht. Ich habe tiefen Respekt vor diesem Sport.
Was ist das Besondere am Freitauchen?
CONNOR: Ich liebe ich es, meine Grenzen immer ein bisschen weiter zu verschieben, dabei zu spüren, zu was mein Körper in der Lage ist und die Kontrolle in gewisser Weise abzugeben, zu entspannen und loszulassen. Was du niemals machen darfst beim Freitauchen, ist panisch werden, denn jede unnötige Bewegung verbraucht Energie und der Weg zum nächsten Atemzug kann lang sein.
Kommt es Ihnen auf der Bühne zugute, lange die Luft anhalten zu können?
CONNOR: Total! Wenn ich einen langen Ton halte, zum Beispiel bei „From Sarah With Love“ denke ich oft: Das schaffst du, gleich bist du oben. Das ist tatsächlich wie Auftauchen aus dreißig Metern (lacht).
Den Kopf freibekommen, den Moment genießen, all das hat auch viel mit den Themen auf deinem Album „Freigeistin“ zu tun. Wofür steht der Titel?
CONNOR: Er beschreibt am besten die Art und Weise, wie ich fühle und über Dinge nachdenke. Ausbruch und Aufbruch sind die Themen der Platte. Durch meinen Beruf und die Aufmerksamkeit, die er mit sich bringt, hat sich mein Leben viele Jahre sehr eng angefühlt. Außerdem bin ich früh Mutter geworden, hatte seit Anfang 20 viel Verantwortung. Der Raum, den ich für mich hatte, war sehr klein, sodass ich irgendwann das Bedürfnis hatte, mich freizuschwimmen. Jetzt, da die Kinder größer werden, habe ich endlich die Chance dazu.
Welche Dinge sind das?
CONNOR: Wie pflegst du eine lange Beziehung? Wie erhältst du dir als Paar das Gefühl des Verliebtseins? Warum haben wir Verlustängste? Warum haben wir das Bedürfnis, alles zu kontrollieren? Und wie überwinde ich meine Bindungsängste?
Sind Sie nicht seit vielen Jahren verheiratet?
CONNOR: Das bin ich, und trotzdem hatte ich lange kein wirkliches Vertrauen in tiefe Bindungen. Die Gründe dafür liegen weit in meiner Vergangenheit. Das Wort „Ehe“, klang früher für mich immer auch wie „Enge“.
Sie machen immer noch Musik, sind mit Ihrem Mann verheiratet. Was haben Sie in dieser Freischwimmzeit für sich herausgefunden?
CONNOR: Dass ich nichts muss, was ich nicht auch wirklich will. Weder meinen Job, noch die Beziehung, in der ich bin. Also habe ich alles nochmal unter die Lupe genommen und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich da wo ich bin genau richtig bin. Ich habe außerdem entschieden, mir mehr Zeit für andere Projekte zu nehmen. Bevor ich mit der Musik angefangen habe, wollte ich Meeresbiologie studieren. Irgendwie schließt sich gerade der Kreis. Ich habe im letzten Jahr eine Stiftung gegründet, die „Iberian Orca Guardians Foundation“. Ich komme gerade aus Gibraltar, wo ich fantastischen Leuten auf unserem Boot bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit über die Schulter schauen kann und viel Neues lerne.
Sie sehen die Ehe skeptisch, sind aber zum zweiten Mal verheiratet. Wie passt das zusammen?
CONNOR: Ich glaube nicht an ein Versprechen für immer. Woran ich aber inzwischen glaube, ist die tiefe Verbundenheit, die man mit einem Menschen haben kann. Sie fühlt sich schön und sicher an und bereichert mein Leben. Ich lerne immer mehr zu schätzen, dass es ein wunderbares Gefühl ist, wenn du jemanden an deiner Seite hast, auf den du dich verlassen kannst. Und ich finde es gerade selber erstaunlich, dass ich so rede (lacht).

Warum?
CONNOR: Weil ich immer dachte, ich vertraue nur mir selbst. Weil ich jemand bin, der jederzeit mit gepackter Tasche aus der Tür gehen könnte. Ich bin finanziell unabhängig, denke, ich würde alles auch alleine hinkriegen. Weder emotional noch finanziell will ich auf andere Menschen angewiesen sein.
Im Begleittext zu „Freigeistin“ stellen Sie die Frage, ob man wirklich monogam sein kann. Was denken Sie selbst?
CONNOR: Ich weiß es nicht. Ist Monogamie wirklich natürlich? Bei den Tieren kommt sie selten vor. Bei vielen Spezies, etwa den Orcas, gibt es die „female choice“, das heißt, das meist eher unscheinbare Weibchen sucht sich das größte, stärkste und schönste Männchen aus. Und zwar immer wieder neu für jede Paarung. Damit die DNA die beste Qualität hat. Das Weibchen sichert somit die Weiterentwicklung der Art. Bei uns Menschen hat „Mann“ oder die Kirche sich irgendwann mal ausgedacht, dass die Weibchen brav zuhause bleiben und die Kinder großziehen, während die Männer in die Welt ziehen und sich umschauen. Wir Frauen sollen gefälligst den Herd hüten und nicht auf die Idee kommen, uns weiter umzusehen. Aber rein biologisch ist das überhaupt nicht der Plan.
