Seine Bedeutung für Europa ist groß – und wie es mit ihm weitergeht ist noch ziemlich unklar: Die Entwicklung des Strömungs-systems Amoc im Zuge des Klimawandels wird unter Wissenschaftlern intensiv diskutiert. Ein Forschungsteam fügte kürzlich einen Aspekt hinzu: Eine bestimmte Strömung, der Beaufortwirbel, könnte schon in diesem Jahrhundert stark abnehmen oder sogar verschwinden. Infolgedessen könnte in den Nordatlantik eine große Menge Süßwasser eindringen, was die globale Oze-anzirkulation schwächen würde.
Die Atlantische Umwälzströmung (Amoc, englisch: Atlantic Meridional Overturning Circulation) im Atlantischen Ozean hat direkten Einfluss auf das Klima weltweit und wird selbst vom Klima beeinflusst. In West- und Nordeuropa sorgt das System, zu dem auch der Golfstrom gehört, für vergleichsweise milde Temperaturen.
Die meisten Modelle sagen einen Rückgang des Beaufortwirbels vorher
Das Strömungssystem befördert warmes Wasser aus den Tropen an der Ozeanoberfläche Richtung Norden und kaltes Wasser in größerer Tiefe gen Süden. Die gewaltige Umwälzbewegung gilt als ein Kippelement für abrupte Veränderungen im Zuge der Erderwärmung. Geschwächt wird sie unter anderem durch den Eintrag von Süßwasser.
Eine Ende 2024 im Fachjournal Science Advances vorgestellte Studie zu Simulationen unter extremen Klimabedingungen hatte ergeben, dass der Eintrag von Süßwasser in die Irmingersee im Südosten Grönlands durch den Rückgang des Meereises und Gletscherschmelze zunimmt.

Die Amoc könne auf den Süßwassereintrag in die Irmingersee besonders empfindlich reagieren, erläuterte das Team um Qiyun Ma vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) damals: Die Veränderungen der Amoc-Intensität sind demnach im Allgemeinen größer, wenn Süßwasser direkt über solche Tiefenwasser-Bildungsgebiete eingeleitet wird. Solche Regionen gibt es weltweit nur wenige. Im Winter sinken dort kalte Wassermassen von der Oberfläche hunderte Meter in die Tiefe.
Das Team um Marylou Athanase vom AWI in Bremerhaven erstellte nun auf Basis globaler Klimamodelle Projektionen speziell für den Beaufortwirbel in der Beaufortsee, die im Arktischen Ozean nördlich der Küsten Alaskas und Kanadas liegt. Die meisten Modelle sagen demnach einen Rückgang oder ein Verschwinden des Beaufortwirbels bis zum Ende des Jahrhunderts vorher.
Indem er Süßwasser speichert oder freisetzt, beeinflusst der Beaufortwirbel die Eigenschaften des Ozeans innerhalb der Arktis und bis in den Nordatlantik hinein. Aufgrund der wärmeren Temperaturen in der Arktis verliert er bereits große Mengen an Meereis, wie die Forschenden erläutern. Das Eis trägt demnach dazu bei, den Ozean kühl zu halten und wirkt wie ein Deckel: Wenn das Meereis dünner wird, kann mehr Wärme aus der Atmosphäre eindringen, wodurch die Meerestemperaturen weiter ansteigen und noch mehr Meereis verschwindet.
Die Erderwärmung gefährdet das Strömungssystem
Frühere Untersuchungen haben den Angaben zufolge bereits gezeigt, dass der Süßwassergehalt der Beaufortsee in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 40 Prozent zugenommen hat. „Die Ergebnisse dieser Studie lassen uns befürchten, dass der Rückgang des Meereises in diesem Gebiet zu einem Kipppunkt führen könnte, an dem die Amoc zusammenbricht“, sagte Mitau-torin Céline Heuzé von der Universität Göteborg.
Angetrieben wird die Amoc von Dichteunterschieden des Ozeans: Warmes, salzhaltiges Oberflächenwasser fließt von Süden nach Norden, wo es abkühlt und dichter wird. Dadurch sinkt es nahezu senkrecht in tiefere Meeresschichten – tiefe Konvektion wird das genannt – und fließt als sogenanntes Tiefenwasser zurück in den Süden. Gewaltige Mengen an Energie werden so umverteilt.
Der Mechanismus droht durch die Erderwärmung aus dem Gleichgewicht zu geraten: Zum einen steigt die Temperatur des Oberflächenwassers im Norden. Zum anderen führt das Abschmelzen von Eis dem nördlichen Atlantik Süßwasser zu, was die Dichte des Wassers verringert, dessen Absinken hemmt und so letztlich die Strömung der Amoc-Zirkulation schwächt.
In welchem Ausmaß das geschieht und ob ein Zusammenbruch des Systems noch in diesem Jahrhundert bevorstehen könnte, wird unter Forschenden diskutiert. Die Folgen einer kollabierenden Amoc wären dramatisch, wie Forschende in Science Advances beschrieben: In einigen Städten Europas könnte die Jahresmitteltemperatur binnen 100 Jahren bis zu 15 Grad sinken. Die Auswirkungen solcher schnellen Veränderungen auf Natur und Landwirtschaft lassen sich kaum erahnen. Einfluss hätte ein abrupter Zusammenbruch der Ozeanzirkulation wohl auch auf den Meeresspiegel in Europa: Er könnte Schätzungen zufolge um etwa einen Meter steigen.
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