Der Arktische Ozean rund um den Nordpol könnte Analysen zufolge schon 2027 tageweise eisfrei sein, wenn bestimmte Wetterlagen dies begünstigen. Das ergaben im Fachjournal Nature Communications vorgestellte Computersimulationen auf Basis von Tageswerten der Eisbedeckung. Bisher war mit Monatsdurchschnittswerten gerechnet worden.
„Der erste eisfreie Tag in der Arktis wird nichts dramatisch verändern“, erklärte Mitautorin Alexandra Jahn von der University of Colorado in Boulder. „Aber er wird zeigen, dass wir durch Treibhausgasemissionen eines der bestimmenden Merkmale der natürlichen Umwelt des Arktischen Ozeans – nämlich, dass er das ganze Jahr über von Meereis und Schnee bedeckt ist – grundlegend verändert haben.“
Schon in wenigen Jahren könnten eine Million Quadratkilometer des Ozeans eisfrei sein
Jahn und ihre Mitautorin Céline Heuzé von der Universität Göteborg gingen von der gängigen Definition aus, nach der der Arktische Ozean als eisfrei gilt, wenn weniger als eine Million Quadratkilometer von Eis bedeckt sind. Für ihre Berechnung verwendeten sie Daten aus dem Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC) und Prognosen zur Entwicklung der Energiebilanz der Erde bei unterschiedlich hohen Treibhausgasemissionen.
Die Autorinnen legten Daten von 2023, die als niedrigste Meereisbedeckung 3,39 Millionen Quadratkilometer auswiesen, zugrunde. 2024 führten sie 366 Simulationen durch. Neun der Simulationen ergaben ein eisfreies Nordpolarmeer in den kommenden drei bis sechs Jahren. „Bemerkenswerterweise spielt das Emissionsszenario hier keine wichtige Rolle“, schreiben die Forscherinnen.
Reduzierte Treibhausgase könnten das Schmelzen eindämmen
Jahn und Heuzé wollten genauer wissen, welche Bedingungen zu frühen eisfreien Tagen führen. Zunächst blieben eisfreie Tage kein Einzelereignis, sondern es zeigten sich zwischen 11 und 53 aufeinanderfolgende eisfreie Tage in den Simulationen. Extreme Wetterlagen, bei dem ein Hoch warme Luft über dem Nordpolarmeer hält oder ein Tief zum Eindringen warmer Luft führt, können das Eis schmelzen lassen, vor allem wenn mehrere solcher Ereignisse aufeinanderfolgen. Dann könnten rund zwei Millionen Quadratkilometer Meereis in kurzer Zeit schmelzen.
Der Arktische Ozean könnte im Spätsommer 2027 eisfrei sein, wenn drei Jahre hintereinander Folgendes passiert: Auf einen warmen Herbst, der das Meereis schwächt, folgen ein warmer arktischer Winter, der die Neubildung von Meereis verhindert, und ein ebenfalls warmer Frühling. Sollte der Treibhausgasausstoß aber stark zurückgehen, zeigen Simulationen der Forscherinnen, dass das Eis im Nordpolarmeer bis 2100 bleiben könnte. „Jede Emissionsreduzierung würde dazu beitragen, Meereis zu erhalten“, sagte Jahn. (Stefan Parsch, dpa)
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