Sollten Frauen mehr wie Orcas denken?
CONNOR: Wir sollten einfach wissen, dass nichts mit uns verkehrt ist, wenn es uns ab und zu in die Nacht zieht und wir neugierig auf andere Begegnungen sind, weil wir begehrt und berührt werden wollen. Die Kunst ist es, diese Sehnsucht mit dem eigenen Partner zu besprechen. Einen Raum zu schaffen, indem jeder angstfrei sagen kann, was er sich wünscht. Dieses vom männlichen Denken geprägte Märchen von dem einen Prinzen, mit dem du ein Leben lang glücklich bist, setzt eine Beziehung nur unter Druck und verhindert einen echten Dialog und wahre Verbundenheit.
In „Heut ist alles gut“ singen Sie „Alle wollen ins Retreat/ alle brauchen Therapie“. Hat das Songschreiben für Sie einen therapeutischen Effekt?
CONNOR: Diese Zeilen sind ein Augenzwinkern in Richtung überforderter, aber auch empfindlicher Gesellschaft. Das Schreiben ist meine Berufung, mein Mittel, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Ich weiß selbst nicht immer, wo die Worte herkommen. In einem Interview hat mich jetzt jemand gefragt, ob das Bibelverse seien, die ich da zitiere.
„Herzen in Aufruhr“ wiederum ist der vielleicht erste Popsong, in dem der Name Hitler erwähnt wird.
CONNOR: Das Stück entstand nach einem Gespräch mit meinem damals sechsjährigen Sohn, der nicht verstanden hat, warum seine jüdischen Freunde aufgrund einer Bedrohungslage nicht in die Schule gehen konnten. Ich musste ihm erklären, warum die Juden verfolgt wurden. Das war furchtbar und hat mich tief bewegt. Gerade weil es eine Frage ist, auf die es keine nachvollziehbare Antwort gibt.
Auch in „FICKA“ finden Sie klare Worte, in diesem Fall gegen Hass und Anfeindungen im Netz.
CONNOR: Ich bin eine Soldatin in meinem Beruf, die es gewohnt ist, bewertet zu werden. Beleidigungen und unsachliche Kritik gehen meist, spurlos an mir vorbei, aber auch nicht immer. Speziell junge Menschen, jedoch, die anonym und ungefragt vernichtenden und feigen Gedanken-Müll von Fremden abbekommen und im Internet fertiggemacht werden, sollten besser geschützt werden. Man muss sich das nicht gefallen lassen.
Ihre Tochter Summer fängt jetzt auch an, als Sängerin zu arbeiten. Eine gute Idee?
CONNOR: Wir haben ein Auge darauf, aber wir mischen uns nicht ein. Das Wichtigste ist, dass du etwas findest, wofür du brennst und worauf du richtig Lust hast. Dann bist du darin auch gut. Die Songs, die Summer schreibt, sind wirklich unglaublich. Sie hat mit achtzehn eine Gabe, ihre Gefühle zu reflektieren und in Lieder zu verpacken, die ich frühestens mit Anfang dreißig hatte. Sie war in England im Internat und hat dort Unterricht in Tanz und Songwriting und anderen kreativen Fächern bekommen. Sie ist ehrgeizig und echt eine coole Braut.
Wären Sie selbst gern nochmal achtzehn?
CONNOR: Nein! Um Gottes willen. Ich bin aber total froh, dass ich so früh Mutter geworden bin und jetzt Kinder habe, die erwachsen werden, während ich selbst noch so jung bin. Wir haben immer eine lustige Zeit zusammen und lachen viel. Sie sind meine absoluten Lieblingsmenschen.
Zur Person
Sarah Connor ist in Niedersachsen aufgewachsen und stand schon als Teenagerin auf der Bühne - einmal sogar mit Michael Jackson. Ihre erste Single „Let‘s get back to bed, boy“ landete 2001 direkt in den Charts, das Debütalbum mit dem Hit „From Sarah with Love“ machte die Sängerin mit Anfang 20 berühmt. Seitdem hat Connor neun Alben veröffentlicht, sie hatte zahlreiche Fernsehauftritte und saß als Jurorin in Castingshows wie „The Voice“ und „X Factor“. Mit Ex-Mann Marc Terenzi und dem aktuellen Gatten Florian Fischer hat die 44-Jährige je zwei Kinder. Jetzt hat sie mit „Freigeistin“ ihr zehntes Album und hinterfragt darauf so manchen Lebensentwurf.
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